Ludwig demXIII. und dem Kardinal Richelien. Auf dem Gestelle steht die Statue Ludwigs desXIII. zu Pferde, von Bronze. Die Arbeit hat das noch etwas rauhe Gepräge des damaligen Geschmacks. Sie ist nach meinem Geschmack die schlechteste unter allen Sta- tüen in Paris. Das Pferd hebt den linken Vorderfuß zu hoch auf, und hinten steht seine Schwanzruthe etwas zu lang und zu steif hinauf. Eben so sind die Finger an der ausgestreckten Hand des Königs steif, und wider- lich. Hier hat der König einen Helm mit einem Feder- busch auf. Henri IV. hat gar nichts auf dem Kopf.
Le Boulevard. So heißt ein Spaziergang, der einem Wall gleich sieht, fast um die ganze Stadt geht, alle Gassen durchschneidet, aber doch nicht der äusserste Zirkel ist, den man um die Stadt beschreiben könnte; denn es stehen noch viele Häuser ausserhalb demselben. Er ist breit, in der Mitte für die Karossen und zu bei- den Seiten für die Fußgänger eingerichtet. Man findet eine Menge Caffees (der Franzose sagt nicht, Kaffehäu- ser), Bierhäuser, kleine Gartenhäuser, Joueurs de Farce, welche die gröbsten Possen mit unendlichem Ge- schrei spielen, Marionetten, Marktschreier, Filoux, Laternes magiques, allerhand Spiele, Savoyards, Gemälde, Kupfer etc. Ueberall findet man den tändeln- den, spielenden, Geist der Nation. Ueberall schmutzige, wollüstige Gemälde, Leichtsinnigkeiten ohne Ende, freche Darstellungen der entsetzlichsten Laster, mit allen Reizen der Malerei und der Zeichnung, Saulieder, Sammlun- gen von Zoten, kleine niedliche Schriften mit den ver- führerischsten Vignetten und Kupferstichen etc. Bildnisse hoher Reisenden; neuerlich Hingerichteter, der amerika-
nischen
Ludwig demXIII. und dem Kardinal Richelien. Auf dem Geſtelle ſteht die Statue Ludwigs desXIII. zu Pferde, von Bronze. Die Arbeit hat das noch etwas rauhe Gepraͤge des damaligen Geſchmacks. Sie iſt nach meinem Geſchmack die ſchlechteſte unter allen Sta- tuͤen in Paris. Das Pferd hebt den linken Vorderfuß zu hoch auf, und hinten ſteht ſeine Schwanzruthe etwas zu lang und zu ſteif hinauf. Eben ſo ſind die Finger an der ausgeſtreckten Hand des Koͤnigs ſteif, und wider- lich. Hier hat der Koͤnig einen Helm mit einem Feder- buſch auf. Henri IV. hat gar nichts auf dem Kopf.
Le Boulevard. So heißt ein Spaziergang, der einem Wall gleich ſieht, faſt um die ganze Stadt geht, alle Gaſſen durchſchneidet, aber doch nicht der aͤuſſerſte Zirkel iſt, den man um die Stadt beſchreiben koͤnnte; denn es ſtehen noch viele Haͤuſer auſſerhalb demſelben. Er iſt breit, in der Mitte fuͤr die Karoſſen und zu bei- den Seiten fuͤr die Fußgaͤnger eingerichtet. Man findet eine Menge Caffées (der Franzoſe ſagt nicht, Kaffehaͤu- ſer), Bierhaͤuſer, kleine Gartenhaͤuſer, Joueurs de Farce, welche die groͤbſten Poſſen mit unendlichem Ge- ſchrei ſpielen, Marionetten, Marktſchreier, Filoux, Laternes magiques, allerhand Spiele, Savoyards, Gemaͤlde, Kupfer ꝛc. Ueberall findet man den taͤndeln- den, ſpielenden, Geiſt der Nation. Ueberall ſchmutzige, wolluͤſtige Gemaͤlde, Leichtſinnigkeiten ohne Ende, freche Darſtellungen der entſetzlichſten Laſter, mit allen Reizen der Malerei und der Zeichnung, Saulieder, Sammlun- gen von Zoten, kleine niedliche Schriften mit den ver- fuͤhreriſchſten Vignetten und Kupferſtichen ꝛc. Bildniſſe hoher Reiſenden; neuerlich Hingerichteter, der amerika-
niſchen
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Ludwig dem XIII. und dem Kardinal Richelien. Auf
dem Geſtelle ſteht die Statue Ludwigs des XIII. zu
Pferde, von Bronze. Die Arbeit hat das noch etwas
rauhe Gepraͤge des damaligen Geſchmacks. Sie iſt
nach meinem Geſchmack die ſchlechteſte unter allen Sta-
tuͤen in Paris. Das Pferd hebt den linken Vorderfuß
zu hoch auf, und hinten ſteht ſeine Schwanzruthe etwas
zu lang und zu ſteif hinauf. Eben ſo ſind die Finger
an der ausgeſtreckten Hand des Koͤnigs ſteif, und wider-
lich. Hier hat der Koͤnig einen Helm mit einem Feder-
buſch auf. Henri IV. hat gar nichts auf dem Kopf.
Le Boulevard. So heißt ein Spaziergang, der
einem Wall gleich ſieht, faſt um die ganze Stadt geht,
alle Gaſſen durchſchneidet, aber doch nicht der aͤuſſerſte
Zirkel iſt, den man um die Stadt beſchreiben koͤnnte;
denn es ſtehen noch viele Haͤuſer auſſerhalb demſelben.
Er iſt breit, in der Mitte fuͤr die Karoſſen und zu bei-
den Seiten fuͤr die Fußgaͤnger eingerichtet. Man findet
eine Menge Caffées (der Franzoſe ſagt nicht, Kaffehaͤu-
ſer), Bierhaͤuſer, kleine Gartenhaͤuſer, Joueurs de
Farce, welche die groͤbſten Poſſen mit unendlichem Ge-
ſchrei ſpielen, Marionetten, Marktſchreier, Filoux,
Laternes magiques, allerhand Spiele, Savoyards,
Gemaͤlde, Kupfer ꝛc. Ueberall findet man den taͤndeln-
den, ſpielenden, Geiſt der Nation. Ueberall ſchmutzige,
wolluͤſtige Gemaͤlde, Leichtſinnigkeiten ohne Ende, freche
Darſtellungen der entſetzlichſten Laſter, mit allen Reizen
der Malerei und der Zeichnung, Saulieder, Sammlun-
gen von Zoten, kleine niedliche Schriften mit den ver-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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