gebräuchliche Art und Weise der Ausnutzung des Dampfes in den Dampfmaschinen.
Zum Schlusse dieser allgemeinen Vorbemerkung über das Wesen des Dampfes müssen wir noch kurz auf den Zusammenhang zwischen Wärme und mechanischer Arbeit eingehen.
Die Lehre der modernen Physik hinsichtlich des Wesens der mechanischen Arbeit und der Wärme faßt letztere als eine Art der Be- wegung auf. Wärme und mechanische Arbeit treten abwechselnd bald als Ursache, bald als Wirkung auf. Man kann daher jede Wärmeerscheinung als ein Produkt mechanischer Arbeit und jede mechanische Arbeit als ein Produkt der Wärme auffassen.
Es ist nun durch Versuche festgestellt worden, daß bei einem Barometerstande von 760 mm eine Arbeit von etwa 424 Kilogrammetern erforderlich ist, um 1 Kalorie hervorzubringen, d. i. diejenige Wärme- menge, welche erforderlich ist, um 1 Kilogramm Wasser von 0° auf 1°C. zu erwärmen. Diesen Arbeitsbetrag von 424 Kilogrammetern nennt man das mechanische Wärmeäquivalent.
Vorstehende, von Joule und Mayer des weiteren ausgesponnene Beobachtung, auf welcher unsere gesamten modernen Anschauungen von dem Wesen der Wärme, die heutige mechanische Wärmetheorie, beruhen, sind wohl selten von einem Fachmanne so treffend zum Ausdruck ge- bracht, wie von George Stephenson, dem Vater der Lokomotive. Als man ihn frug, worin die letzte Ursache der Bewegung seiner Lokomotiven bestehe, antwortete er: "bottled sun beams," "auf Flaschen gezogene Sonnenstrahlen." In der That ist hier in wenigen Worten das Prinzip der Wechselbeziehung zwischen Wärme und Kraft in schlagendster Weise zum Ausdruck gebracht. Die uns zur Verfügung stehenden Brennstoffe sind sämtlich ein Produkt der Thätigkeit der Sonne und so konnte Stephenson mit Recht die Steinkohlen, die Kraftquellen seines Dampf- rosses, als Sonnenstrahlen bezeichnen, welche im Erdinnern aufge- speichert liegen, bis sie an des Tages Licht gebracht werden, um wieder in Arbeit umgesetzt zu werden.
d) Die letzte der uns zur Verfügung stehenden, hier zu behandelnden Kraftquellen ist die chemische Verwandtschaft einzelner Körper. Diese findet ihre Anwendung bei den während der letzten Jahrzehnte in vielen tausenden von Exemplaren in Betrieb befindlichen Gasmotoren und Petroleum- bezw. Benzinmotoren.
Bei diesen erfolgt die Bildung der motorischen Kraft in der Weise, daß Gas, sei es gewöhnliches Leuchtgas oder Petroleumgas, im Gemisch mit Luft zur Explosion gebracht wird.
Nachdem wir so im Vorstehenden einen kurzen Überblick über die verschiedenen Arten der Kraftquellen und der Motoren gegeben haben, bleibt uns, bevor wir zu einer Besprechung der einzelnen Konstruktionen
Die Motoren.
gebräuchliche Art und Weiſe der Ausnutzung des Dampfes in den Dampfmaſchinen.
Zum Schluſſe dieſer allgemeinen Vorbemerkung über das Weſen des Dampfes müſſen wir noch kurz auf den Zuſammenhang zwiſchen Wärme und mechaniſcher Arbeit eingehen.
Die Lehre der modernen Phyſik hinſichtlich des Weſens der mechaniſchen Arbeit und der Wärme faßt letztere als eine Art der Be- wegung auf. Wärme und mechaniſche Arbeit treten abwechſelnd bald als Urſache, bald als Wirkung auf. Man kann daher jede Wärmeerſcheinung als ein Produkt mechaniſcher Arbeit und jede mechaniſche Arbeit als ein Produkt der Wärme auffaſſen.
Es iſt nun durch Verſuche feſtgeſtellt worden, daß bei einem Barometerſtande von 760 mm eine Arbeit von etwa 424 Kilogrammetern erforderlich iſt, um 1 Kalorie hervorzubringen, d. i. diejenige Wärme- menge, welche erforderlich iſt, um 1 Kilogramm Waſſer von 0° auf 1°C. zu erwärmen. Dieſen Arbeitsbetrag von 424 Kilogrammetern nennt man das mechaniſche Wärmeäquivalent.
Vorſtehende, von Joule und Mayer des weiteren ausgeſponnene Beobachtung, auf welcher unſere geſamten modernen Anſchauungen von dem Weſen der Wärme, die heutige mechaniſche Wärmetheorie, beruhen, ſind wohl ſelten von einem Fachmanne ſo treffend zum Ausdruck ge- bracht, wie von George Stephenſon, dem Vater der Lokomotive. Als man ihn frug, worin die letzte Urſache der Bewegung ſeiner Lokomotiven beſtehe, antwortete er: „bottled sun beams,“ „auf Flaſchen gezogene Sonnenſtrahlen.“ In der That iſt hier in wenigen Worten das Prinzip der Wechſelbeziehung zwiſchen Wärme und Kraft in ſchlagendſter Weiſe zum Ausdruck gebracht. Die uns zur Verfügung ſtehenden Brennſtoffe ſind ſämtlich ein Produkt der Thätigkeit der Sonne und ſo konnte Stephenſon mit Recht die Steinkohlen, die Kraftquellen ſeines Dampf- roſſes, als Sonnenſtrahlen bezeichnen, welche im Erdinnern aufge- ſpeichert liegen, bis ſie an des Tages Licht gebracht werden, um wieder in Arbeit umgeſetzt zu werden.
d) Die letzte der uns zur Verfügung ſtehenden, hier zu behandelnden Kraftquellen iſt die chemiſche Verwandtſchaft einzelner Körper. Dieſe findet ihre Anwendung bei den während der letzten Jahrzehnte in vielen tauſenden von Exemplaren in Betrieb befindlichen Gasmotoren und Petroleum- bezw. Benzinmotoren.
Bei dieſen erfolgt die Bildung der motoriſchen Kraft in der Weiſe, daß Gas, ſei es gewöhnliches Leuchtgas oder Petroleumgas, im Gemiſch mit Luft zur Exploſion gebracht wird.
Nachdem wir ſo im Vorſtehenden einen kurzen Überblick über die verſchiedenen Arten der Kraftquellen und der Motoren gegeben haben, bleibt uns, bevor wir zu einer Beſprechung der einzelnen Konſtruktionen
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[58/0076]
Die Motoren.
gebräuchliche Art und Weiſe der Ausnutzung des Dampfes in den
Dampfmaſchinen.
Zum Schluſſe dieſer allgemeinen Vorbemerkung über das Weſen
des Dampfes müſſen wir noch kurz auf den Zuſammenhang zwiſchen
Wärme und mechaniſcher Arbeit eingehen.
Die Lehre der modernen Phyſik hinſichtlich des Weſens der
mechaniſchen Arbeit und der Wärme faßt letztere als eine Art der Be-
wegung auf. Wärme und mechaniſche Arbeit treten abwechſelnd bald als
Urſache, bald als Wirkung auf. Man kann daher jede Wärmeerſcheinung
als ein Produkt mechaniſcher Arbeit und jede mechaniſche Arbeit als
ein Produkt der Wärme auffaſſen.
Es iſt nun durch Verſuche feſtgeſtellt worden, daß bei einem
Barometerſtande von 760 mm eine Arbeit von etwa 424 Kilogrammetern
erforderlich iſt, um 1 Kalorie hervorzubringen, d. i. diejenige Wärme-
menge, welche erforderlich iſt, um 1 Kilogramm Waſſer von 0° auf
1°C. zu erwärmen. Dieſen Arbeitsbetrag von 424 Kilogrammetern
nennt man das mechaniſche Wärmeäquivalent.
Vorſtehende, von Joule und Mayer des weiteren ausgeſponnene
Beobachtung, auf welcher unſere geſamten modernen Anſchauungen von
dem Weſen der Wärme, die heutige mechaniſche Wärmetheorie, beruhen,
ſind wohl ſelten von einem Fachmanne ſo treffend zum Ausdruck ge-
bracht, wie von George Stephenſon, dem Vater der Lokomotive. Als
man ihn frug, worin die letzte Urſache der Bewegung ſeiner Lokomotiven
beſtehe, antwortete er: „bottled sun beams,“ „auf Flaſchen gezogene
Sonnenſtrahlen.“ In der That iſt hier in wenigen Worten das Prinzip
der Wechſelbeziehung zwiſchen Wärme und Kraft in ſchlagendſter Weiſe
zum Ausdruck gebracht. Die uns zur Verfügung ſtehenden Brennſtoffe
ſind ſämtlich ein Produkt der Thätigkeit der Sonne und ſo konnte
Stephenſon mit Recht die Steinkohlen, die Kraftquellen ſeines Dampf-
roſſes, als Sonnenſtrahlen bezeichnen, welche im Erdinnern aufge-
ſpeichert liegen, bis ſie an des Tages Licht gebracht werden, um wieder
in Arbeit umgeſetzt zu werden.
d) Die letzte der uns zur Verfügung ſtehenden, hier zu behandelnden
Kraftquellen iſt die chemiſche Verwandtſchaft einzelner Körper.
Dieſe findet ihre Anwendung bei den während der letzten Jahrzehnte in
vielen tauſenden von Exemplaren in Betrieb befindlichen
Gasmotoren und
Petroleum- bezw. Benzinmotoren.
Bei dieſen erfolgt die Bildung der motoriſchen Kraft in der Weiſe,
daß Gas, ſei es gewöhnliches Leuchtgas oder Petroleumgas, im
Gemiſch mit Luft zur Exploſion gebracht wird.
Nachdem wir ſo im Vorſtehenden einen kurzen Überblick über die
verſchiedenen Arten der Kraftquellen und der Motoren gegeben haben,
bleibt uns, bevor wir zu einer Beſprechung der einzelnen Konſtruktionen
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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