Vor dem regierenden laufen 2. Bediente in gelber Li- vree, einer mit dem Regimentsstabe in der Hand, her.
Nach Cölln darf kein Jude kommen. Jede Stun- de kostet ihm 100. Dukaten. -- Närrische, harte Gese- tze, als wenn wir bessre Geschöpfe Gottes, als dies ver- stoßne Volk wären, als wenn Erde und Luft unser Eigen- thum wäre! Ohne Zweifel ist dies wieder eine Wirkung von der satanischen Gewalt, die sich ehemals die Bauch- pfaffen anmaßten. In Mastricht ward vor Kurzem ein Jude eines Diebstahls wegen zum Staupbesen verur- theilt. Der Pöbel ging im Haß weiter, als die Gerech- tigkeit der Richter erkannt hatte. Auf allen Strassen rottete sich das Volk zusammen, der Missethäter ward mit Steinen vor die Stadt hinaus verfolgt, die schläfri- ge Obrigkeit wehrte nicht ernstlich, die Jungen ruhten nicht, bis der unglückliche Jude unter dem Steinregen das Leben ausgab. Ach Christen! ach Menschen! wie wollt ihr das dereinst vor dem Schöpfer und Menschen- vater verantworten! Ihr, die ihr jungen Seelen das Gift des Religionshasses einflösset, leckt das Blut auf, und tragts vor Gott, wenn ihr Herz habt!
Reise nach der Grafschaft Sponheim.
Den 2ten Sept.
Von Cölln reiste ich frühe ab, und ging mit dem ordinären Postwagen über Bonn und Andernach nach Koblenz, blieb da über Nacht, und machte
Den
Vor dem regierenden laufen 2. Bediente in gelber Li- vree, einer mit dem Regimentsſtabe in der Hand, her.
Nach Coͤlln darf kein Jude kommen. Jede Stun- de koſtet ihm 100. Dukaten. — Naͤrriſche, harte Geſe- tze, als wenn wir beſſre Geſchoͤpfe Gottes, als dies ver- ſtoßne Volk waͤren, als wenn Erde und Luft unſer Eigen- thum waͤre! Ohne Zweifel iſt dies wieder eine Wirkung von der ſataniſchen Gewalt, die ſich ehemals die Bauch- pfaffen anmaßten. In Maſtricht ward vor Kurzem ein Jude eines Diebſtahls wegen zum Staupbeſen verur- theilt. Der Poͤbel ging im Haß weiter, als die Gerech- tigkeit der Richter erkannt hatte. Auf allen Straſſen rottete ſich das Volk zuſammen, der Miſſethaͤter ward mit Steinen vor die Stadt hinaus verfolgt, die ſchlaͤfri- ge Obrigkeit wehrte nicht ernſtlich, die Jungen ruhten nicht, bis der ungluͤckliche Jude unter dem Steinregen das Leben auſgab. Ach Chriſten! ach Menſchen! wie wollt ihr das dereinſt vor dem Schoͤpfer und Menſchen- vater verantworten! Ihr, die ihr jungen Seelen das Gift des Religionshaſſes einfloͤſſet, leckt das Blut auf, und tragts vor Gott, wenn ihr Herz habt!
Reiſe nach der Grafſchaft Sponheim.
Den 2ten Sept.
Von Coͤlln reiſte ich fruͤhe ab, und ging mit dem ordinaͤren Poſtwagen uͤber Bonn und Andernach nach Koblenz, blieb da uͤber Nacht, und machte
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Vor dem regierenden laufen 2. Bediente in gelber Li-
vree, einer mit dem Regimentsſtabe in der Hand, her.
Nach Coͤlln darf kein Jude kommen. Jede Stun-
de koſtet ihm 100. Dukaten. — Naͤrriſche, harte Geſe-
tze, als wenn wir beſſre Geſchoͤpfe Gottes, als dies ver-
ſtoßne Volk waͤren, als wenn Erde und Luft unſer Eigen-
thum waͤre! Ohne Zweifel iſt dies wieder eine Wirkung
von der ſataniſchen Gewalt, die ſich ehemals die Bauch-
pfaffen anmaßten. In Maſtricht ward vor Kurzem
ein Jude eines Diebſtahls wegen zum Staupbeſen verur-
theilt. Der Poͤbel ging im Haß weiter, als die Gerech-
tigkeit der Richter erkannt hatte. Auf allen Straſſen
rottete ſich das Volk zuſammen, der Miſſethaͤter ward
mit Steinen vor die Stadt hinaus verfolgt, die ſchlaͤfri-
ge Obrigkeit wehrte nicht ernſtlich, die Jungen ruhten
nicht, bis der ungluͤckliche Jude unter dem Steinregen
das Leben auſgab. Ach Chriſten! ach Menſchen! wie
wollt ihr das dereinſt vor dem Schoͤpfer und Menſchen-
vater verantworten! Ihr, die ihr jungen Seelen das
Gift des Religionshaſſes einfloͤſſet, leckt das Blut auf,
und tragts vor Gott, wenn ihr Herz habt!
Reiſe nach der Grafſchaft Sponheim.
Den 2ten Sept.
Von Coͤlln reiſte ich fruͤhe ab, und ging mit dem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/642>, abgerufen am 21.11.2024.
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