Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die chemische Industrie der Säuren und Alkalien.
die Seife körnige Beschaffenheit und sondert sich von der klaren Flüssig-
keit ab, welche nach kurzer Ruhe durch den unteren Hahn des Kessels
abgelassen wird. Hierauf schöpft man die oben befindliche Seifenmasse
in Formen von der in Fig. 454 abgebildeten Art. Diese bestehen aus
[Abbildung] Fig. 454.

Seifenform.

prismatischen auseinander-
nehmbaren Kästen, welche
durch Schrauben zusammen-
gehalten werden, und in
welchen man die Seife völlig
erstarren läßt. Nachdem dies
geschehen ist, öffnet man die
Form und zerschneidet den
ganzen, oft ein Kubikmeter
und mehr haltenden starren
Seifenblock mittels gespannter
dünner Eisendrähte in Stücke
von der gewünschten Größe.

Bei den Leimseifen oder, wie man sie wegen ihres Gehaltes an
Wasser, Lauge, Glycerin und besonderen Zusätzen nennt, den "gefüllten"
Seifen, fällt das Aussalzen entweder ganz fort oder die fertige Seife
wird vor dem Erstarren mit Lauge verdünnt. Man siedet sie gewöhn-
lich mit Kokosöl und starken Laugen, worauf die Verseifung äußerst
rasch eintritt; ja man kann diese Seifen, zu welchen z. B. die Toilette-
seifen gehören, sogar auf kaltem Wege erhalten, indem man das ge-
schmolzene Fett direkt in die Form gießt, unter gutem Umrühren die
Lauge hinzufügt und, wenn die Masse dicklich wird, Farbstoffe und
Parfüms zusetzt. Besonders stark verbreitet sind unter den gefüllten
Seifen die aus Gemischen der Palmöle mit anderen Fetten gewonnenen,
weil sie trotz hohen Wassergehalts recht fest und trocken sind. Sie
werden beim Sieden mit allen möglichen Dingen, besonders mit Stärke,
Kreide, Thon und Wasserglas versetzt oder "gefüllt". Eine der be-
kanntesten dieser "künstlichen Kernseifen" ist die nach ihrem ersten Her-
stellungsorte benannte Eschweger Seife, welche beim Sieden ausgesalzen
und, um ihr den hohen Wassergehalt mitzuteilen, mit verdünnter Lauge
und Salzwasser "gefüllt" wird.

Alle gefüllten oder, wie man die etwas weniger wasserreichen
unter ihnen nennt, geschliffenen Seifen erstarren in der Form nicht,
wie die Kernseife, zu einer gleichmäßigen, weißlich gelben Masse, sondern
es scheidet sich bei ihnen die Seife der festen Fette (Palmitin- und
Stearinsäure) von der der flüssigen (Oleinsäure). Die erstere sondert
sich in zarten Krystallen aus, während die Oleinseife die vorhandenen
färbenden Verunreinigungen einschließt. Auf diese Weise, welche der
Fabrikant Kern- und Flußbildung nennt, entsteht eine eigentümliche
Marmorierung der Seife, welche durch Zusatz färbender Stoffe, wie
Eisenvitriol, Bolus und anderer, bedeutend verstärkt werden kann. Dies

Die chemiſche Induſtrie der Säuren und Alkalien.
die Seife körnige Beſchaffenheit und ſondert ſich von der klaren Flüſſig-
keit ab, welche nach kurzer Ruhe durch den unteren Hahn des Keſſels
abgelaſſen wird. Hierauf ſchöpft man die oben befindliche Seifenmaſſe
in Formen von der in Fig. 454 abgebildeten Art. Dieſe beſtehen aus
[Abbildung] Fig. 454.

Seifenform.

prismatiſchen auseinander-
nehmbaren Käſten, welche
durch Schrauben zuſammen-
gehalten werden, und in
welchen man die Seife völlig
erſtarren läßt. Nachdem dies
geſchehen iſt, öffnet man die
Form und zerſchneidet den
ganzen, oft ein Kubikmeter
und mehr haltenden ſtarren
Seifenblock mittels geſpannter
dünner Eiſendrähte in Stücke
von der gewünſchten Größe.

Bei den Leimſeifen oder, wie man ſie wegen ihres Gehaltes an
Waſſer, Lauge, Glycerin und beſonderen Zuſätzen nennt, den „gefüllten“
Seifen, fällt das Ausſalzen entweder ganz fort oder die fertige Seife
wird vor dem Erſtarren mit Lauge verdünnt. Man ſiedet ſie gewöhn-
lich mit Kokosöl und ſtarken Laugen, worauf die Verſeifung äußerſt
raſch eintritt; ja man kann dieſe Seifen, zu welchen z. B. die Toilette-
ſeifen gehören, ſogar auf kaltem Wege erhalten, indem man das ge-
ſchmolzene Fett direkt in die Form gießt, unter gutem Umrühren die
Lauge hinzufügt und, wenn die Maſſe dicklich wird, Farbſtoffe und
Parfüms zuſetzt. Beſonders ſtark verbreitet ſind unter den gefüllten
Seifen die aus Gemiſchen der Palmöle mit anderen Fetten gewonnenen,
weil ſie trotz hohen Waſſergehalts recht feſt und trocken ſind. Sie
werden beim Sieden mit allen möglichen Dingen, beſonders mit Stärke,
Kreide, Thon und Waſſerglas verſetzt oder „gefüllt“. Eine der be-
kannteſten dieſer „künſtlichen Kernſeifen“ iſt die nach ihrem erſten Her-
ſtellungsorte benannte Eſchweger Seife, welche beim Sieden ausgeſalzen
und, um ihr den hohen Waſſergehalt mitzuteilen, mit verdünnter Lauge
und Salzwaſſer „gefüllt“ wird.

Alle gefüllten oder, wie man die etwas weniger waſſerreichen
unter ihnen nennt, geſchliffenen Seifen erſtarren in der Form nicht,
wie die Kernſeife, zu einer gleichmäßigen, weißlich gelben Maſſe, ſondern
es ſcheidet ſich bei ihnen die Seife der feſten Fette (Palmitin- und
Stearinſäure) von der der flüſſigen (Oleinſäure). Die erſtere ſondert
ſich in zarten Kryſtallen aus, während die Oleinſeife die vorhandenen
färbenden Verunreinigungen einſchließt. Auf dieſe Weiſe, welche der
Fabrikant Kern- und Flußbildung nennt, entſteht eine eigentümliche
Marmorierung der Seife, welche durch Zuſatz färbender Stoffe, wie
Eiſenvitriol, Bolus und anderer, bedeutend verſtärkt werden kann. Dies

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0862" n="844"/><fw place="top" type="header">Die chemi&#x017F;che Indu&#x017F;trie der Säuren und Alkalien.</fw><lb/>
die Seife körnige Be&#x017F;chaffenheit und &#x017F;ondert &#x017F;ich von der klaren Flü&#x017F;&#x017F;ig-<lb/>
keit ab, welche nach kurzer Ruhe durch den unteren Hahn des Ke&#x017F;&#x017F;els<lb/>
abgela&#x017F;&#x017F;en wird. Hierauf &#x017F;chöpft man die oben befindliche Seifenma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
in Formen von der in Fig. 454 abgebildeten Art. Die&#x017F;e be&#x017F;tehen aus<lb/><figure><head>Fig. 454. </head><p>Seifenform.</p></figure><lb/>
prismati&#x017F;chen auseinander-<lb/>
nehmbaren Kä&#x017F;ten, welche<lb/>
durch Schrauben zu&#x017F;ammen-<lb/>
gehalten werden, und in<lb/>
welchen man die Seife völlig<lb/>
er&#x017F;tarren läßt. Nachdem dies<lb/>
ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, öffnet man die<lb/>
Form und zer&#x017F;chneidet den<lb/>
ganzen, oft ein Kubikmeter<lb/>
und mehr haltenden &#x017F;tarren<lb/>
Seifenblock mittels ge&#x017F;pannter<lb/>
dünner Ei&#x017F;endrähte in Stücke<lb/>
von der gewün&#x017F;chten Größe.</p><lb/>
            <p>Bei den Leim&#x017F;eifen oder, wie man &#x017F;ie wegen ihres Gehaltes an<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, Lauge, Glycerin und be&#x017F;onderen Zu&#x017F;ätzen nennt, den &#x201E;gefüllten&#x201C;<lb/>
Seifen, fällt das Aus&#x017F;alzen entweder ganz fort oder die fertige Seife<lb/>
wird vor dem Er&#x017F;tarren mit Lauge verdünnt. Man &#x017F;iedet &#x017F;ie gewöhn-<lb/>
lich mit Kokosöl und &#x017F;tarken Laugen, worauf die Ver&#x017F;eifung äußer&#x017F;t<lb/>
ra&#x017F;ch eintritt; ja man kann die&#x017F;e Seifen, zu welchen z. B. die Toilette-<lb/>
&#x017F;eifen gehören, &#x017F;ogar auf kaltem Wege erhalten, indem man das ge-<lb/>
&#x017F;chmolzene Fett direkt in die Form gießt, unter gutem Umrühren die<lb/>
Lauge hinzufügt und, wenn die Ma&#x017F;&#x017F;e dicklich wird, Farb&#x017F;toffe und<lb/>
Parfüms zu&#x017F;etzt. Be&#x017F;onders &#x017F;tark verbreitet &#x017F;ind unter den gefüllten<lb/>
Seifen die aus Gemi&#x017F;chen der Palmöle mit anderen Fetten gewonnenen,<lb/>
weil &#x017F;ie trotz hohen Wa&#x017F;&#x017F;ergehalts recht fe&#x017F;t und trocken &#x017F;ind. Sie<lb/>
werden beim Sieden mit allen möglichen Dingen, be&#x017F;onders mit Stärke,<lb/>
Kreide, Thon und Wa&#x017F;&#x017F;erglas ver&#x017F;etzt oder &#x201E;gefüllt&#x201C;. Eine der be-<lb/>
kannte&#x017F;ten die&#x017F;er &#x201E;kün&#x017F;tlichen Kern&#x017F;eifen&#x201C; i&#x017F;t die nach ihrem er&#x017F;ten Her-<lb/>
&#x017F;tellungsorte benannte E&#x017F;chweger Seife, welche beim Sieden ausge&#x017F;alzen<lb/>
und, um ihr den hohen Wa&#x017F;&#x017F;ergehalt mitzuteilen, mit verdünnter Lauge<lb/>
und Salzwa&#x017F;&#x017F;er &#x201E;gefüllt&#x201C; wird.</p><lb/>
            <p>Alle gefüllten oder, wie man die etwas weniger wa&#x017F;&#x017F;erreichen<lb/>
unter ihnen nennt, ge&#x017F;chliffenen Seifen er&#x017F;tarren in der Form nicht,<lb/>
wie die Kern&#x017F;eife, zu einer gleichmäßigen, weißlich gelben Ma&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ondern<lb/>
es &#x017F;cheidet &#x017F;ich bei ihnen die Seife der fe&#x017F;ten Fette (Palmitin- und<lb/>
Stearin&#x017F;äure) von der der flü&#x017F;&#x017F;igen (Olein&#x017F;äure). Die er&#x017F;tere &#x017F;ondert<lb/>
&#x017F;ich in zarten Kry&#x017F;tallen aus, während die Olein&#x017F;eife die vorhandenen<lb/>
färbenden Verunreinigungen ein&#x017F;chließt. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e, welche der<lb/>
Fabrikant Kern- und Flußbildung nennt, ent&#x017F;teht eine eigentümliche<lb/>
Marmorierung der Seife, welche durch Zu&#x017F;atz färbender Stoffe, wie<lb/>
Ei&#x017F;envitriol, Bolus und anderer, bedeutend ver&#x017F;tärkt werden kann. Dies<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[844/0862] Die chemiſche Induſtrie der Säuren und Alkalien. die Seife körnige Beſchaffenheit und ſondert ſich von der klaren Flüſſig- keit ab, welche nach kurzer Ruhe durch den unteren Hahn des Keſſels abgelaſſen wird. Hierauf ſchöpft man die oben befindliche Seifenmaſſe in Formen von der in Fig. 454 abgebildeten Art. Dieſe beſtehen aus [Abbildung Fig. 454. Seifenform.] prismatiſchen auseinander- nehmbaren Käſten, welche durch Schrauben zuſammen- gehalten werden, und in welchen man die Seife völlig erſtarren läßt. Nachdem dies geſchehen iſt, öffnet man die Form und zerſchneidet den ganzen, oft ein Kubikmeter und mehr haltenden ſtarren Seifenblock mittels geſpannter dünner Eiſendrähte in Stücke von der gewünſchten Größe. Bei den Leimſeifen oder, wie man ſie wegen ihres Gehaltes an Waſſer, Lauge, Glycerin und beſonderen Zuſätzen nennt, den „gefüllten“ Seifen, fällt das Ausſalzen entweder ganz fort oder die fertige Seife wird vor dem Erſtarren mit Lauge verdünnt. Man ſiedet ſie gewöhn- lich mit Kokosöl und ſtarken Laugen, worauf die Verſeifung äußerſt raſch eintritt; ja man kann dieſe Seifen, zu welchen z. B. die Toilette- ſeifen gehören, ſogar auf kaltem Wege erhalten, indem man das ge- ſchmolzene Fett direkt in die Form gießt, unter gutem Umrühren die Lauge hinzufügt und, wenn die Maſſe dicklich wird, Farbſtoffe und Parfüms zuſetzt. Beſonders ſtark verbreitet ſind unter den gefüllten Seifen die aus Gemiſchen der Palmöle mit anderen Fetten gewonnenen, weil ſie trotz hohen Waſſergehalts recht feſt und trocken ſind. Sie werden beim Sieden mit allen möglichen Dingen, beſonders mit Stärke, Kreide, Thon und Waſſerglas verſetzt oder „gefüllt“. Eine der be- kannteſten dieſer „künſtlichen Kernſeifen“ iſt die nach ihrem erſten Her- ſtellungsorte benannte Eſchweger Seife, welche beim Sieden ausgeſalzen und, um ihr den hohen Waſſergehalt mitzuteilen, mit verdünnter Lauge und Salzwaſſer „gefüllt“ wird. Alle gefüllten oder, wie man die etwas weniger waſſerreichen unter ihnen nennt, geſchliffenen Seifen erſtarren in der Form nicht, wie die Kernſeife, zu einer gleichmäßigen, weißlich gelben Maſſe, ſondern es ſcheidet ſich bei ihnen die Seife der feſten Fette (Palmitin- und Stearinſäure) von der der flüſſigen (Oleinſäure). Die erſtere ſondert ſich in zarten Kryſtallen aus, während die Oleinſeife die vorhandenen färbenden Verunreinigungen einſchließt. Auf dieſe Weiſe, welche der Fabrikant Kern- und Flußbildung nennt, entſteht eine eigentümliche Marmorierung der Seife, welche durch Zuſatz färbender Stoffe, wie Eiſenvitriol, Bolus und anderer, bedeutend verſtärkt werden kann. Dies

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/862
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/862>, abgerufen am 25.11.2024.