wie sie bei der Baumwollspinnerei besprochen worden sind, doch fehlen bei ihnen die Streckwalzen, und sind diese durch ein einfaches Walzen- paar ersetzt. Das Ausziehen der Fäden erfolgt demnach nicht durch ein Streckwerk, sondern durch Stillsetzen des Walzenpaares, während der Spindelwagen noch weiter ausfährt. Watermaschinen, und zwar nach dem Prinzip der Ringspinnmaschinen, sind erst seit der Mitte der 60er Jahre in der Streichgarnspinnerei durch A. Vimont in Vine (Calvados) versucht worden und haben sich seit Anfang der 70er Jahre durch die Konstruktion von C. Martin in Verviers mehr und mehr eingeführt. Teppichgarne und Deckengarne spinnt man auch wohl gleich auf der Continue fertig und ist die verbreitetste hierher gehörige Continue mit Spinnapparat die von O. Schimmel in Chemnitz.
Die Kunstwolle, also die aus wollenen und halbwollenen Lumpen und Garnabfällen wiedergewonnene Wolle ist, obgleich minderwertig, von hoher Bedeutung in der Wollindustrie geworden. Die Er- zeugnisse aus ihr sind ungleich billiger, als aus guter Schurwolle, und das Aussehen der Ware wird kaum beeinträchtigt, wohl aber die Haltbarkeit, doch spielt letztere bei der heutigen schnell wechselnden Mode eine untergeordnetere Rolle als in früheren Zeiten, insbesondere, wenn es sich um Damenstoffe handelt. Die Fabrikation der Kunstwolle hat man seit ca. 50 Jahren erfunden. Man unterscheidet Schoddy, Mungo und Extraktwolle, je nachdem zur Gewinnung Lumpen aus Kammgarnstoffen, gestrickten und gewirkten Waren oder aber aus streichwollenen Tuchen oder endlich aus halbwollenen Geweben benutzt wurden. Bei Shoddy und Mungo brauchen die Lumpen nur auf dem Lumpenwolfe von ihnen anhaftenden Unreinigkeiten entstäubt und zer- kleinert, und allenfalls ausgewaschen zu werden. Dann werden die erhaltenen Fadenstücke durch Kratzen in Haare aufgelöst und weiter verarbeitet, wie die Streichwolle. Dagegen hat bei der Extraktwolle vor der Zerfaserung noch der bereits früher beschriebene Karbonisations- prozeß zu erfolgen, durch welchen unter Anwendung von Säuren die vegetabilischen Fasern, Baumwolle oder Leinen, zerstört werden.
Während bei der Streichgarnspinnerei die Hauptvorbereitungs- arbeit das Kratzen oder Krempeln bildet, ist diejenige der Kammgarn- spinnerei das Kämmen. Eine scharfe Grenze läßt sich zwischen beiden Wollen nicht ziehen. Die australischen und die Buenos-Ayres-Wollen liefern das beste Material. Cheviotkammwollen, von australischen Croßbred-Schafen herrührend, auch von England als Lüstrewollen von dort gezüchteten Schafen kommend, dienen gleichfalls als vorzügliches Material für Kammgarne. Die Kammwolle muß gehörig sortiert werden und zwar hauptsächlich in Bezug auf ihre Länge und den Grad ihrer Schlichtheit, selbstredend auch auf denjenigen ihrer Feinheit, doch ist letzteres nicht so wichtig, als bei der Streichwolle, welche möglichst in Partieen von gleicher Feinheit zusammenzustellen ist. Zu- nächst ist die sortierte Kammwolle zu reinigen und aufzulockern, was
Die Wollſpinnerei.
wie ſie bei der Baumwollſpinnerei beſprochen worden ſind, doch fehlen bei ihnen die Streckwalzen, und ſind dieſe durch ein einfaches Walzen- paar erſetzt. Das Ausziehen der Fäden erfolgt demnach nicht durch ein Streckwerk, ſondern durch Stillſetzen des Walzenpaares, während der Spindelwagen noch weiter ausfährt. Watermaſchinen, und zwar nach dem Prinzip der Ringſpinnmaſchinen, ſind erſt ſeit der Mitte der 60er Jahre in der Streichgarnſpinnerei durch A. Vimont in Vine (Calvados) verſucht worden und haben ſich ſeit Anfang der 70er Jahre durch die Konſtruktion von C. Martin in Verviers mehr und mehr eingeführt. Teppichgarne und Deckengarne ſpinnt man auch wohl gleich auf der Continue fertig und iſt die verbreitetſte hierher gehörige Continue mit Spinnapparat die von O. Schimmel in Chemnitz.
Die Kunſtwolle, alſo die aus wollenen und halbwollenen Lumpen und Garnabfällen wiedergewonnene Wolle iſt, obgleich minderwertig, von hoher Bedeutung in der Wollinduſtrie geworden. Die Er- zeugniſſe aus ihr ſind ungleich billiger, als aus guter Schurwolle, und das Ausſehen der Ware wird kaum beeinträchtigt, wohl aber die Haltbarkeit, doch ſpielt letztere bei der heutigen ſchnell wechſelnden Mode eine untergeordnetere Rolle als in früheren Zeiten, insbeſondere, wenn es ſich um Damenſtoffe handelt. Die Fabrikation der Kunſtwolle hat man ſeit ca. 50 Jahren erfunden. Man unterſcheidet Schoddy, Mungo und Extraktwolle, je nachdem zur Gewinnung Lumpen aus Kammgarnſtoffen, geſtrickten und gewirkten Waren oder aber aus ſtreichwollenen Tuchen oder endlich aus halbwollenen Geweben benutzt wurden. Bei Shoddy und Mungo brauchen die Lumpen nur auf dem Lumpenwolfe von ihnen anhaftenden Unreinigkeiten entſtäubt und zer- kleinert, und allenfalls ausgewaſchen zu werden. Dann werden die erhaltenen Fadenſtücke durch Kratzen in Haare aufgelöſt und weiter verarbeitet, wie die Streichwolle. Dagegen hat bei der Extraktwolle vor der Zerfaſerung noch der bereits früher beſchriebene Karboniſations- prozeß zu erfolgen, durch welchen unter Anwendung von Säuren die vegetabiliſchen Faſern, Baumwolle oder Leinen, zerſtört werden.
Während bei der Streichgarnſpinnerei die Hauptvorbereitungs- arbeit das Kratzen oder Krempeln bildet, iſt diejenige der Kammgarn- ſpinnerei das Kämmen. Eine ſcharfe Grenze läßt ſich zwiſchen beiden Wollen nicht ziehen. Die auſtraliſchen und die Buenos-Ayres-Wollen liefern das beſte Material. Cheviotkammwollen, von auſtraliſchen Croßbred-Schafen herrührend, auch von England als Lüſtrewollen von dort gezüchteten Schafen kommend, dienen gleichfalls als vorzügliches Material für Kammgarne. Die Kammwolle muß gehörig ſortiert werden und zwar hauptſächlich in Bezug auf ihre Länge und den Grad ihrer Schlichtheit, ſelbſtredend auch auf denjenigen ihrer Feinheit, doch iſt letzteres nicht ſo wichtig, als bei der Streichwolle, welche möglichſt in Partieen von gleicher Feinheit zuſammenzuſtellen iſt. Zu- nächſt iſt die ſortierte Kammwolle zu reinigen und aufzulockern, was
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0379"n="361"/><fwplace="top"type="header">Die Wollſpinnerei.</fw><lb/>
wie ſie bei der Baumwollſpinnerei beſprochen worden ſind, doch fehlen<lb/>
bei ihnen die Streckwalzen, und ſind dieſe durch ein einfaches Walzen-<lb/>
paar erſetzt. Das Ausziehen der Fäden erfolgt demnach nicht durch<lb/>
ein Streckwerk, ſondern durch Stillſetzen des Walzenpaares, während<lb/>
der Spindelwagen noch weiter ausfährt. Watermaſchinen, und zwar<lb/>
nach dem Prinzip der Ringſpinnmaſchinen, ſind erſt ſeit der Mitte der<lb/>
60er Jahre in der Streichgarnſpinnerei durch A. Vimont in Vine<lb/>
(Calvados) verſucht worden und haben ſich ſeit Anfang der 70er Jahre<lb/>
durch die Konſtruktion von C. Martin in Verviers mehr und mehr<lb/>
eingeführt. Teppichgarne und Deckengarne ſpinnt man auch wohl<lb/>
gleich auf der Continue fertig und iſt die verbreitetſte hierher gehörige<lb/>
Continue mit Spinnapparat die von O. Schimmel in Chemnitz.</p><lb/><p>Die Kunſtwolle, alſo die aus wollenen und halbwollenen Lumpen<lb/>
und Garnabfällen wiedergewonnene Wolle iſt, obgleich minderwertig,<lb/>
von hoher Bedeutung in der Wollinduſtrie geworden. Die Er-<lb/>
zeugniſſe aus ihr ſind ungleich billiger, als aus guter Schurwolle, und<lb/>
das Ausſehen der Ware wird kaum beeinträchtigt, wohl aber die<lb/>
Haltbarkeit, doch ſpielt letztere bei der heutigen ſchnell wechſelnden<lb/>
Mode eine untergeordnetere Rolle als in früheren Zeiten, insbeſondere,<lb/>
wenn es ſich um Damenſtoffe handelt. Die Fabrikation der Kunſtwolle<lb/>
hat man ſeit ca. 50 Jahren erfunden. Man unterſcheidet Schoddy,<lb/>
Mungo und Extraktwolle, je nachdem zur Gewinnung Lumpen aus<lb/>
Kammgarnſtoffen, geſtrickten und gewirkten Waren oder aber aus<lb/>ſtreichwollenen Tuchen oder endlich aus halbwollenen Geweben benutzt<lb/>
wurden. Bei Shoddy und Mungo brauchen die Lumpen nur auf dem<lb/>
Lumpenwolfe von ihnen anhaftenden Unreinigkeiten entſtäubt und zer-<lb/>
kleinert, und allenfalls ausgewaſchen zu werden. Dann werden die<lb/>
erhaltenen Fadenſtücke durch Kratzen in Haare aufgelöſt und weiter<lb/>
verarbeitet, wie die Streichwolle. Dagegen hat bei der Extraktwolle<lb/>
vor der Zerfaſerung noch der bereits früher beſchriebene Karboniſations-<lb/>
prozeß zu erfolgen, durch welchen unter Anwendung von Säuren die<lb/>
vegetabiliſchen Faſern, Baumwolle oder Leinen, zerſtört werden.</p><lb/><p>Während bei der Streichgarnſpinnerei die Hauptvorbereitungs-<lb/>
arbeit das Kratzen oder Krempeln bildet, iſt diejenige der Kammgarn-<lb/>ſpinnerei das Kämmen. Eine ſcharfe Grenze läßt ſich zwiſchen beiden<lb/>
Wollen nicht ziehen. Die auſtraliſchen und die Buenos-Ayres-Wollen<lb/>
liefern das beſte Material. Cheviotkammwollen, von auſtraliſchen<lb/>
Croßbred-Schafen herrührend, auch von England als Lüſtrewollen von<lb/>
dort gezüchteten Schafen kommend, dienen gleichfalls als vorzügliches<lb/>
Material für Kammgarne. Die Kammwolle muß gehörig ſortiert<lb/>
werden und zwar hauptſächlich in Bezug auf ihre Länge und den<lb/>
Grad ihrer Schlichtheit, ſelbſtredend auch auf denjenigen ihrer Feinheit,<lb/>
doch iſt letzteres nicht ſo wichtig, als bei der Streichwolle, welche<lb/>
möglichſt in Partieen von gleicher Feinheit zuſammenzuſtellen iſt. Zu-<lb/>
nächſt iſt die ſortierte Kammwolle zu reinigen und aufzulockern, was<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[361/0379]
Die Wollſpinnerei.
wie ſie bei der Baumwollſpinnerei beſprochen worden ſind, doch fehlen
bei ihnen die Streckwalzen, und ſind dieſe durch ein einfaches Walzen-
paar erſetzt. Das Ausziehen der Fäden erfolgt demnach nicht durch
ein Streckwerk, ſondern durch Stillſetzen des Walzenpaares, während
der Spindelwagen noch weiter ausfährt. Watermaſchinen, und zwar
nach dem Prinzip der Ringſpinnmaſchinen, ſind erſt ſeit der Mitte der
60er Jahre in der Streichgarnſpinnerei durch A. Vimont in Vine
(Calvados) verſucht worden und haben ſich ſeit Anfang der 70er Jahre
durch die Konſtruktion von C. Martin in Verviers mehr und mehr
eingeführt. Teppichgarne und Deckengarne ſpinnt man auch wohl
gleich auf der Continue fertig und iſt die verbreitetſte hierher gehörige
Continue mit Spinnapparat die von O. Schimmel in Chemnitz.
Die Kunſtwolle, alſo die aus wollenen und halbwollenen Lumpen
und Garnabfällen wiedergewonnene Wolle iſt, obgleich minderwertig,
von hoher Bedeutung in der Wollinduſtrie geworden. Die Er-
zeugniſſe aus ihr ſind ungleich billiger, als aus guter Schurwolle, und
das Ausſehen der Ware wird kaum beeinträchtigt, wohl aber die
Haltbarkeit, doch ſpielt letztere bei der heutigen ſchnell wechſelnden
Mode eine untergeordnetere Rolle als in früheren Zeiten, insbeſondere,
wenn es ſich um Damenſtoffe handelt. Die Fabrikation der Kunſtwolle
hat man ſeit ca. 50 Jahren erfunden. Man unterſcheidet Schoddy,
Mungo und Extraktwolle, je nachdem zur Gewinnung Lumpen aus
Kammgarnſtoffen, geſtrickten und gewirkten Waren oder aber aus
ſtreichwollenen Tuchen oder endlich aus halbwollenen Geweben benutzt
wurden. Bei Shoddy und Mungo brauchen die Lumpen nur auf dem
Lumpenwolfe von ihnen anhaftenden Unreinigkeiten entſtäubt und zer-
kleinert, und allenfalls ausgewaſchen zu werden. Dann werden die
erhaltenen Fadenſtücke durch Kratzen in Haare aufgelöſt und weiter
verarbeitet, wie die Streichwolle. Dagegen hat bei der Extraktwolle
vor der Zerfaſerung noch der bereits früher beſchriebene Karboniſations-
prozeß zu erfolgen, durch welchen unter Anwendung von Säuren die
vegetabiliſchen Faſern, Baumwolle oder Leinen, zerſtört werden.
Während bei der Streichgarnſpinnerei die Hauptvorbereitungs-
arbeit das Kratzen oder Krempeln bildet, iſt diejenige der Kammgarn-
ſpinnerei das Kämmen. Eine ſcharfe Grenze läßt ſich zwiſchen beiden
Wollen nicht ziehen. Die auſtraliſchen und die Buenos-Ayres-Wollen
liefern das beſte Material. Cheviotkammwollen, von auſtraliſchen
Croßbred-Schafen herrührend, auch von England als Lüſtrewollen von
dort gezüchteten Schafen kommend, dienen gleichfalls als vorzügliches
Material für Kammgarne. Die Kammwolle muß gehörig ſortiert
werden und zwar hauptſächlich in Bezug auf ihre Länge und den
Grad ihrer Schlichtheit, ſelbſtredend auch auf denjenigen ihrer Feinheit,
doch iſt letzteres nicht ſo wichtig, als bei der Streichwolle, welche
möglichſt in Partieen von gleicher Feinheit zuſammenzuſtellen iſt. Zu-
nächſt iſt die ſortierte Kammwolle zu reinigen und aufzulockern, was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/379>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.