andre Gelehrte mir von Vosmaer gesagt haben. In Schubladen mag noch manches verschlossen seyn, aber die Kastellane sind gewinnsüchtige grobe Kerle. Es ist ver- boten, etwas im Kabinet aufzuschreiben, noch einen mehr als einmahl hinein zu lassen. Die angesehensten Leute in der Stadt haben versucht, Erlaubnis zu bekommen, darin zu arbeiten, aber vergebens. Vosmaer steht mit keinem einzigen hiesigen Gelehrten in diesem Fache in gutem Vernehmen. Morgen und übermorgen wird noch dazu im Kabinet aufgeputzt etc. Ists nicht ewig Schade, daß in einem Lande, wo die Schifffahrt nach allen Weltgegenden, und Geld im Ueberfluß alle Schä- tze der Natur aufhäufen und alle Fremden herziehen könn- te, kein vollständiges wohleingerichtetes Museum errichtet wird?
Bemerkungen.
Den holländischen gemeinen Weibern wünscht' ich nicht in die Hände zu fallen. Ein Franzose schimpfte eine in einer Strasse, und schlug sie mit dem Stocke nur ein wenig an die Füsse. Aber das Schlagen auf der Strasse kan der geringste Mensch in Holland nicht ver- tragen. Es wird auch fast mit dem Leben gestraft. Die Weiber zogen alle ihre grossen hölzernen Schuhe aus, kamen zu funfzigen zusammen, prügelten den Franzosen derb ab, und wolten ihn in den Kanal werfen, bis ihn endlich noch ein Paar Bediente ihren Händen entrissen.
Man fährt hier in so kleinen Kabriolets, daß fast gar nichts daran ist, kaum ein Sitz. Es geht aber auf den ebnen Wegen noch viel schneller als die Französi- schen. Man nennt sie Fargons.
Den
andre Gelehrte mir von Vosmaer geſagt haben. In Schubladen mag noch manches verſchloſſen ſeyn, aber die Kaſtellane ſind gewinnſuͤchtige grobe Kerle. Es iſt ver- boten, etwas im Kabinet aufzuſchreiben, noch einen mehr als einmahl hinein zu laſſen. Die angeſehenſten Leute in der Stadt haben verſucht, Erlaubnis zu bekommen, darin zu arbeiten, aber vergebens. Vosmaer ſteht mit keinem einzigen hieſigen Gelehrten in dieſem Fache in gutem Vernehmen. Morgen und uͤbermorgen wird noch dazu im Kabinet aufgeputzt ꝛc. Iſts nicht ewig Schade, daß in einem Lande, wo die Schifffahrt nach allen Weltgegenden, und Geld im Ueberfluß alle Schaͤ- tze der Natur aufhaͤufen und alle Fremden herziehen koͤnn- te, kein vollſtaͤndiges wohleingerichtetes Muſeum errichtet wird?
Bemerkungen.
Den hollaͤndiſchen gemeinen Weibern wuͤnſcht’ ich nicht in die Haͤnde zu fallen. Ein Franzoſe ſchimpfte eine in einer Straſſe, und ſchlug ſie mit dem Stocke nur ein wenig an die Fuͤſſe. Aber das Schlagen auf der Straſſe kan der geringſte Menſch in Holland nicht ver- tragen. Es wird auch faſt mit dem Leben geſtraft. Die Weiber zogen alle ihre groſſen hoͤlzernen Schuhe aus, kamen zu funfzigen zuſammen, pruͤgelten den Franzoſen derb ab, und wolten ihn in den Kanal werfen, bis ihn endlich noch ein Paar Bediente ihren Haͤnden entriſſen.
Man faͤhrt hier in ſo kleinen Kabriolets, daß faſt gar nichts daran iſt, kaum ein Sitz. Es geht aber auf den ebnen Wegen noch viel ſchneller als die Franzoͤſi- ſchen. Man nennt ſie Fargons.
Den
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andre Gelehrte mir von Vosmaer geſagt haben. In
Schubladen mag noch manches verſchloſſen ſeyn, aber die
Kaſtellane ſind gewinnſuͤchtige grobe Kerle. Es iſt ver-
boten, etwas im Kabinet aufzuſchreiben, noch einen mehr
als einmahl hinein zu laſſen. Die angeſehenſten Leute
in der Stadt haben verſucht, Erlaubnis zu bekommen,
darin zu arbeiten, aber vergebens. Vosmaer ſteht
mit keinem einzigen hieſigen Gelehrten in dieſem Fache
in gutem Vernehmen. Morgen und uͤbermorgen wird
noch dazu im Kabinet aufgeputzt ꝛc. Iſts nicht ewig
Schade, daß in einem Lande, wo die Schifffahrt nach
allen Weltgegenden, und Geld im Ueberfluß alle Schaͤ-
tze der Natur aufhaͤufen und alle Fremden herziehen koͤnn-
te, kein vollſtaͤndiges wohleingerichtetes Muſeum errichtet
wird?
Bemerkungen.
Den hollaͤndiſchen gemeinen Weibern wuͤnſcht’ ich
nicht in die Haͤnde zu fallen. Ein Franzoſe ſchimpfte
eine in einer Straſſe, und ſchlug ſie mit dem Stocke nur
ein wenig an die Fuͤſſe. Aber das Schlagen auf der
Straſſe kan der geringſte Menſch in Holland nicht ver-
tragen. Es wird auch faſt mit dem Leben geſtraft. Die
Weiber zogen alle ihre groſſen hoͤlzernen Schuhe aus,
kamen zu funfzigen zuſammen, pruͤgelten den Franzoſen
derb ab, und wolten ihn in den Kanal werfen, bis ihn
endlich noch ein Paar Bediente ihren Haͤnden entriſſen.
Man faͤhrt hier in ſo kleinen Kabriolets, daß faſt
gar nichts daran iſt, kaum ein Sitz. Es geht aber
auf den ebnen Wegen noch viel ſchneller als die Franzoͤſi-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/515>, abgerufen am 23.11.2024.
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