Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die künstlichen Düngestoffe und die Chemie des Bodens.
Bezug auf das Nationalvermögen enthalten, noch insofern bei weitem
nicht genug berücksichtigt wird, als ihre Verwendung eine viel umfang-
reichere sein könnte.

Bei allen diesen Stickstoff-Düngemitteln, welche erst salpetersaure
Salze bilden müssen, hat außer der selbstverständlichen Zufuhr von
Phosphorsäure und Kali, der Kalk eine überaus günstige Wirkung,
weil er die Bildung der Salpetersäure sehr fördert. So erhielt Märcker
folgende Ernteerträge als Mehrerträge gegen die Parzellen ohne Kalk
und Ammoniaksalz pro Hektar im Durchschnitt an Körnern oder Knollen
in Kilo bei Düngung mit:

[Tabelle]

Die Zahlen der dritten Rubrik, welche die Mehrerträge bei Zusatz
von Kalk und Ammoniaksalz angeben, sind so überwiegend, daß sie
eines Kommentars nicht bedürfen, und gleichzeitig bestätigen diese Versuche,
daß Ammoniaksalze in saurem Boden nicht zur Geltung kommen, sondern
dieser erst gut gekalkt werden muß.

Als eine der wichtigsten Errungenschaften der neueren Zeit ist die
Stickstoff-Düngung zu betrachten, zu welcher bei den stickstoffsammelnden
Pflanzen die atmosphärische Luft den Stickstoff liefert. Boussingault,
Gilbert, Hellriegel, Lawes, Märcker, Schultz-Lupitz, Wagner, Wolff u. a.
haben hierüber zahlreiche Versuche angestellt und im wesentlichen folgendes
gefunden. Die Leguminosen und Futterarten sind "stickstoffsammelnde"
Pflanzen, d. h. sie sind nicht nur imstande, trotzdem ihre Substanz selbst
sehr stickstoffreich ist, ohne die so wichtige, aber auch teure künstliche
Stickstoffdüngung zu gedeihen, sondern sie bereichern den Boden noch
direkt an Stickstoffnahrung. Der Stickstoff der atmosphärischen Luft
wird von ihren Wurzeln unter Mithülfe gewisser Mikroben zu
Salpetersäure verarbeitet und als solche aufgenommen. Werden nun
nach der Ernte diese sehr stickstoffreichen Futtermittel -- falls man
nicht vorzieht, sie direkt einzuackern -- verfüttert, so kehrt ihr Stick-
stoff im Stallmist auf den Acker zurück, während ihre noch stickstoff-
reicheren Wurzeln beim Umackern von vorn herein dem Boden
verbleiben, und so kommt der gesamte, aus der atmosphärischen
Luft entnommene Stickstoff den nachfolgenden Kulturpflanzen zu gute.
Diese Methode anwendend, hat Schultz-Lupitz durch Kultur von Le-

Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens.
Bezug auf das Nationalvermögen enthalten, noch inſofern bei weitem
nicht genug berückſichtigt wird, als ihre Verwendung eine viel umfang-
reichere ſein könnte.

Bei allen dieſen Stickſtoff-Düngemitteln, welche erſt ſalpeterſaure
Salze bilden müſſen, hat außer der ſelbſtverſtändlichen Zufuhr von
Phosphorſäure und Kali, der Kalk eine überaus günſtige Wirkung,
weil er die Bildung der Salpeterſäure ſehr fördert. So erhielt Märcker
folgende Ernteerträge als Mehrerträge gegen die Parzellen ohne Kalk
und Ammoniakſalz pro Hektar im Durchſchnitt an Körnern oder Knollen
in Kilo bei Düngung mit:

[Tabelle]

Die Zahlen der dritten Rubrik, welche die Mehrerträge bei Zuſatz
von Kalk und Ammoniakſalz angeben, ſind ſo überwiegend, daß ſie
eines Kommentars nicht bedürfen, und gleichzeitig beſtätigen dieſe Verſuche,
daß Ammoniakſalze in ſaurem Boden nicht zur Geltung kommen, ſondern
dieſer erſt gut gekalkt werden muß.

Als eine der wichtigſten Errungenſchaften der neueren Zeit iſt die
Stickſtoff-Düngung zu betrachten, zu welcher bei den ſtickſtoffſammelnden
Pflanzen die atmoſphäriſche Luft den Stickſtoff liefert. Bouſſingault,
Gilbert, Hellriegel, Lawes, Märcker, Schultz-Lupitz, Wagner, Wolff u. a.
haben hierüber zahlreiche Verſuche angeſtellt und im weſentlichen folgendes
gefunden. Die Leguminoſen und Futterarten ſind „ſtickſtoffſammelnde“
Pflanzen, d. h. ſie ſind nicht nur imſtande, trotzdem ihre Subſtanz ſelbſt
ſehr ſtickſtoffreich iſt, ohne die ſo wichtige, aber auch teure künſtliche
Stickſtoffdüngung zu gedeihen, ſondern ſie bereichern den Boden noch
direkt an Stickſtoffnahrung. Der Stickſtoff der atmoſphäriſchen Luft
wird von ihren Wurzeln unter Mithülfe gewiſſer Mikroben zu
Salpeterſäure verarbeitet und als ſolche aufgenommen. Werden nun
nach der Ernte dieſe ſehr ſtickſtoffreichen Futtermittel — falls man
nicht vorzieht, ſie direkt einzuackern — verfüttert, ſo kehrt ihr Stick-
ſtoff im Stallmiſt auf den Acker zurück, während ihre noch ſtickſtoff-
reicheren Wurzeln beim Umackern von vorn herein dem Boden
verbleiben, und ſo kommt der geſamte, aus der atmoſphäriſchen
Luft entnommene Stickſtoff den nachfolgenden Kulturpflanzen zu gute.
Dieſe Methode anwendend, hat Schultz-Lupitz durch Kultur von Le-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0460" n="442"/><fw place="top" type="header">Die kün&#x017F;tlichen Dünge&#x017F;toffe und die Chemie des Bodens.</fw><lb/>
Bezug auf das Nationalvermögen enthalten, noch in&#x017F;ofern bei weitem<lb/>
nicht genug berück&#x017F;ichtigt wird, als ihre Verwendung eine viel umfang-<lb/>
reichere &#x017F;ein könnte.</p><lb/>
              <p>Bei allen die&#x017F;en Stick&#x017F;toff-Düngemitteln, welche er&#x017F;t &#x017F;alpeter&#x017F;aure<lb/>
Salze bilden mü&#x017F;&#x017F;en, hat außer der &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlichen Zufuhr von<lb/>
Phosphor&#x017F;äure und Kali, der Kalk eine überaus gün&#x017F;tige Wirkung,<lb/>
weil er die Bildung der Salpeter&#x017F;äure &#x017F;ehr fördert. So erhielt Märcker<lb/>
folgende Ernteerträge als Mehrerträge gegen die Parzellen ohne Kalk<lb/>
und Ammoniak&#x017F;alz pro Hektar im Durch&#x017F;chnitt an Körnern oder Knollen<lb/>
in Kilo bei Düngung mit:<lb/><table><row><cell/></row></table></p>
              <p>Die Zahlen der dritten Rubrik, welche die Mehrerträge bei Zu&#x017F;atz<lb/>
von Kalk und Ammoniak&#x017F;alz angeben, &#x017F;ind &#x017F;o überwiegend, daß &#x017F;ie<lb/>
eines Kommentars nicht bedürfen, und gleichzeitig be&#x017F;tätigen die&#x017F;e Ver&#x017F;uche,<lb/>
daß Ammoniak&#x017F;alze in &#x017F;aurem Boden nicht zur Geltung kommen, &#x017F;ondern<lb/>
die&#x017F;er er&#x017F;t gut gekalkt werden muß.</p><lb/>
              <p>Als eine der wichtig&#x017F;ten Errungen&#x017F;chaften der neueren Zeit i&#x017F;t die<lb/>
Stick&#x017F;toff-Düngung zu betrachten, zu welcher bei den &#x017F;tick&#x017F;toff&#x017F;ammelnden<lb/>
Pflanzen die atmo&#x017F;phäri&#x017F;che Luft den Stick&#x017F;toff liefert. Bou&#x017F;&#x017F;ingault,<lb/>
Gilbert, Hellriegel, Lawes, Märcker, Schultz-Lupitz, Wagner, Wolff u. a.<lb/>
haben hierüber zahlreiche Ver&#x017F;uche ange&#x017F;tellt und im we&#x017F;entlichen folgendes<lb/>
gefunden. Die Legumino&#x017F;en und Futterarten &#x017F;ind &#x201E;&#x017F;tick&#x017F;toff&#x017F;ammelnde&#x201C;<lb/>
Pflanzen, d. h. &#x017F;ie &#x017F;ind nicht nur im&#x017F;tande, trotzdem ihre Sub&#x017F;tanz &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;tick&#x017F;toffreich i&#x017F;t, ohne die &#x017F;o wichtige, aber auch teure kün&#x017F;tliche<lb/>
Stick&#x017F;toffdüngung zu gedeihen, &#x017F;ondern &#x017F;ie bereichern den Boden noch<lb/>
direkt an Stick&#x017F;toffnahrung. Der Stick&#x017F;toff der atmo&#x017F;phäri&#x017F;chen Luft<lb/>
wird von ihren Wurzeln unter Mithülfe gewi&#x017F;&#x017F;er Mikroben zu<lb/>
Salpeter&#x017F;äure verarbeitet und als &#x017F;olche aufgenommen. Werden nun<lb/>
nach der Ernte die&#x017F;e &#x017F;ehr &#x017F;tick&#x017F;toffreichen Futtermittel &#x2014; falls man<lb/>
nicht vorzieht, &#x017F;ie direkt einzuackern &#x2014; verfüttert, &#x017F;o kehrt ihr Stick-<lb/>
&#x017F;toff im Stallmi&#x017F;t auf den Acker zurück, während ihre noch &#x017F;tick&#x017F;toff-<lb/>
reicheren Wurzeln beim Umackern von vorn herein dem Boden<lb/>
verbleiben, und &#x017F;o kommt der ge&#x017F;amte, aus der atmo&#x017F;phäri&#x017F;chen<lb/>
Luft entnommene Stick&#x017F;toff den nachfolgenden Kulturpflanzen zu gute.<lb/>
Die&#x017F;e Methode anwendend, hat Schultz-Lupitz durch Kultur von Le-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0460] Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens. Bezug auf das Nationalvermögen enthalten, noch inſofern bei weitem nicht genug berückſichtigt wird, als ihre Verwendung eine viel umfang- reichere ſein könnte. Bei allen dieſen Stickſtoff-Düngemitteln, welche erſt ſalpeterſaure Salze bilden müſſen, hat außer der ſelbſtverſtändlichen Zufuhr von Phosphorſäure und Kali, der Kalk eine überaus günſtige Wirkung, weil er die Bildung der Salpeterſäure ſehr fördert. So erhielt Märcker folgende Ernteerträge als Mehrerträge gegen die Parzellen ohne Kalk und Ammoniakſalz pro Hektar im Durchſchnitt an Körnern oder Knollen in Kilo bei Düngung mit: Die Zahlen der dritten Rubrik, welche die Mehrerträge bei Zuſatz von Kalk und Ammoniakſalz angeben, ſind ſo überwiegend, daß ſie eines Kommentars nicht bedürfen, und gleichzeitig beſtätigen dieſe Verſuche, daß Ammoniakſalze in ſaurem Boden nicht zur Geltung kommen, ſondern dieſer erſt gut gekalkt werden muß. Als eine der wichtigſten Errungenſchaften der neueren Zeit iſt die Stickſtoff-Düngung zu betrachten, zu welcher bei den ſtickſtoffſammelnden Pflanzen die atmoſphäriſche Luft den Stickſtoff liefert. Bouſſingault, Gilbert, Hellriegel, Lawes, Märcker, Schultz-Lupitz, Wagner, Wolff u. a. haben hierüber zahlreiche Verſuche angeſtellt und im weſentlichen folgendes gefunden. Die Leguminoſen und Futterarten ſind „ſtickſtoffſammelnde“ Pflanzen, d. h. ſie ſind nicht nur imſtande, trotzdem ihre Subſtanz ſelbſt ſehr ſtickſtoffreich iſt, ohne die ſo wichtige, aber auch teure künſtliche Stickſtoffdüngung zu gedeihen, ſondern ſie bereichern den Boden noch direkt an Stickſtoffnahrung. Der Stickſtoff der atmoſphäriſchen Luft wird von ihren Wurzeln unter Mithülfe gewiſſer Mikroben zu Salpeterſäure verarbeitet und als ſolche aufgenommen. Werden nun nach der Ernte dieſe ſehr ſtickſtoffreichen Futtermittel — falls man nicht vorzieht, ſie direkt einzuackern — verfüttert, ſo kehrt ihr Stick- ſtoff im Stallmiſt auf den Acker zurück, während ihre noch ſtickſtoff- reicheren Wurzeln beim Umackern von vorn herein dem Boden verbleiben, und ſo kommt der geſamte, aus der atmoſphäriſchen Luft entnommene Stickſtoff den nachfolgenden Kulturpflanzen zu gute. Dieſe Methode anwendend, hat Schultz-Lupitz durch Kultur von Le-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/460
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/460>, abgerufen am 26.06.2024.