der Schiffer etc. kömmt alle Jahr ein alphabetisches Ver- zeichnis aller hiesigen Kaufleute, mit der Anzeige ihrer Wohnung heraus. Allein viele ziehen auch hier, wie überall, oft aus einem Quartier ins andre. Die soge- nannten Krayeurs oder Leute, welche die Equipage der Reisenden und die Waaren fortschaffen, kennen die Stadt am meisten, sagen und zeigen den Weg, wollen aber für jeden Gang baar bezahlt seyn. -- Es sind gemeine hand- feste Kerle, werden aber von den Bürgermeistern selbst zu ihrem Amte bestellt, und man kan ihnen ohne Gefahr die kostbarsten Sachen anvertrauen. Sie verdienen mehr Geld, als mancher Gelehrter von einem deutschen Fürsten. Der, welcher meinen Kuffer vom Schiff ins Wirthshaus brachte, versicherte mir, daß er seinen Verdienst nicht um tausend Thaler jährlich gäbe. --
Unter den Gegenden der Stadt, die ich heute gese- hen, war die
Buitenkant op de Schipperstraat die schönste. Sie ist gros, grade, hat lauter schöne grosse Häuser, und auf der andern Seite ist sie der Länge nach mit Schiffen besetzt. Man hat da eine herrliche Aussicht unten in die See, und oben in den Hafen von Amsterdam. Eine unbeschreibliche Menge Schiffe, Kriegsschiffe, Ostin- dienfahrer, Cöllner Rheinschiffe u. s. w. liegen da. Man sieht unter die Masten und Segelstangen, wie in einen Wald, hinein. Ich suchte da Myn Heer Schoorn auf, um Tollius Brief abzugeben, er war aber aufm Lande. Ich lernte da das gefährliche Ge- schmeis der
Seelenverkäufer kennen, die beständig am Ufer, wo sonderlich Schiffe aus Deutschland ankommen, theils
auf
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der Schiffer ꝛc. koͤmmt alle Jahr ein alphabetiſches Ver- zeichnis aller hieſigen Kaufleute, mit der Anzeige ihrer Wohnung heraus. Allein viele ziehen auch hier, wie uͤberall, oft aus einem Quartier ins andre. Die ſoge- nannten Krayeurs oder Leute, welche die Equipage der Reiſenden und die Waaren fortſchaffen, kennen die Stadt am meiſten, ſagen und zeigen den Weg, wollen aber fuͤr jeden Gang baar bezahlt ſeyn. — Es ſind gemeine hand- feſte Kerle, werden aber von den Buͤrgermeiſtern ſelbſt zu ihrem Amte beſtellt, und man kan ihnen ohne Gefahr die koſtbarſten Sachen anvertrauen. Sie verdienen mehr Geld, als mancher Gelehrter von einem deutſchen Fuͤrſten. Der, welcher meinen Kuffer vom Schiff ins Wirthshaus brachte, verſicherte mir, daß er ſeinen Verdienſt nicht um tauſend Thaler jaͤhrlich gaͤbe. —
Unter den Gegenden der Stadt, die ich heute geſe- hen, war die
Buitenkant op de Schipperſtraat die ſchoͤnſte. Sie iſt gros, grade, hat lauter ſchoͤne groſſe Haͤuſer, und auf der andern Seite iſt ſie der Laͤnge nach mit Schiffen beſetzt. Man hat da eine herrliche Ausſicht unten in die See, und oben in den Hafen von Amſterdam. Eine unbeſchreibliche Menge Schiffe, Kriegsſchiffe, Oſtin- dienfahrer, Coͤllner Rheinſchiffe u. ſ. w. liegen da. Man ſieht unter die Maſten und Segelſtangen, wie in einen Wald, hinein. Ich ſuchte da Myn Heer Schoorn auf, um Tollius Brief abzugeben, er war aber aufm Lande. Ich lernte da das gefaͤhrliche Ge- ſchmeis der
Seelenverkaͤufer kennen, die beſtaͤndig am Ufer, wo ſonderlich Schiffe aus Deutſchland ankommen, theils
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der Schiffer ꝛc. koͤmmt alle Jahr ein alphabetiſches Ver-
zeichnis aller hieſigen Kaufleute, mit der Anzeige ihrer
Wohnung heraus. Allein viele ziehen auch hier, wie
uͤberall, oft aus einem Quartier ins andre. Die ſoge-
nannten Krayeurs oder Leute, welche die Equipage der
Reiſenden und die Waaren fortſchaffen, kennen die Stadt
am meiſten, ſagen und zeigen den Weg, wollen aber fuͤr
jeden Gang baar bezahlt ſeyn. — Es ſind gemeine hand-
feſte Kerle, werden aber von den Buͤrgermeiſtern ſelbſt
zu ihrem Amte beſtellt, und man kan ihnen ohne Gefahr
die koſtbarſten Sachen anvertrauen. Sie verdienen mehr
Geld, als mancher Gelehrter von einem deutſchen Fuͤrſten.
Der, welcher meinen Kuffer vom Schiff ins Wirthshaus
brachte, verſicherte mir, daß er ſeinen Verdienſt nicht
um tauſend Thaler jaͤhrlich gaͤbe. —
Unter den Gegenden der Stadt, die ich heute geſe-
hen, war die
Buitenkant op de Schipperſtraat die ſchoͤnſte.
Sie iſt gros, grade, hat lauter ſchoͤne groſſe Haͤuſer, und
auf der andern Seite iſt ſie der Laͤnge nach mit Schiffen
beſetzt. Man hat da eine herrliche Ausſicht unten in die
See, und oben in den Hafen von Amſterdam. Eine
unbeſchreibliche Menge Schiffe, Kriegsſchiffe, Oſtin-
dienfahrer, Coͤllner Rheinſchiffe u. ſ. w. liegen da.
Man ſieht unter die Maſten und Segelſtangen, wie
in einen Wald, hinein. Ich ſuchte da Myn Heer
Schoorn auf, um Tollius Brief abzugeben, er war
aber aufm Lande. Ich lernte da das gefaͤhrliche Ge-
ſchmeis der
Seelenverkaͤufer kennen, die beſtaͤndig am Ufer,
wo ſonderlich Schiffe aus Deutſchland ankommen, theils
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/569>, abgerufen am 23.11.2024.
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