Hr. Prof. Spielmann. Er ward damahls erst wie- der besäet und eingerichtet. Eine kleine Apotheke ist auch dabei. Die Genera sind nach Ludwig und Linne. Der Lehrer liest zwar Botanik alle Sommer öffentlich, läßt aber alles weg, was in die Materia me- dica gehört, schimpft nicht selten sehr heftig auf Linne, weil er nach Tournefort gelernt hat, und jezt über Linne lesen muß.
Die Universität in Strasburg ist ein grosser Körper, der in allen seinen Gliedern lahm ist. Es fehlt ein Haupt, das in alle einzelne Theile Leben und Thä- tigkeit verbreitete. Die theologische und juristische Facultäten bedeuten fast gar nichts, die medicinische hat gegenwärtig noch zwei grosse Männer, Lobstein und Spielmann, aber die jungen Zöglinge versprechen nicht viel. Ein Kanzler oder Curator, ist nicht da, der Prä- tor, und die Ammeister, die aber Bankiers, und keine Gelehrte sind, dirigiren die Sachen. Sehr vieles wird nicht gelesen, z. B. Diätetik, Clinik etc. Im Sommer ist für die Mediciner, ausser der Botanik und Physiologie, nichts zu thun. Im Winter ist die Anatomie vortref- lich, aber mit schweren Nebenkosten verknüpft. Vieles wird sehr langsam gelesen. Die Lehrer fangen in der Mitte des Sommers an und hören auch in der Mitte des Halbjahrs auf. Die ältesten Professoren heis- sen Canonici, haben eigue Häuser, fette Besoldungen, werden träge, sind zum Theil Bonvivants, und haben keinen Ernst im Dociren. Sie lesen in der Theologie und in andern Wissenschaften, mehr über ihre eignen Aufsätze, die sie den Studenten zum Abschreiben geben, als über Compendien. Viele sind pedantisch für das, was man ehemahls Philologie nannte, eingenommen.
Viele
Hr. Prof. Spielmann. Er ward damahls erſt wie- der beſaͤet und eingerichtet. Eine kleine Apotheke iſt auch dabei. Die Genera ſind nach Ludwig und Linné. Der Lehrer lieſt zwar Botanik alle Sommer oͤffentlich, laͤßt aber alles weg, was in die Materia me- dica gehoͤrt, ſchimpft nicht ſelten ſehr heftig auf Linné, weil er nach Tournefort gelernt hat, und jezt uͤber Linné leſen muß.
Die Univerſitaͤt in Strasburg iſt ein groſſer Koͤrper, der in allen ſeinen Gliedern lahm iſt. Es fehlt ein Haupt, das in alle einzelne Theile Leben und Thaͤ- tigkeit verbreitete. Die theologiſche und juriſtiſche Facultaͤten bedeuten faſt gar nichts, die mediciniſche hat gegenwaͤrtig noch zwei groſſe Maͤnner, Lobſtein und Spielmann, aber die jungen Zoͤglinge verſprechen nicht viel. Ein Kanzler oder Curator, iſt nicht da, der Praͤ- tor, und die Ammeiſter, die aber Bankiers, und keine Gelehrte ſind, dirigiren die Sachen. Sehr vieles wird nicht geleſen, z. B. Diaͤtetik, Clinik ꝛc. Im Sommer iſt fuͤr die Mediciner, auſſer der Botanik und Phyſiologie, nichts zu thun. Im Winter iſt die Anatomie vortref- lich, aber mit ſchweren Nebenkoſten verknuͤpft. Vieles wird ſehr langſam geleſen. Die Lehrer fangen in der Mitte des Sommers an und hoͤren auch in der Mitte des Halbjahrs auf. Die aͤlteſten Profeſſoren heiſ- ſen Canonici, haben eigue Haͤuſer, fette Beſoldungen, werden traͤge, ſind zum Theil Bonvivants, und haben keinen Ernſt im Dociren. Sie leſen in der Theologie und in andern Wiſſenſchaften, mehr uͤber ihre eignen Aufſaͤtze, die ſie den Studenten zum Abſchreiben geben, als uͤber Compendien. Viele ſind pedantiſch fuͤr das, was man ehemahls Philologie nannte, eingenommen.
Viele
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Hr. Prof. Spielmann. Er ward damahls erſt wie-
der beſaͤet und eingerichtet. Eine kleine Apotheke iſt
auch dabei. Die Genera ſind nach Ludwig und
Linné. Der Lehrer lieſt zwar Botanik alle Sommer
oͤffentlich, laͤßt aber alles weg, was in die Materia me-
dica gehoͤrt, ſchimpft nicht ſelten ſehr heftig auf Linné,
weil er nach Tournefort gelernt hat, und jezt uͤber
Linné leſen muß.
Die Univerſitaͤt in Strasburg iſt ein groſſer
Koͤrper, der in allen ſeinen Gliedern lahm iſt. Es fehlt
ein Haupt, das in alle einzelne Theile Leben und Thaͤ-
tigkeit verbreitete. Die theologiſche und juriſtiſche
Facultaͤten bedeuten faſt gar nichts, die mediciniſche hat
gegenwaͤrtig noch zwei groſſe Maͤnner, Lobſtein und
Spielmann, aber die jungen Zoͤglinge verſprechen nicht
viel. Ein Kanzler oder Curator, iſt nicht da, der Praͤ-
tor, und die Ammeiſter, die aber Bankiers, und keine
Gelehrte ſind, dirigiren die Sachen. Sehr vieles wird
nicht geleſen, z. B. Diaͤtetik, Clinik ꝛc. Im Sommer
iſt fuͤr die Mediciner, auſſer der Botanik und Phyſiologie,
nichts zu thun. Im Winter iſt die Anatomie vortref-
lich, aber mit ſchweren Nebenkoſten verknuͤpft. Vieles
wird ſehr langſam geleſen. Die Lehrer fangen in der
Mitte des Sommers an und hoͤren auch in der Mitte
des Halbjahrs auf. Die aͤlteſten Profeſſoren heiſ-
ſen Canonici, haben eigue Haͤuſer, fette Beſoldungen,
werden traͤge, ſind zum Theil Bonvivants, und haben
keinen Ernſt im Dociren. Sie leſen in der Theologie
und in andern Wiſſenſchaften, mehr uͤber ihre eignen
Aufſaͤtze, die ſie den Studenten zum Abſchreiben geben,
als uͤber Compendien. Viele ſind pedantiſch fuͤr das,
was man ehemahls Philologie nannte, eingenommen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/32>, abgerufen am 22.11.2024.
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