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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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nez donc, tu t'amuseras &c. In der Rue mau-
vais Garcons, Rue Macon, Rue Galande, Rue
St. Honore
sonderlich, da stehen sie Dutzendweis ge-
putzt unter den Thüren, sitzen auf den Steinen, sehen in
die Scheidewege hinein, ohne Scham und Zurückhal-
tung. Demain, sagte ich einsmahls, im Augenblick
war die Antwort: A quelle heure? apres midi?
Sagt man: Oui, ou est-ce que vous demeurez,
so kehren sie gleich um, il n'y a que deux pas. Ici,
mon ami &c.
Trauriges Zeugnis vom sittlichen
Zustande der Nation! und welch eine gefährliche Lock-
speise für den, der sonst Gelegenheiten von der Art macht,
weil er sie nicht so leicht findet! Aber wahr ists, Paris
und unser Jahrhundert hat das nicht aufgebracht, es ist
kein Beweis vom steigenden Verfall. -- In Jerusa-
lem
zu Salomo's Zeiten wars eben so, es paßt nichts
genauer, als seine Beschreibungen in der Mischle, von
den öffentlichen Weibspersonen. Wer sie nur einmahl
gelesen hat und sieht das, der muß sich daran erinnern.
Semper eadem fabula luditur.

Den 6ten Jun.

Le Cabinet d'Estampes du Roi. In eben dem
Hause, wo die Königl. Bibliothek steht, ist unten, aber
auf der Seite, auch diese herrliche Sammlung. Die
Kupferstiche sind alle auf Folioblätter aufgeklebt, oder
liegen doch in Cartons in Folio zwischen weissem Papier.
Man sieht also wiederum eine kleine Bibliothek, alles ist
in rothen Saffian mit goldenen Lilien eingebunden. Mr.
Joly,
der Garde du Cab. d'Estampes du Roi, ist
ein höflicher, liebenswürdiger Mann. Das Zimmer ist
beständig, noch vielmehr als die Königl. Bibliothek, mit

Fremden,

nez donc, tu t’amuſeras &c. In der Rue mau-
vais Garçons, Rue Macon, Rue Galande, Rue
St. Honoré
ſonderlich, da ſtehen ſie Dutzendweis ge-
putzt unter den Thuͤren, ſitzen auf den Steinen, ſehen in
die Scheidewege hinein, ohne Scham und Zuruͤckhal-
tung. Demain, ſagte ich einsmahls, im Augenblick
war die Antwort: A quelle heure? après midi?
Sagt man: Oui, où eſt-ce que vous demeurez,
ſo kehren ſie gleich um, il n’y a que deux pas. Ici,
mon ami &c.
Trauriges Zeugnis vom ſittlichen
Zuſtande der Nation! und welch eine gefaͤhrliche Lock-
ſpeiſe fuͤr den, der ſonſt Gelegenheiten von der Art macht,
weil er ſie nicht ſo leicht findet! Aber wahr iſts, Paris
und unſer Jahrhundert hat das nicht aufgebracht, es iſt
kein Beweis vom ſteigenden Verfall. — In Jeruſa-
lem
zu Salomo’s Zeiten wars eben ſo, es paßt nichts
genauer, als ſeine Beſchreibungen in der Miſchle, von
den oͤffentlichen Weibsperſonen. Wer ſie nur einmahl
geleſen hat und ſieht das, der muß ſich daran erinnern.
Semper eadem fabula luditur.

Den 6ten Jun.

Le Cabinet d’Eſtampes du Roi. In eben dem
Hauſe, wo die Koͤnigl. Bibliothek ſteht, iſt unten, aber
auf der Seite, auch dieſe herrliche Sammlung. Die
Kupferſtiche ſind alle auf Folioblaͤtter aufgeklebt, oder
liegen doch in Cartons in Folio zwiſchen weiſſem Papier.
Man ſieht alſo wiederum eine kleine Bibliothek, alles iſt
in rothen Saffian mit goldenen Lilien eingebunden. Mr.
Joly,
der Garde du Cab. d’Eſtampes du Roi, iſt
ein hoͤflicher, liebenswuͤrdiger Mann. Das Zimmer iſt
beſtaͤndig, noch vielmehr als die Koͤnigl. Bibliothek, mit

Fremden,
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[158/0182] nez donc, tu t’amuſeras &c. In der Rue mau- vais Garçons, Rue Macon, Rue Galande, Rue St. Honoré ſonderlich, da ſtehen ſie Dutzendweis ge- putzt unter den Thuͤren, ſitzen auf den Steinen, ſehen in die Scheidewege hinein, ohne Scham und Zuruͤckhal- tung. Demain, ſagte ich einsmahls, im Augenblick war die Antwort: A quelle heure? après midi? Sagt man: Oui, où eſt-ce que vous demeurez, ſo kehren ſie gleich um, il n’y a que deux pas. Ici, mon ami &c. Trauriges Zeugnis vom ſittlichen Zuſtande der Nation! und welch eine gefaͤhrliche Lock- ſpeiſe fuͤr den, der ſonſt Gelegenheiten von der Art macht, weil er ſie nicht ſo leicht findet! Aber wahr iſts, Paris und unſer Jahrhundert hat das nicht aufgebracht, es iſt kein Beweis vom ſteigenden Verfall. — In Jeruſa- lem zu Salomo’s Zeiten wars eben ſo, es paßt nichts genauer, als ſeine Beſchreibungen in der Miſchle, von den oͤffentlichen Weibsperſonen. Wer ſie nur einmahl geleſen hat und ſieht das, der muß ſich daran erinnern. Semper eadem fabula luditur. Den 6ten Jun. Le Cabinet d’Eſtampes du Roi. In eben dem Hauſe, wo die Koͤnigl. Bibliothek ſteht, iſt unten, aber auf der Seite, auch dieſe herrliche Sammlung. Die Kupferſtiche ſind alle auf Folioblaͤtter aufgeklebt, oder liegen doch in Cartons in Folio zwiſchen weiſſem Papier. Man ſieht alſo wiederum eine kleine Bibliothek, alles iſt in rothen Saffian mit goldenen Lilien eingebunden. Mr. Joly, der Garde du Cab. d’Eſtampes du Roi, iſt ein hoͤflicher, liebenswuͤrdiger Mann. Das Zimmer iſt beſtaͤndig, noch vielmehr als die Koͤnigl. Bibliothek, mit Fremden,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/182>, abgerufen am 23.11.2024.