Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Verkehr zu Wasser.
Änderung der Position des Schiffes in geographischer Länge und Breite
vorstellen, während die Hypotenuse die Länge der innerhalb des be-
trachteten Zeitraumes zurückgelegten Entfernung repräsentiert und ihrem
Werte nach durch das Loggen bekannt ist. Ist innerhalb kürzerer Zeit-
räume der Kurs mehrmals gewechselt worden, so wird nicht für jeden
einzelnen die Rechnung getrennt durchgeführt, sondern man "koppelt"
die Kursrichtungen zu einem sog. "Generalkurs" und arbeitet mit
diesem; natürlich bedarf in solchem Fall auch der zurückgelegte Weg
einer Reduktion, ehe er in die Karte eingetragen werden kann. Es
verbietet sich hier von selbst, eingehender die besonderen Kunstgriffe und
Eigenheiten bei Ausführung der Besteck-Rechnung zu besprechen; die
gegebenen allgemeinen Darlegungen mögen genügen, um den Gang
des Verfahrens zu charakterisieren.

Die geschilderte einfache Art der Ortsbestimmung würde aber
namentlich bei längeren Seereisen und bei häufigen Kursänderungen
schließlich zu recht wenig zuverlässigen Resultaten führen, wenn man
nicht in der Lage wäre, ihre Ergebnisse fortlaufend durch astronomische
Beobachtungen einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Die astrono-
mischen Ortsbestimmungen bestehen in der Bestimmung der geographischen
Breite des Schiffsortes und der Ermittelung des Standes des Schiffs-
chronometers gegen die Ortszeit. Der Sextant als Winkelmeßinstrument
und der Zeitmesser oder das Chronometer sind überhaupt neben Log
und Kompaß die wichtigsten nautischen Hilfsmittel auf offenem Meere,
ohne deren verständige Handhabung die schnelle und gesicherte Be-
endigung einer Seereise vornehmlich bei längerer Dauer ganz und gar
dem Zufall überlassen sein würde.

Verhältnismäßig am einfachsten gestaltet sich an Bord die Be-
stimmung der geographischen Breite, wenngleich die Erreichung einer
Genauigkeit, wie sie auf dem festen Lande verlangt werden muß, wegen
der andauernden Schwankungen des Schiffes vollständig ausgeschlossen ist.
Die Breite ergiebt sich aus der Beobachtung der Höhe eines bekannten,
hinreichend hellen Gestirns, besonders der Sonne, in der Nähe des
Ortsmeridians, d. h. möglichst genau zur Zeit des höchsten Standes
mit Hülfe des Sextanten und durch Vergleichung der beobachteten
Gestirnshöhe mit den in astronomischen Tafeln enthaltenen Angaben.
Die Methode setzt eine wenigstens annähernde Kenntnis der Ortszeit der
Beobachtung voraus; aber ein kleiner Fehler ist nahezu bedeutungs-
los, umsomehr, da fortlaufend bei günstigem Wetter auch der Stand
des Chronometers durch direkte Beobachtungen kontrolliert wird.

Der Spiegel-Sextant, der bei diesen Winkelmessungen fast aus-
schließlich an Bord zur Anwendung kommt, ist im wesentlichen eine Er-
findung von Isaac Newton. Derselbe sandte eine Beschreibung und
Zeichnung des von ihm erdachten Instrumentes an Halley zur Be-
gutachtung und Äußerung über den Wert desselben; doch scheint dieser
die Wichtigkeit der Erfindung nicht erkannt und der Angelegenheit weiter

Der Verkehr zu Waſſer.
Änderung der Poſition des Schiffes in geographiſcher Länge und Breite
vorſtellen, während die Hypotenuſe die Länge der innerhalb des be-
trachteten Zeitraumes zurückgelegten Entfernung repräſentiert und ihrem
Werte nach durch das Loggen bekannt iſt. Iſt innerhalb kürzerer Zeit-
räume der Kurs mehrmals gewechſelt worden, ſo wird nicht für jeden
einzelnen die Rechnung getrennt durchgeführt, ſondern man „koppelt“
die Kursrichtungen zu einem ſog. „Generalkurs“ und arbeitet mit
dieſem; natürlich bedarf in ſolchem Fall auch der zurückgelegte Weg
einer Reduktion, ehe er in die Karte eingetragen werden kann. Es
verbietet ſich hier von ſelbſt, eingehender die beſonderen Kunſtgriffe und
Eigenheiten bei Ausführung der Beſteck-Rechnung zu beſprechen; die
gegebenen allgemeinen Darlegungen mögen genügen, um den Gang
des Verfahrens zu charakteriſieren.

Die geſchilderte einfache Art der Ortsbeſtimmung würde aber
namentlich bei längeren Seereiſen und bei häufigen Kursänderungen
ſchließlich zu recht wenig zuverläſſigen Reſultaten führen, wenn man
nicht in der Lage wäre, ihre Ergebniſſe fortlaufend durch aſtronomiſche
Beobachtungen einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Die aſtrono-
miſchen Ortsbeſtimmungen beſtehen in der Beſtimmung der geographiſchen
Breite des Schiffsortes und der Ermittelung des Standes des Schiffs-
chronometers gegen die Ortszeit. Der Sextant als Winkelmeßinſtrument
und der Zeitmeſſer oder das Chronometer ſind überhaupt neben Log
und Kompaß die wichtigſten nautiſchen Hilfsmittel auf offenem Meere,
ohne deren verſtändige Handhabung die ſchnelle und geſicherte Be-
endigung einer Seereiſe vornehmlich bei längerer Dauer ganz und gar
dem Zufall überlaſſen ſein würde.

Verhältnismäßig am einfachſten geſtaltet ſich an Bord die Be-
ſtimmung der geographiſchen Breite, wenngleich die Erreichung einer
Genauigkeit, wie ſie auf dem feſten Lande verlangt werden muß, wegen
der andauernden Schwankungen des Schiffes vollſtändig ausgeſchloſſen iſt.
Die Breite ergiebt ſich aus der Beobachtung der Höhe eines bekannten,
hinreichend hellen Geſtirns, beſonders der Sonne, in der Nähe des
Ortsmeridians, d. h. möglichſt genau zur Zeit des höchſten Standes
mit Hülfe des Sextanten und durch Vergleichung der beobachteten
Geſtirnshöhe mit den in aſtronomiſchen Tafeln enthaltenen Angaben.
Die Methode ſetzt eine wenigſtens annähernde Kenntnis der Ortszeit der
Beobachtung voraus; aber ein kleiner Fehler iſt nahezu bedeutungs-
los, umſomehr, da fortlaufend bei günſtigem Wetter auch der Stand
des Chronometers durch direkte Beobachtungen kontrolliert wird.

Der Spiegel-Sextant, der bei dieſen Winkelmeſſungen faſt aus-
ſchließlich an Bord zur Anwendung kommt, iſt im weſentlichen eine Er-
findung von Iſaac Newton. Derſelbe ſandte eine Beſchreibung und
Zeichnung des von ihm erdachten Inſtrumentes an Halley zur Be-
gutachtung und Äußerung über den Wert desſelben; doch ſcheint dieſer
die Wichtigkeit der Erfindung nicht erkannt und der Angelegenheit weiter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0822" n="804"/><fw place="top" type="header">Der Verkehr zu Wa&#x017F;&#x017F;er.</fw><lb/>
Änderung der Po&#x017F;ition des Schiffes in geographi&#x017F;cher Länge und Breite<lb/>
vor&#x017F;tellen, während die Hypotenu&#x017F;e die Länge der innerhalb des be-<lb/>
trachteten Zeitraumes zurückgelegten Entfernung reprä&#x017F;entiert und ihrem<lb/>
Werte nach durch das Loggen bekannt i&#x017F;t. I&#x017F;t innerhalb kürzerer Zeit-<lb/>
räume der Kurs mehrmals gewech&#x017F;elt worden, &#x017F;o wird nicht für jeden<lb/>
einzelnen die Rechnung getrennt durchgeführt, &#x017F;ondern man &#x201E;koppelt&#x201C;<lb/>
die Kursrichtungen zu einem &#x017F;og. &#x201E;Generalkurs&#x201C; und arbeitet mit<lb/>
die&#x017F;em; natürlich bedarf in &#x017F;olchem Fall auch der zurückgelegte Weg<lb/>
einer Reduktion, ehe er in die Karte eingetragen werden kann. Es<lb/>
verbietet &#x017F;ich hier von &#x017F;elb&#x017F;t, eingehender die be&#x017F;onderen Kun&#x017F;tgriffe und<lb/>
Eigenheiten bei Ausführung der Be&#x017F;teck-Rechnung zu be&#x017F;prechen; die<lb/>
gegebenen allgemeinen Darlegungen mögen genügen, um den Gang<lb/>
des Verfahrens zu charakteri&#x017F;ieren.</p><lb/>
              <p>Die ge&#x017F;childerte einfache Art der Ortsbe&#x017F;timmung würde aber<lb/>
namentlich bei längeren Seerei&#x017F;en und bei häufigen Kursänderungen<lb/>
&#x017F;chließlich zu recht wenig zuverlä&#x017F;&#x017F;igen Re&#x017F;ultaten führen, wenn man<lb/>
nicht in der Lage wäre, ihre Ergebni&#x017F;&#x017F;e fortlaufend durch a&#x017F;tronomi&#x017F;che<lb/>
Beobachtungen einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Die a&#x017F;trono-<lb/>
mi&#x017F;chen Ortsbe&#x017F;timmungen be&#x017F;tehen in der Be&#x017F;timmung der geographi&#x017F;chen<lb/>
Breite des Schiffsortes und der Ermittelung des Standes des Schiffs-<lb/>
chronometers gegen die Ortszeit. Der Sextant als Winkelmeßin&#x017F;trument<lb/>
und der Zeitme&#x017F;&#x017F;er oder das Chronometer &#x017F;ind überhaupt neben Log<lb/>
und Kompaß die wichtig&#x017F;ten nauti&#x017F;chen Hilfsmittel auf offenem Meere,<lb/>
ohne deren ver&#x017F;tändige Handhabung die &#x017F;chnelle und ge&#x017F;icherte Be-<lb/>
endigung einer Seerei&#x017F;e vornehmlich bei längerer Dauer ganz und gar<lb/>
dem Zufall überla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein würde.</p><lb/>
              <p>Verhältnismäßig am einfach&#x017F;ten ge&#x017F;taltet &#x017F;ich an Bord die Be-<lb/>
&#x017F;timmung der geographi&#x017F;chen Breite, wenngleich die Erreichung einer<lb/>
Genauigkeit, wie &#x017F;ie auf dem fe&#x017F;ten Lande verlangt werden muß, wegen<lb/>
der andauernden Schwankungen des Schiffes voll&#x017F;tändig ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t.<lb/>
Die Breite ergiebt &#x017F;ich aus der Beobachtung der Höhe eines bekannten,<lb/>
hinreichend hellen Ge&#x017F;tirns, be&#x017F;onders der Sonne, in der Nähe des<lb/>
Ortsmeridians, d. h. möglich&#x017F;t genau zur Zeit des höch&#x017F;ten Standes<lb/>
mit Hülfe des Sextanten und durch Vergleichung der beobachteten<lb/>
Ge&#x017F;tirnshöhe mit den in a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Tafeln enthaltenen Angaben.<lb/>
Die Methode &#x017F;etzt eine wenig&#x017F;tens annähernde Kenntnis der Ortszeit der<lb/>
Beobachtung voraus; aber ein kleiner Fehler i&#x017F;t nahezu bedeutungs-<lb/>
los, um&#x017F;omehr, da fortlaufend bei gün&#x017F;tigem Wetter auch der Stand<lb/>
des Chronometers durch direkte Beobachtungen kontrolliert wird.</p><lb/>
              <p>Der Spiegel-Sextant, der bei die&#x017F;en Winkelme&#x017F;&#x017F;ungen fa&#x017F;t aus-<lb/>
&#x017F;chließlich an Bord zur Anwendung kommt, i&#x017F;t im we&#x017F;entlichen eine Er-<lb/>
findung von I&#x017F;aac Newton. Der&#x017F;elbe &#x017F;andte eine Be&#x017F;chreibung und<lb/>
Zeichnung des von ihm erdachten In&#x017F;trumentes an Halley zur Be-<lb/>
gutachtung und Äußerung über den Wert des&#x017F;elben; doch &#x017F;cheint die&#x017F;er<lb/>
die Wichtigkeit der Erfindung nicht erkannt und der Angelegenheit weiter<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[804/0822] Der Verkehr zu Waſſer. Änderung der Poſition des Schiffes in geographiſcher Länge und Breite vorſtellen, während die Hypotenuſe die Länge der innerhalb des be- trachteten Zeitraumes zurückgelegten Entfernung repräſentiert und ihrem Werte nach durch das Loggen bekannt iſt. Iſt innerhalb kürzerer Zeit- räume der Kurs mehrmals gewechſelt worden, ſo wird nicht für jeden einzelnen die Rechnung getrennt durchgeführt, ſondern man „koppelt“ die Kursrichtungen zu einem ſog. „Generalkurs“ und arbeitet mit dieſem; natürlich bedarf in ſolchem Fall auch der zurückgelegte Weg einer Reduktion, ehe er in die Karte eingetragen werden kann. Es verbietet ſich hier von ſelbſt, eingehender die beſonderen Kunſtgriffe und Eigenheiten bei Ausführung der Beſteck-Rechnung zu beſprechen; die gegebenen allgemeinen Darlegungen mögen genügen, um den Gang des Verfahrens zu charakteriſieren. Die geſchilderte einfache Art der Ortsbeſtimmung würde aber namentlich bei längeren Seereiſen und bei häufigen Kursänderungen ſchließlich zu recht wenig zuverläſſigen Reſultaten führen, wenn man nicht in der Lage wäre, ihre Ergebniſſe fortlaufend durch aſtronomiſche Beobachtungen einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Die aſtrono- miſchen Ortsbeſtimmungen beſtehen in der Beſtimmung der geographiſchen Breite des Schiffsortes und der Ermittelung des Standes des Schiffs- chronometers gegen die Ortszeit. Der Sextant als Winkelmeßinſtrument und der Zeitmeſſer oder das Chronometer ſind überhaupt neben Log und Kompaß die wichtigſten nautiſchen Hilfsmittel auf offenem Meere, ohne deren verſtändige Handhabung die ſchnelle und geſicherte Be- endigung einer Seereiſe vornehmlich bei längerer Dauer ganz und gar dem Zufall überlaſſen ſein würde. Verhältnismäßig am einfachſten geſtaltet ſich an Bord die Be- ſtimmung der geographiſchen Breite, wenngleich die Erreichung einer Genauigkeit, wie ſie auf dem feſten Lande verlangt werden muß, wegen der andauernden Schwankungen des Schiffes vollſtändig ausgeſchloſſen iſt. Die Breite ergiebt ſich aus der Beobachtung der Höhe eines bekannten, hinreichend hellen Geſtirns, beſonders der Sonne, in der Nähe des Ortsmeridians, d. h. möglichſt genau zur Zeit des höchſten Standes mit Hülfe des Sextanten und durch Vergleichung der beobachteten Geſtirnshöhe mit den in aſtronomiſchen Tafeln enthaltenen Angaben. Die Methode ſetzt eine wenigſtens annähernde Kenntnis der Ortszeit der Beobachtung voraus; aber ein kleiner Fehler iſt nahezu bedeutungs- los, umſomehr, da fortlaufend bei günſtigem Wetter auch der Stand des Chronometers durch direkte Beobachtungen kontrolliert wird. Der Spiegel-Sextant, der bei dieſen Winkelmeſſungen faſt aus- ſchließlich an Bord zur Anwendung kommt, iſt im weſentlichen eine Er- findung von Iſaac Newton. Derſelbe ſandte eine Beſchreibung und Zeichnung des von ihm erdachten Inſtrumentes an Halley zur Be- gutachtung und Äußerung über den Wert desſelben; doch ſcheint dieſer die Wichtigkeit der Erfindung nicht erkannt und der Angelegenheit weiter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/822
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/822>, abgerufen am 23.11.2024.