Fuselöl] in geschlossenen Apparaten behandelte. Besonders T. J. Mullings hat ein solches Verfahren ausgearbeitet, indem er die Wolle erst mit Schwefelkohlenstoff behandelt und dann den letzteren durch Wasser verdrängt. Die Schwierigkeit dieses Verfahrens liegt darin, daß man es mit leicht entzündlichen, flüchtigen Flüssigkeiten zu thun hat, indessen dürften die Hindernisse wohl überwunden werden. Soll die Wolle noch gebleicht werden, so wird sie in Kammern den Dämpfen brennenden Schwefels ausgesetzt, oder mit einer Auflösung solcher Dämpfe in Wasser (schwefliger Säure) behandelt. In letzter Zeit hat man auch mit gutem Erfolge Wasserstoffsuperoxyd -- das bekannte Mittel zum Blondfärben der Haare -- als Bleichmittel benutzt.
Ähnlich wie Wolle, wird die Seide behandelt. Da dieselbe aber gegen alkalische Flüssigkeiten (Laugen) noch viel empfindlicher ist als Wolle, so darf das Reinigen nur mit bester Olivenseife (Marseiller Seife) ge- schehen. Die rohe Seidenfaser ist von dem sogenannten Seidenleim umhüllt, der vollkommen entfernt werden muß, damit die Seide Glanz und Griff erhält. Diese Operation nennt man das "Entschälen" oder "Degummieren" der Seide. Die mit Seidenleim gesättigten Seifen- wässer (die Bastseife) werden vielfach beim späteren Färben der Seide als Zusatz benutzt. Dem Degummieren folgt eine zweite Wäsche mit Seife, das "Weißkochen", wobei die letzten Reste von Leim und natür- lichem Farbstoff entfernt werden. Durch das Entleimen verliert die rohe Seide bis zu 1/3 ihres ursprünglichen Gewichts, erhält aber dabei den Glanz und die Geschmeidigkeit, die wir an der Seide so hoch schätzen. Da der große Gewichtsverlust den Preis der Seide bedeutend verteuert, so hat man versucht, der Seide die Eigenschaft entleimter Seide zu geben, ohne ihr Gewicht so stark herabzumindern. Zu diesem Zwecke wird die Seide erst mit einem Gemisch von Salz- säure und Salpetersäure behandelt, dann geschwefelt, und schließlich in einer ganz verdünnten Weinsteinlösung gekocht. Derartige Seide bezeichnet man als Souple-Seide.
Durch die vorstehend beschriebenen Reinigungsverfahren sind nun die verschiedenen Fasern zum Färben vorbereitet. Das Färben selbst war früher eine große Kunst, da man zum Färben nicht fertige Farb- stoffe zur Verfügung hatte, sondern mit Rohmaterialien arbeitete, die in ihren Eigenschaften nicht immer gleichmäßig waren. Vor allem kannte man außer dem Purpur des Altertums keine Farbe, die sich ohne weiteres von selbst auf der Faser dauerhaft niederschlug. Das Färben der Fasern besteht entweder in einer Verbindung der Fasern mit dem Farbstoffe selbst (direkte Farbstoffe), oder es beruht darauf, daß auf der Faser farbige Verbindungen (Lacke) niedergeschlagen werden (Beizenfarbstoffe).
Hat man es mit direkten Farbstoffen zu thun, so ist das Färben eine einfache Sache. Die Farbstoffe werden in Wasser (in seltenen Fällen bei der Seidenfärberei auch in Spiritus) gelöst, und der Strang
Färben und Drucken.
Fuſelöl] in geſchloſſenen Apparaten behandelte. Beſonders T. J. Mullings hat ein ſolches Verfahren ausgearbeitet, indem er die Wolle erſt mit Schwefelkohlenſtoff behandelt und dann den letzteren durch Waſſer verdrängt. Die Schwierigkeit dieſes Verfahrens liegt darin, daß man es mit leicht entzündlichen, flüchtigen Flüſſigkeiten zu thun hat, indeſſen dürften die Hinderniſſe wohl überwunden werden. Soll die Wolle noch gebleicht werden, ſo wird ſie in Kammern den Dämpfen brennenden Schwefels ausgeſetzt, oder mit einer Auflöſung ſolcher Dämpfe in Waſſer (ſchwefliger Säure) behandelt. In letzter Zeit hat man auch mit gutem Erfolge Waſſerſtoffſuperoxyd — das bekannte Mittel zum Blondfärben der Haare — als Bleichmittel benutzt.
Ähnlich wie Wolle, wird die Seide behandelt. Da dieſelbe aber gegen alkaliſche Flüſſigkeiten (Laugen) noch viel empfindlicher iſt als Wolle, ſo darf das Reinigen nur mit beſter Olivenſeife (Marſeiller Seife) ge- ſchehen. Die rohe Seidenfaſer iſt von dem ſogenannten Seidenleim umhüllt, der vollkommen entfernt werden muß, damit die Seide Glanz und Griff erhält. Dieſe Operation nennt man das „Entſchälen“ oder „Degummieren“ der Seide. Die mit Seidenleim geſättigten Seifen- wäſſer (die Baſtſeife) werden vielfach beim ſpäteren Färben der Seide als Zuſatz benutzt. Dem Degummieren folgt eine zweite Wäſche mit Seife, das „Weißkochen“, wobei die letzten Reſte von Leim und natür- lichem Farbſtoff entfernt werden. Durch das Entleimen verliert die rohe Seide bis zu ⅓ ihres urſprünglichen Gewichts, erhält aber dabei den Glanz und die Geſchmeidigkeit, die wir an der Seide ſo hoch ſchätzen. Da der große Gewichtsverluſt den Preis der Seide bedeutend verteuert, ſo hat man verſucht, der Seide die Eigenſchaft entleimter Seide zu geben, ohne ihr Gewicht ſo ſtark herabzumindern. Zu dieſem Zwecke wird die Seide erſt mit einem Gemiſch von Salz- ſäure und Salpeterſäure behandelt, dann geſchwefelt, und ſchließlich in einer ganz verdünnten Weinſteinlöſung gekocht. Derartige Seide bezeichnet man als Souple-Seide.
Durch die vorſtehend beſchriebenen Reinigungsverfahren ſind nun die verſchiedenen Faſern zum Färben vorbereitet. Das Färben ſelbſt war früher eine große Kunſt, da man zum Färben nicht fertige Farb- ſtoffe zur Verfügung hatte, ſondern mit Rohmaterialien arbeitete, die in ihren Eigenſchaften nicht immer gleichmäßig waren. Vor allem kannte man außer dem Purpur des Altertums keine Farbe, die ſich ohne weiteres von ſelbſt auf der Faſer dauerhaft niederſchlug. Das Färben der Faſern beſteht entweder in einer Verbindung der Faſern mit dem Farbſtoffe ſelbſt (direkte Farbſtoffe), oder es beruht darauf, daß auf der Faſer farbige Verbindungen (Lacke) niedergeſchlagen werden (Beizenfarbſtoffe).
Hat man es mit direkten Farbſtoffen zu thun, ſo iſt das Färben eine einfache Sache. Die Farbſtoffe werden in Waſſer (in ſeltenen Fällen bei der Seidenfärberei auch in Spiritus) gelöſt, und der Strang
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[415/0433]
Färben und Drucken.
Fuſelöl] in geſchloſſenen Apparaten behandelte. Beſonders T. J. Mullings
hat ein ſolches Verfahren ausgearbeitet, indem er die Wolle erſt
mit Schwefelkohlenſtoff behandelt und dann den letzteren durch Waſſer
verdrängt. Die Schwierigkeit dieſes Verfahrens liegt darin, daß man
es mit leicht entzündlichen, flüchtigen Flüſſigkeiten zu thun hat,
indeſſen dürften die Hinderniſſe wohl überwunden werden. Soll die
Wolle noch gebleicht werden, ſo wird ſie in Kammern den Dämpfen
brennenden Schwefels ausgeſetzt, oder mit einer Auflöſung ſolcher
Dämpfe in Waſſer (ſchwefliger Säure) behandelt. In letzter Zeit hat
man auch mit gutem Erfolge Waſſerſtoffſuperoxyd — das bekannte
Mittel zum Blondfärben der Haare — als Bleichmittel benutzt.
Ähnlich wie Wolle, wird die Seide behandelt. Da dieſelbe aber gegen
alkaliſche Flüſſigkeiten (Laugen) noch viel empfindlicher iſt als Wolle, ſo
darf das Reinigen nur mit beſter Olivenſeife (Marſeiller Seife) ge-
ſchehen. Die rohe Seidenfaſer iſt von dem ſogenannten Seidenleim
umhüllt, der vollkommen entfernt werden muß, damit die Seide Glanz
und Griff erhält. Dieſe Operation nennt man das „Entſchälen“ oder
„Degummieren“ der Seide. Die mit Seidenleim geſättigten Seifen-
wäſſer (die Baſtſeife) werden vielfach beim ſpäteren Färben der Seide
als Zuſatz benutzt. Dem Degummieren folgt eine zweite Wäſche mit
Seife, das „Weißkochen“, wobei die letzten Reſte von Leim und natür-
lichem Farbſtoff entfernt werden. Durch das Entleimen verliert die
rohe Seide bis zu ⅓ ihres urſprünglichen Gewichts, erhält aber
dabei den Glanz und die Geſchmeidigkeit, die wir an der Seide ſo
hoch ſchätzen. Da der große Gewichtsverluſt den Preis der Seide
bedeutend verteuert, ſo hat man verſucht, der Seide die Eigenſchaft
entleimter Seide zu geben, ohne ihr Gewicht ſo ſtark herabzumindern.
Zu dieſem Zwecke wird die Seide erſt mit einem Gemiſch von Salz-
ſäure und Salpeterſäure behandelt, dann geſchwefelt, und ſchließlich
in einer ganz verdünnten Weinſteinlöſung gekocht. Derartige Seide
bezeichnet man als Souple-Seide.
Durch die vorſtehend beſchriebenen Reinigungsverfahren ſind nun
die verſchiedenen Faſern zum Färben vorbereitet. Das Färben ſelbſt
war früher eine große Kunſt, da man zum Färben nicht fertige Farb-
ſtoffe zur Verfügung hatte, ſondern mit Rohmaterialien arbeitete, die
in ihren Eigenſchaften nicht immer gleichmäßig waren. Vor allem
kannte man außer dem Purpur des Altertums keine Farbe, die ſich
ohne weiteres von ſelbſt auf der Faſer dauerhaft niederſchlug. Das
Färben der Faſern beſteht entweder in einer Verbindung der Faſern
mit dem Farbſtoffe ſelbſt (direkte Farbſtoffe), oder es beruht darauf,
daß auf der Faſer farbige Verbindungen (Lacke) niedergeſchlagen werden
(Beizenfarbſtoffe).
Hat man es mit direkten Farbſtoffen zu thun, ſo iſt das Färben
eine einfache Sache. Die Farbſtoffe werden in Waſſer (in ſeltenen
Fällen bei der Seidenfärberei auch in Spiritus) gelöſt, und der Strang
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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