Amstel und des Y. Ueber dieses, hier sehr breite Was- ser, ist eine Brücke mit vielen Bogen gebaut, die so, wie alle Brücken in Amsterdam, sehr hoch, schön, fest und nett ist. Ich besuchte bei dieser Gelegenheit auch die
Judengegenden und Synagogen. Es gibt ei- ne unbeschreibliche Menge Juden hier, sonderlich Por- tugiesische. Ganze Gegenden der Stadt sind mit ihnen angefüllt. Sie bewohnen auch ganz allein einige Grag- ten, und haben zum Theil massive Häuser aus Quader- steinen. So entsetzlich reich einige sind, so blutarm sind wieder andre. Indessen arbeiten sie hier, schleppen be- ständig Güter auf den Schleifen herum, ich sah auch ei- nen der Schuh flickte; sie treiben auch andre Handwerke, und wiewohl es Sonntag war, muß es ihnen doch erlaubt seyn, zu leben, wie am Werkeltage. Sie haben etliche grosse Synagogen, die fast meist beieinander stehen. -- Darunter ist der
Neue portugiesische Schmaussentempel beim Leidener Thore, die schönste Synagoge, die sie vielleicht in Europa haben. Mancher Fürst in Deutschland hat keine solche Kapelle. Unten ist ein grosser Platz mit Bänken, in der Mitte der erhöhte Platz zum Vorlesen, und oben die schönsten Gallerien für die Weiber. Abends um halb 7. Uhr war da ein Zusammenfluß, wie an der Börse, und ein Händewaschen, daß ich erstaunen muste, und grade dabei war wieder eine andre eben so grosse Sy- nagoge, völlig voll, und die dritte öfnete man erst. Sie verkaufen an den Thüren ihre Betbücher aufs prächtigste eingebunden. Die portugiesischen Rabbinen gingen gra- de so gekleidet wie die holländischen Domine.
Blauw-
Amſtel und des Y. Ueber dieſes, hier ſehr breite Waſ- ſer, iſt eine Bruͤcke mit vielen Bogen gebaut, die ſo, wie alle Bruͤcken in Amſterdam, ſehr hoch, ſchoͤn, feſt und nett iſt. Ich beſuchte bei dieſer Gelegenheit auch die
Judengegenden und Synagogen. Es gibt ei- ne unbeſchreibliche Menge Juden hier, ſonderlich Por- tugieſiſche. Ganze Gegenden der Stadt ſind mit ihnen angefuͤllt. Sie bewohnen auch ganz allein einige Grag- ten, und haben zum Theil maſſive Haͤuſer aus Quader- ſteinen. So entſetzlich reich einige ſind, ſo blutarm ſind wieder andre. Indeſſen arbeiten ſie hier, ſchleppen be- ſtaͤndig Guͤter auf den Schleifen herum, ich ſah auch ei- nen der Schuh flickte; ſie treiben auch andre Handwerke, und wiewohl es Sonntag war, muß es ihnen doch erlaubt ſeyn, zu leben, wie am Werkeltage. Sie haben etliche groſſe Synagogen, die faſt meiſt beieinander ſtehen. — Darunter iſt der
Neue portugieſiſche Schmauſſentempel beim Leidener Thore, die ſchoͤnſte Synagoge, die ſie vielleicht in Europa haben. Mancher Fuͤrſt in Deutſchland hat keine ſolche Kapelle. Unten iſt ein groſſer Platz mit Baͤnken, in der Mitte der erhoͤhte Platz zum Vorleſen, und oben die ſchoͤnſten Gallerien fuͤr die Weiber. Abends um halb 7. Uhr war da ein Zuſammenfluß, wie an der Boͤrſe, und ein Haͤndewaſchen, daß ich erſtaunen muſte, und grade dabei war wieder eine andre eben ſo groſſe Sy- nagoge, voͤllig voll, und die dritte oͤfnete man erſt. Sie verkaufen an den Thuͤren ihre Betbuͤcher aufs praͤchtigſte eingebunden. Die portugieſiſchen Rabbinen gingen gra- de ſo gekleidet wie die hollaͤndiſchen Domine.
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Amſtel und des Y. Ueber dieſes, hier ſehr breite Waſ-
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alle Bruͤcken in Amſterdam, ſehr hoch, ſchoͤn, feſt und
nett iſt. Ich beſuchte bei dieſer Gelegenheit auch die
Judengegenden und Synagogen. Es gibt ei-
ne unbeſchreibliche Menge Juden hier, ſonderlich Por-
tugieſiſche. Ganze Gegenden der Stadt ſind mit ihnen
angefuͤllt. Sie bewohnen auch ganz allein einige Grag-
ten, und haben zum Theil maſſive Haͤuſer aus Quader-
ſteinen. So entſetzlich reich einige ſind, ſo blutarm ſind
wieder andre. Indeſſen arbeiten ſie hier, ſchleppen be-
ſtaͤndig Guͤter auf den Schleifen herum, ich ſah auch ei-
nen der Schuh flickte; ſie treiben auch andre Handwerke,
und wiewohl es Sonntag war, muß es ihnen doch erlaubt
ſeyn, zu leben, wie am Werkeltage. Sie haben etliche
groſſe Synagogen, die faſt meiſt beieinander ſtehen. —
Darunter iſt der
Neue portugieſiſche Schmauſſentempel beim
Leidener Thore, die ſchoͤnſte Synagoge, die ſie vielleicht
in Europa haben. Mancher Fuͤrſt in Deutſchland
hat keine ſolche Kapelle. Unten iſt ein groſſer Platz mit
Baͤnken, in der Mitte der erhoͤhte Platz zum Vorleſen,
und oben die ſchoͤnſten Gallerien fuͤr die Weiber. Abends
um halb 7. Uhr war da ein Zuſammenfluß, wie an der
Boͤrſe, und ein Haͤndewaſchen, daß ich erſtaunen muſte,
und grade dabei war wieder eine andre eben ſo groſſe Sy-
nagoge, voͤllig voll, und die dritte oͤfnete man erſt. Sie
verkaufen an den Thuͤren ihre Betbuͤcher aufs praͤchtigſte
eingebunden. Die portugieſiſchen Rabbinen gingen gra-
de ſo gekleidet wie die hollaͤndiſchen Domine.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/578>, abgerufen am 24.11.2024.
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