Von Valenciennes aus geht a la Cour de Fran- ce alle 2. Tage eine Diligence nach Brüssel. Sie hat 2. Cochers, die einander ablösen und zugleich Postil- lions dabei sind. Sie fahren mit 6. Pferden aus ihrem Cabriolet, nehmen aber auch, wie die deutschen Konduk- teurs, Weibspersonen, Kinder, Handwerksbursche etc. ein. Man rechnet den Weg auf 20. Stunden; freilich sind die Strassen nicht durchgängig so gut, als in Frank- reich.
Es ist äusserst unangenehm auf den Grenzen zu rei- sen. Erst forderte man unterm Thor die Karte von Mr. Ferraud, dann visitirte man auf dem letzten französischen Bureau in
Quevrain noch einmahl unsre Kuffer und Man- telsäcke. Nur ein paar Schritte weiter hinunter in dem Orte, so waren wir in Kaiserlichen Landen, und nun nahm man gleich wieder die Sachen aufs Bureau, und visitirte sie. Hier griff mir der Kerl gar in die Rockta- sche und fühlte auch an die andern in der Weste und in den Hosen. Weil es regnete, wollte man sich nicht mit den Kuffern abgeben, der Wagen ward also hinten auf beiden Seiten mit einem grossen Schlos verschlossen, das erst in
Mons (Bergen) geöfnet wurde. Diese Stadt liegt, wie sie auch deswegen heist, an einem Berge. Sie ist breit, gros, und ziemlich befestigt. Die Mau- ern sind hoch, die Gräben breit, und wie grosse Seen, beständig voll Wasser. Die Häuser sind meist von Stein, die Strassen alle gepflastert, aber bergicht. Diese
Krüm-
Reiſe nach Bruͤſſel.
Den 20ten Jul.
Von Valenciennes aus geht à la Cour de Fran- ce alle 2. Tage eine Diligence nach Bruͤſſel. Sie hat 2. Cochers, die einander abloͤſen und zugleich Poſtil- lions dabei ſind. Sie fahren mit 6. Pferden aus ihrem Cabriolet, nehmen aber auch, wie die deutſchen Konduk- teurs, Weibsperſonen, Kinder, Handwerksburſche ꝛc. ein. Man rechnet den Weg auf 20. Stunden; freilich ſind die Straſſen nicht durchgaͤngig ſo gut, als in Frank- reich.
Es iſt aͤuſſerſt unangenehm auf den Grenzen zu rei- ſen. Erſt forderte man unterm Thor die Karte von Mr. Ferraud, dann viſitirte man auf dem letzten franzoͤſiſchen Bureau in
Quevrain noch einmahl unſre Kuffer und Man- telſaͤcke. Nur ein paar Schritte weiter hinunter in dem Orte, ſo waren wir in Kaiſerlichen Landen, und nun nahm man gleich wieder die Sachen aufs Bureau, und viſitirte ſie. Hier griff mir der Kerl gar in die Rockta- ſche und fuͤhlte auch an die andern in der Weſte und in den Hoſen. Weil es regnete, wollte man ſich nicht mit den Kuffern abgeben, der Wagen ward alſo hinten auf beiden Seiten mit einem groſſen Schlos verſchloſſen, das erſt in
Mons (Bergen) geoͤfnet wurde. Dieſe Stadt liegt, wie ſie auch deswegen heiſt, an einem Berge. Sie iſt breit, gros, und ziemlich befeſtigt. Die Mau- ern ſind hoch, die Graͤben breit, und wie groſſe Seen, beſtaͤndig voll Waſſer. Die Haͤuſer ſind meiſt von Stein, die Straſſen alle gepflaſtert, aber bergicht. Dieſe
Kruͤm-
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Reiſe nach Bruͤſſel.
Den 20ten Jul.
Von Valenciennes aus geht à la Cour de Fran-
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2. Cochers, die einander abloͤſen und zugleich Poſtil-
lions dabei ſind. Sie fahren mit 6. Pferden aus ihrem
Cabriolet, nehmen aber auch, wie die deutſchen Konduk-
teurs, Weibsperſonen, Kinder, Handwerksburſche ꝛc.
ein. Man rechnet den Weg auf 20. Stunden; freilich
ſind die Straſſen nicht durchgaͤngig ſo gut, als in Frank-
reich.
Es iſt aͤuſſerſt unangenehm auf den Grenzen zu rei-
ſen. Erſt forderte man unterm Thor die Karte von Mr.
Ferraud, dann viſitirte man auf dem letzten franzoͤſiſchen
Bureau in
Quevrain noch einmahl unſre Kuffer und Man-
telſaͤcke. Nur ein paar Schritte weiter hinunter in
dem Orte, ſo waren wir in Kaiſerlichen Landen, und nun
nahm man gleich wieder die Sachen aufs Bureau, und
viſitirte ſie. Hier griff mir der Kerl gar in die Rockta-
ſche und fuͤhlte auch an die andern in der Weſte und in
den Hoſen. Weil es regnete, wollte man ſich nicht mit
den Kuffern abgeben, der Wagen ward alſo hinten auf
beiden Seiten mit einem groſſen Schlos verſchloſſen, das
erſt in
Mons (Bergen) geoͤfnet wurde. Dieſe Stadt
liegt, wie ſie auch deswegen heiſt, an einem Berge.
Sie iſt breit, gros, und ziemlich befeſtigt. Die Mau-
ern ſind hoch, die Graͤben breit, und wie groſſe Seen,
beſtaͤndig voll Waſſer. Die Haͤuſer ſind meiſt von
Stein, die Straſſen alle gepflaſtert, aber bergicht. Dieſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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