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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Farben und das Färben.
liefern, untersucht wurde. Wissenschaft und Technik arbeiteten sich in
einer Weise in die Hände, wie es außer bei der Teerfarbenindustrie
höchstens noch in der Industrie der optischen Gläser vorgekommen ist.
Die erste glänzende Entdeckung bildeten die Eosinfarbstoffe, deren Aus-
gangsprodukt, das Fluorescein 1871 von Baeyer, deren erster Re-
präsentant, das Eosin selbst, 1874 von E. Fischer entdeckt wurde.
Diese Farbstoffe zeichnen sich durch eine Eigentümlichkeit aus, die in
gleich hohem Maße keine andere Farbengruppe besitzt, nämlich durch
die Fluorescenz. Diese besteht darin, daß die Lösung des Farbstoffs
im auffallenden Lichte eine andere Farbe zeigt, als im durchscheinenden.
Eine Lösung von Eosin z. B. ist beim Hindurchsehen rosa bis rot;
von außen betrachtet, also im auffallenden Lichte, erscheint sie grün.
Ein sehr hübscher Effekt entsteht, wenn man etwas Eosin (oder
Fluorescein) auf die Oberfläche eines mit Wasser gefüllten Glases
streut; von jedem Körnchen rinnt eine grüne Schlange zu Boden, welche
besonders im Sonnenscheine metallisch funkelt. Allmählich sieht das
Wasser wolkig getrübt aus, beim Hindurchsehen erkennt man aber,
daß es trotzdem vollkommen klar ist. Die Fähigkeit des Eosins, und
noch mehr des Fluoresceins, dem Wasser die grüne Fluorescenz
zu erteilen, ist so groß, daß man den grünen Schimmer noch
bei fast millionenfacher Verdünnung wahrnimmt. Man hat
daher davon Gebrauch gemacht, um den Lauf unterirdisch ver-
schwindender Flüsse zu verfolgen, indem man oberhalb der zu
untersuchenden Stelle eine größere Menge Fluorescein im
Wasser versenkte, um dann zu beobachten, wo das fluorescierend ge-
machte Wasser wieder zu Tage trat. Am bekanntesten ist der erste
Versuch dieser Art 1877, bei welchem es sich um die Feststellung des
Zusammenhangs zwischen dem Bodensee und der Donau handelte.
Man versenkte zwischen Möhringen und Immendingen 10 kg Fluores-
cein in die Donau. Nach Verlauf von 60 Stunden zeigte das Wasser
der Ach, eines Zuflusses des Bodensees, deutlich die grüne Fluorescenz.

Die Fluorescenz der Lösungen bewahren die Eosinfarbstoffe auch
beim Färben auf der Faser, besonders auf Seide. Man kann auf
diese Weise ganz wunderbare Effekte erzielen, da die Seide je nach
der Beleuchtung rosa, grün und goldig schimmert. In Verbindung
mit Metallen, namentlich Blei und Zinn, liefern die Eosine prachtvolle
rosa Lacke, die für den Druck, für Tapeten u. dgl. ausgedehnte An-
wendung finden. Auch in der Papierfärberei spielen die Eosine eine
große Rolle. Die dünnen rosa Bindfaden, welche zu eleganten Ver-
packungen so gern verwendet werden, sind ebenfalls mit Eosin gefärbt.

Der Entdeckung der Eosingruppe folgte die einer Farbstoffklasse,
welche infolge ihrer Vielseitigkeit jetzt den Hauptplatz in der Industrie
der Teerfarben einnimmt, der Azofarbstoffe. Obwohl sich bei den
Reaktionen, nach welchen man dieselben erhält, Verbindungen ver-
schiedenster Abstammung einführen lassen, so sind es doch vorwiegend

Die Farben und das Färben.
liefern, unterſucht wurde. Wiſſenſchaft und Technik arbeiteten ſich in
einer Weiſe in die Hände, wie es außer bei der Teerfarbeninduſtrie
höchſtens noch in der Induſtrie der optiſchen Gläſer vorgekommen iſt.
Die erſte glänzende Entdeckung bildeten die Eoſinfarbſtoffe, deren Aus-
gangsprodukt, das Fluoresceïn 1871 von Baeyer, deren erſter Re-
präſentant, das Eoſin ſelbſt, 1874 von E. Fiſcher entdeckt wurde.
Dieſe Farbſtoffe zeichnen ſich durch eine Eigentümlichkeit aus, die in
gleich hohem Maße keine andere Farbengruppe beſitzt, nämlich durch
die Fluorescenz. Dieſe beſteht darin, daß die Löſung des Farbſtoffs
im auffallenden Lichte eine andere Farbe zeigt, als im durchſcheinenden.
Eine Löſung von Eoſin z. B. iſt beim Hindurchſehen roſa bis rot;
von außen betrachtet, alſo im auffallenden Lichte, erſcheint ſie grün.
Ein ſehr hübſcher Effekt entſteht, wenn man etwas Eoſin (oder
Fluoresceïn) auf die Oberfläche eines mit Waſſer gefüllten Glaſes
ſtreut; von jedem Körnchen rinnt eine grüne Schlange zu Boden, welche
beſonders im Sonnenſcheine metalliſch funkelt. Allmählich ſieht das
Waſſer wolkig getrübt aus, beim Hindurchſehen erkennt man aber,
daß es trotzdem vollkommen klar iſt. Die Fähigkeit des Eoſins, und
noch mehr des Fluoresceïns, dem Waſſer die grüne Fluorescenz
zu erteilen, iſt ſo groß, daß man den grünen Schimmer noch
bei faſt millionenfacher Verdünnung wahrnimmt. Man hat
daher davon Gebrauch gemacht, um den Lauf unterirdiſch ver-
ſchwindender Flüſſe zu verfolgen, indem man oberhalb der zu
unterſuchenden Stelle eine größere Menge Fluoresceïn im
Waſſer verſenkte, um dann zu beobachten, wo das fluorescierend ge-
machte Waſſer wieder zu Tage trat. Am bekannteſten iſt der erſte
Verſuch dieſer Art 1877, bei welchem es ſich um die Feſtſtellung des
Zuſammenhangs zwiſchen dem Bodenſee und der Donau handelte.
Man verſenkte zwiſchen Möhringen und Immendingen 10 kg Fluores-
ceïn in die Donau. Nach Verlauf von 60 Stunden zeigte das Waſſer
der Ach, eines Zufluſſes des Bodenſees, deutlich die grüne Fluorescenz.

Die Fluorescenz der Löſungen bewahren die Eoſinfarbſtoffe auch
beim Färben auf der Faſer, beſonders auf Seide. Man kann auf
dieſe Weiſe ganz wunderbare Effekte erzielen, da die Seide je nach
der Beleuchtung roſa, grün und goldig ſchimmert. In Verbindung
mit Metallen, namentlich Blei und Zinn, liefern die Eoſine prachtvolle
roſa Lacke, die für den Druck, für Tapeten u. dgl. ausgedehnte An-
wendung finden. Auch in der Papierfärberei ſpielen die Eoſine eine
große Rolle. Die dünnen roſa Bindfaden, welche zu eleganten Ver-
packungen ſo gern verwendet werden, ſind ebenfalls mit Eoſin gefärbt.

Der Entdeckung der Eoſingruppe folgte die einer Farbſtoffklaſſe,
welche infolge ihrer Vielſeitigkeit jetzt den Hauptplatz in der Induſtrie
der Teerfarben einnimmt, der Azofarbſtoffe. Obwohl ſich bei den
Reaktionen, nach welchen man dieſelben erhält, Verbindungen ver-
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[410/0428] Die Farben und das Färben. liefern, unterſucht wurde. Wiſſenſchaft und Technik arbeiteten ſich in einer Weiſe in die Hände, wie es außer bei der Teerfarbeninduſtrie höchſtens noch in der Induſtrie der optiſchen Gläſer vorgekommen iſt. Die erſte glänzende Entdeckung bildeten die Eoſinfarbſtoffe, deren Aus- gangsprodukt, das Fluoresceïn 1871 von Baeyer, deren erſter Re- präſentant, das Eoſin ſelbſt, 1874 von E. Fiſcher entdeckt wurde. Dieſe Farbſtoffe zeichnen ſich durch eine Eigentümlichkeit aus, die in gleich hohem Maße keine andere Farbengruppe beſitzt, nämlich durch die Fluorescenz. Dieſe beſteht darin, daß die Löſung des Farbſtoffs im auffallenden Lichte eine andere Farbe zeigt, als im durchſcheinenden. Eine Löſung von Eoſin z. B. iſt beim Hindurchſehen roſa bis rot; von außen betrachtet, alſo im auffallenden Lichte, erſcheint ſie grün. Ein ſehr hübſcher Effekt entſteht, wenn man etwas Eoſin (oder Fluoresceïn) auf die Oberfläche eines mit Waſſer gefüllten Glaſes ſtreut; von jedem Körnchen rinnt eine grüne Schlange zu Boden, welche beſonders im Sonnenſcheine metalliſch funkelt. Allmählich ſieht das Waſſer wolkig getrübt aus, beim Hindurchſehen erkennt man aber, daß es trotzdem vollkommen klar iſt. Die Fähigkeit des Eoſins, und noch mehr des Fluoresceïns, dem Waſſer die grüne Fluorescenz zu erteilen, iſt ſo groß, daß man den grünen Schimmer noch bei faſt millionenfacher Verdünnung wahrnimmt. Man hat daher davon Gebrauch gemacht, um den Lauf unterirdiſch ver- ſchwindender Flüſſe zu verfolgen, indem man oberhalb der zu unterſuchenden Stelle eine größere Menge Fluoresceïn im Waſſer verſenkte, um dann zu beobachten, wo das fluorescierend ge- machte Waſſer wieder zu Tage trat. Am bekannteſten iſt der erſte Verſuch dieſer Art 1877, bei welchem es ſich um die Feſtſtellung des Zuſammenhangs zwiſchen dem Bodenſee und der Donau handelte. Man verſenkte zwiſchen Möhringen und Immendingen 10 kg Fluores- ceïn in die Donau. Nach Verlauf von 60 Stunden zeigte das Waſſer der Ach, eines Zufluſſes des Bodenſees, deutlich die grüne Fluorescenz. Die Fluorescenz der Löſungen bewahren die Eoſinfarbſtoffe auch beim Färben auf der Faſer, beſonders auf Seide. Man kann auf dieſe Weiſe ganz wunderbare Effekte erzielen, da die Seide je nach der Beleuchtung roſa, grün und goldig ſchimmert. In Verbindung mit Metallen, namentlich Blei und Zinn, liefern die Eoſine prachtvolle roſa Lacke, die für den Druck, für Tapeten u. dgl. ausgedehnte An- wendung finden. Auch in der Papierfärberei ſpielen die Eoſine eine große Rolle. Die dünnen roſa Bindfaden, welche zu eleganten Ver- packungen ſo gern verwendet werden, ſind ebenfalls mit Eoſin gefärbt. Der Entdeckung der Eoſingruppe folgte die einer Farbſtoffklaſſe, welche infolge ihrer Vielſeitigkeit jetzt den Hauptplatz in der Induſtrie der Teerfarben einnimmt, der Azofarbſtoffe. Obwohl ſich bei den Reaktionen, nach welchen man dieſelben erhält, Verbindungen ver- ſchiedenſter Abſtammung einführen laſſen, ſo ſind es doch vorwiegend

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/428>, abgerufen am 22.11.2024.