Weit ergiebiger als in der Tierwelt ist die Farbenausbeute in der Pflanzenwelt, aus der wir an hervorragenden Vertretern den Indigo, den Krapp, die verschiedenen Farbhölzer (Blau-, Rot-, Gelbholz), die Flechtenfarbstoffe (Orseille) nennen wollen.
Die Nachrichten über den Indigo reichen bis ins Altertum zurück. Er wird von Plinius und Dioskorides unter dem Namen Indicum beschrieben, während er bei arabischen Schriftstellern den Namen "Nil" (hindostanisch = blau) führt. Man schätzte ihn als Farbe sehr hoch und stellte ihn gleich hinter den Purpur. Der Indigo kommt in der Natur nicht fertig gebildet vor. Eine Anzahl von Pflanzengattungen, obenan die Indigofera-Arten, dann aber Isatis (Waid) und Poly- gonum enthalten in den Blättern einen in Wasser löslichen Körper, der den Indigo liefert. Zu diesem Zwecke werden die abgeschnittenen Pflanzen mit Wasser übergossen und die Mischung sich selbst überlassen, wobei sie in Gährung gerät. Wenn die Gährung einige Zeit gedauert hat, läßt man die Flüssigkeit in große offene Cisternen ab, wo man sie mit Schlaghölzern gründlich durcharbeitet, um sie möglichst mit der Luft in Berührung zu bringen. Dabei scheidet sich allmählich der Indigo als blauer Schaum ab, wird schließlich auf einem Filter ge- sammelt, gewaschen und gepreßt. Die gepreßten Kuchen werden in Stückchen geschnitten und an der Luft getrocknet, und bilden dann den fertigen Indigo, wie er im Handel erscheint. Das Haupt- produktionsland des Indigos ist Ostindien, das ihm ja auch den Namen gegeben hat. Namentlich Bengalen liefert ein durch seine Güte ausgezeichnetes Produkt, weshalb man die feinsten Indigosorten als Bengalindigo bezeichnet. Außer auf dem indischen Festland wird be- sonders auf Java guter Indigo gewonnen, ferner baut man ihn auch auf den Philippinen, am Senegal, in Guatemala und Venezuela, so- wie in verschiedenen anderen Ländern. In Mexiko wurde der Indigo schon vor der Entdeckung des Landes durch die Spanier von den Azteken kultiviert und verwendet. Der in den Handel kommende In- digo bildet dunkelblaue Stücke, welche auf den Bruchflächen, besonders beim Reiben, mehr oder weniger Kupferglanz zeigen. Je höheren Glanz der Indigo entwickelt, um so besser ist er. Er verdampft beim Erhitzen auf 250--300°C. und setzt sich an kalten Flächen in Form kleiner blauer Kryställchen ab, welche aus chemisch reinem Indigo be- stehen. Die Handelsware ist nämlich nichts weniger als ein reines Produkt. Abgesehen von äußerlichen Beimengungen, enthält sie noch verschiedene andere Körper, die bei der Bereitung des Indigos neben diesem entstehen; dazu gehört ein zweiter purpurner Farbstoff, das Indigorot, ferner eiweißartige (Indigleim) und humusartige (Indig- braun) Verbindungen. Alle diese verkohlen beim Erhitzen, während allein das Indigblau (Indigotin) sich verflüchtigen läßt. Das Indig-
Die Farben und das Färben.
2. Die pflanzlichen Farbſtoffe.
Weit ergiebiger als in der Tierwelt iſt die Farbenausbeute in der Pflanzenwelt, aus der wir an hervorragenden Vertretern den Indigo, den Krapp, die verſchiedenen Farbhölzer (Blau-, Rot-, Gelbholz), die Flechtenfarbſtoffe (Orſeille) nennen wollen.
Die Nachrichten über den Indigo reichen bis ins Altertum zurück. Er wird von Plinius und Dioskorides unter dem Namen Indicum beſchrieben, während er bei arabiſchen Schriftſtellern den Namen „Nil“ (hindoſtaniſch = blau) führt. Man ſchätzte ihn als Farbe ſehr hoch und ſtellte ihn gleich hinter den Purpur. Der Indigo kommt in der Natur nicht fertig gebildet vor. Eine Anzahl von Pflanzengattungen, obenan die Indigofera-Arten, dann aber Iſatis (Waid) und Poly- gonum enthalten in den Blättern einen in Waſſer löslichen Körper, der den Indigo liefert. Zu dieſem Zwecke werden die abgeſchnittenen Pflanzen mit Waſſer übergoſſen und die Miſchung ſich ſelbſt überlaſſen, wobei ſie in Gährung gerät. Wenn die Gährung einige Zeit gedauert hat, läßt man die Flüſſigkeit in große offene Ciſternen ab, wo man ſie mit Schlaghölzern gründlich durcharbeitet, um ſie möglichſt mit der Luft in Berührung zu bringen. Dabei ſcheidet ſich allmählich der Indigo als blauer Schaum ab, wird ſchließlich auf einem Filter ge- ſammelt, gewaſchen und gepreßt. Die gepreßten Kuchen werden in Stückchen geſchnitten und an der Luft getrocknet, und bilden dann den fertigen Indigo, wie er im Handel erſcheint. Das Haupt- produktionsland des Indigos iſt Oſtindien, das ihm ja auch den Namen gegeben hat. Namentlich Bengalen liefert ein durch ſeine Güte ausgezeichnetes Produkt, weshalb man die feinſten Indigoſorten als Bengalindigo bezeichnet. Außer auf dem indiſchen Feſtland wird be- ſonders auf Java guter Indigo gewonnen, ferner baut man ihn auch auf den Philippinen, am Senegal, in Guatemala und Venezuela, ſo- wie in verſchiedenen anderen Ländern. In Mexiko wurde der Indigo ſchon vor der Entdeckung des Landes durch die Spanier von den Azteken kultiviert und verwendet. Der in den Handel kommende In- digo bildet dunkelblaue Stücke, welche auf den Bruchflächen, beſonders beim Reiben, mehr oder weniger Kupferglanz zeigen. Je höheren Glanz der Indigo entwickelt, um ſo beſſer iſt er. Er verdampft beim Erhitzen auf 250—300°C. und ſetzt ſich an kalten Flächen in Form kleiner blauer Kryſtällchen ab, welche aus chemiſch reinem Indigo be- ſtehen. Die Handelsware iſt nämlich nichts weniger als ein reines Produkt. Abgeſehen von äußerlichen Beimengungen, enthält ſie noch verſchiedene andere Körper, die bei der Bereitung des Indigos neben dieſem entſtehen; dazu gehört ein zweiter purpurner Farbſtoff, das Indigorot, ferner eiweißartige (Indigleim) und humusartige (Indig- braun) Verbindungen. Alle dieſe verkohlen beim Erhitzen, während allein das Indigblau (Indigotin) ſich verflüchtigen läßt. Das Indig-
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Die Farben und das Färben.
2. Die pflanzlichen Farbſtoffe.
Weit ergiebiger als in der Tierwelt iſt die Farbenausbeute in der
Pflanzenwelt, aus der wir an hervorragenden Vertretern den Indigo,
den Krapp, die verſchiedenen Farbhölzer (Blau-, Rot-, Gelbholz), die
Flechtenfarbſtoffe (Orſeille) nennen wollen.
Die Nachrichten über den Indigo reichen bis ins Altertum zurück.
Er wird von Plinius und Dioskorides unter dem Namen Indicum
beſchrieben, während er bei arabiſchen Schriftſtellern den Namen „Nil“
(hindoſtaniſch = blau) führt. Man ſchätzte ihn als Farbe ſehr hoch
und ſtellte ihn gleich hinter den Purpur. Der Indigo kommt in der
Natur nicht fertig gebildet vor. Eine Anzahl von Pflanzengattungen,
obenan die Indigofera-Arten, dann aber Iſatis (Waid) und Poly-
gonum enthalten in den Blättern einen in Waſſer löslichen Körper,
der den Indigo liefert. Zu dieſem Zwecke werden die abgeſchnittenen
Pflanzen mit Waſſer übergoſſen und die Miſchung ſich ſelbſt überlaſſen,
wobei ſie in Gährung gerät. Wenn die Gährung einige Zeit gedauert
hat, läßt man die Flüſſigkeit in große offene Ciſternen ab, wo man ſie
mit Schlaghölzern gründlich durcharbeitet, um ſie möglichſt mit der
Luft in Berührung zu bringen. Dabei ſcheidet ſich allmählich der
Indigo als blauer Schaum ab, wird ſchließlich auf einem Filter ge-
ſammelt, gewaſchen und gepreßt. Die gepreßten Kuchen werden in
Stückchen geſchnitten und an der Luft getrocknet, und bilden dann
den fertigen Indigo, wie er im Handel erſcheint. Das Haupt-
produktionsland des Indigos iſt Oſtindien, das ihm ja auch den
Namen gegeben hat. Namentlich Bengalen liefert ein durch ſeine Güte
ausgezeichnetes Produkt, weshalb man die feinſten Indigoſorten als
Bengalindigo bezeichnet. Außer auf dem indiſchen Feſtland wird be-
ſonders auf Java guter Indigo gewonnen, ferner baut man ihn auch
auf den Philippinen, am Senegal, in Guatemala und Venezuela, ſo-
wie in verſchiedenen anderen Ländern. In Mexiko wurde der Indigo
ſchon vor der Entdeckung des Landes durch die Spanier von den
Azteken kultiviert und verwendet. Der in den Handel kommende In-
digo bildet dunkelblaue Stücke, welche auf den Bruchflächen, beſonders
beim Reiben, mehr oder weniger Kupferglanz zeigen. Je höheren
Glanz der Indigo entwickelt, um ſo beſſer iſt er. Er verdampft beim
Erhitzen auf 250—300°C. und ſetzt ſich an kalten Flächen in Form
kleiner blauer Kryſtällchen ab, welche aus chemiſch reinem Indigo be-
ſtehen. Die Handelsware iſt nämlich nichts weniger als ein reines
Produkt. Abgeſehen von äußerlichen Beimengungen, enthält ſie noch
verſchiedene andere Körper, die bei der Bereitung des Indigos neben
dieſem entſtehen; dazu gehört ein zweiter purpurner Farbſtoff, das
Indigorot, ferner eiweißartige (Indigleim) und humusartige (Indig-
braun) Verbindungen. Alle dieſe verkohlen beim Erhitzen, während
allein das Indigblau (Indigotin) ſich verflüchtigen läßt. Das Indig-
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/418>, abgerufen am 22.11.2024.
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