Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.Die Textil-Industrie. der Spindel aufzuwickeln, während bei dem Handrad, wie bei derSpindel beides in Absätzen zu geschehen hatte. Für geschickte Arbeiter wurden Doppelspinnräder gebaut, welche zwei Spindeln besaßen und die gleichzeitige Herstellung zweier Fäden erlaubten, von denen jede Hand des Spinners einen auszuziehen und zu führen hatte. Bis zum Jahre 1760 sind diese Methoden des Spinnens beibehalten worden, denn wenn auch bereits 1733 John Wyatt als der Erfinder der ersten Spinnmaschine genannt wird, so ist dieselbe höchstens von ihm für seinen eigenen Bedarf benutzt worden. Richard Arkwright zu Notting- ham brachte 1769 eine Spinnmaschine in einer für damalige Verhältnisse leistungsfähigen Konstruktion in die Öffentlichkeit. Sie wurde zunächst durch Pferde, späterhin aber durch Wasserkraft betrieben, und ihr daher der Name Watermaschine beigelegt; die gleichwertige Bezeichnung Drosselmaschine führte sich erst später für die durch Dampf betriebenen und vervoll- kommneteren Spinnmaschinen derselben Art ein. Auf der Watermaschine wird, wie beim Trittrad kontinuierlich gesponnen und aufgewickelt; auf der um dieselbe Zeit 1763 von James Hargreaves zu Standhill bei Blackburn erfundenen Jenny-Maschine dagegen wurden beide Arbeiten in Absätzen ausgeführt, also so wie beim Handrad. Der Name Jenny- Maschine rührt von der Tochter des Erfinders her, welcher zu Ehren der Name gewählt wurde, und für deren Gebrauch zuvörderst die Maschine bestimmt war. Beide Systeme vereinigte Samuel Crompton 1774 in seiner Mulemaschine, welche gleichsam als ein Bastard (Mule d. h. Maul- esel) anzusehen ist. Es ist klar, daß sowohl die Watermaschine als auch die Mulemaschine, die beiden heute bestehenden Systeme, im Laufe der Jahre eine Menge von Umformungen und Verbesserungen erfahren haben, welche neben der Aufnahme des Dampfes als Betriebskraft -- um das Jahr 1785 herum -- dazu verholfen haben, die gesamte Spinnerei auf ihre heutige Höhe zu bringen. Denn wenn auch zuerst die Erfindung der Spinnmaschinen der Verarbeitung der Baumwolle galt, so gelangte man doch bald dazu, diese Maschinen auch für die übrigen Materialien nutzbar zu machen. Die Einführung der Spinn- maschinen verlangte aber auch eine systematische, maschinelle Vorbereitung des Spinnmaterials in der eingangs berührten Weise, und so entstanden denn sehr bald die Maschinen für die Vorarbeiten und wurden stellen- weise zu einem kaum mehr überschreitbaren Grade vervollkommnet. Die Baumwollspinnerei. Da der Inhalt verschiedener Ballen von Baumwolle fast durchweg Die Textil-Induſtrie. der Spindel aufzuwickeln, während bei dem Handrad, wie bei derSpindel beides in Abſätzen zu geſchehen hatte. Für geſchickte Arbeiter wurden Doppelſpinnräder gebaut, welche zwei Spindeln beſaßen und die gleichzeitige Herſtellung zweier Fäden erlaubten, von denen jede Hand des Spinners einen auszuziehen und zu führen hatte. Bis zum Jahre 1760 ſind dieſe Methoden des Spinnens beibehalten worden, denn wenn auch bereits 1733 John Wyatt als der Erfinder der erſten Spinnmaſchine genannt wird, ſo iſt dieſelbe höchſtens von ihm für ſeinen eigenen Bedarf benutzt worden. Richard Arkwright zu Notting- ham brachte 1769 eine Spinnmaſchine in einer für damalige Verhältniſſe leiſtungsfähigen Konſtruktion in die Öffentlichkeit. Sie wurde zunächſt durch Pferde, ſpäterhin aber durch Waſſerkraft betrieben, und ihr daher der Name Watermaſchine beigelegt; die gleichwertige Bezeichnung Droſſelmaſchine führte ſich erſt ſpäter für die durch Dampf betriebenen und vervoll- kommneteren Spinnmaſchinen derſelben Art ein. Auf der Watermaſchine wird, wie beim Trittrad kontinuierlich geſponnen und aufgewickelt; auf der um dieſelbe Zeit 1763 von James Hargreaves zu Standhill bei Blackburn erfundenen Jenny-Maſchine dagegen wurden beide Arbeiten in Abſätzen ausgeführt, alſo ſo wie beim Handrad. Der Name Jenny- Maſchine rührt von der Tochter des Erfinders her, welcher zu Ehren der Name gewählt wurde, und für deren Gebrauch zuvörderſt die Maſchine beſtimmt war. Beide Syſteme vereinigte Samuel Crompton 1774 in ſeiner Mulemaſchine, welche gleichſam als ein Baſtard (Mule d. h. Maul- eſel) anzuſehen iſt. Es iſt klar, daß ſowohl die Watermaſchine als auch die Mulemaſchine, die beiden heute beſtehenden Syſteme, im Laufe der Jahre eine Menge von Umformungen und Verbeſſerungen erfahren haben, welche neben der Aufnahme des Dampfes als Betriebskraft — um das Jahr 1785 herum — dazu verholfen haben, die geſamte Spinnerei auf ihre heutige Höhe zu bringen. Denn wenn auch zuerſt die Erfindung der Spinnmaſchinen der Verarbeitung der Baumwolle galt, ſo gelangte man doch bald dazu, dieſe Maſchinen auch für die übrigen Materialien nutzbar zu machen. Die Einführung der Spinn- maſchinen verlangte aber auch eine ſyſtematiſche, maſchinelle Vorbereitung des Spinnmaterials in der eingangs berührten Weiſe, und ſo entſtanden denn ſehr bald die Maſchinen für die Vorarbeiten und wurden ſtellen- weiſe zu einem kaum mehr überſchreitbaren Grade vervollkommnet. Die Baumwollſpinnerei. 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Die Textil-Induſtrie.
der Spindel aufzuwickeln, während bei dem Handrad, wie bei der
Spindel beides in Abſätzen zu geſchehen hatte. Für geſchickte Arbeiter
wurden Doppelſpinnräder gebaut, welche zwei Spindeln beſaßen und
die gleichzeitige Herſtellung zweier Fäden erlaubten, von denen jede
Hand des Spinners einen auszuziehen und zu führen hatte. Bis zum
Jahre 1760 ſind dieſe Methoden des Spinnens beibehalten worden,
denn wenn auch bereits 1733 John Wyatt als der Erfinder der erſten
Spinnmaſchine genannt wird, ſo iſt dieſelbe höchſtens von ihm für
ſeinen eigenen Bedarf benutzt worden. Richard Arkwright zu Notting-
ham brachte 1769 eine Spinnmaſchine in einer für damalige Verhältniſſe
leiſtungsfähigen Konſtruktion in die Öffentlichkeit. Sie wurde zunächſt durch
Pferde, ſpäterhin aber durch Waſſerkraft betrieben, und ihr daher der Name
Watermaſchine beigelegt; die gleichwertige Bezeichnung Droſſelmaſchine
führte ſich erſt ſpäter für die durch Dampf betriebenen und vervoll-
kommneteren Spinnmaſchinen derſelben Art ein. Auf der Watermaſchine
wird, wie beim Trittrad kontinuierlich geſponnen und aufgewickelt; auf
der um dieſelbe Zeit 1763 von James Hargreaves zu Standhill bei
Blackburn erfundenen Jenny-Maſchine dagegen wurden beide Arbeiten
in Abſätzen ausgeführt, alſo ſo wie beim Handrad. Der Name Jenny-
Maſchine rührt von der Tochter des Erfinders her, welcher zu Ehren
der Name gewählt wurde, und für deren Gebrauch zuvörderſt die Maſchine
beſtimmt war. Beide Syſteme vereinigte Samuel Crompton 1774 in ſeiner
Mulemaſchine, welche gleichſam als ein Baſtard (Mule d. h. Maul-
eſel) anzuſehen iſt. Es iſt klar, daß ſowohl die Watermaſchine als auch
die Mulemaſchine, die beiden heute beſtehenden Syſteme, im Laufe der
Jahre eine Menge von Umformungen und Verbeſſerungen erfahren
haben, welche neben der Aufnahme des Dampfes als Betriebskraft —
um das Jahr 1785 herum — dazu verholfen haben, die geſamte
Spinnerei auf ihre heutige Höhe zu bringen. Denn wenn auch zuerſt
die Erfindung der Spinnmaſchinen der Verarbeitung der Baumwolle
galt, ſo gelangte man doch bald dazu, dieſe Maſchinen auch für die
übrigen Materialien nutzbar zu machen. Die Einführung der Spinn-
maſchinen verlangte aber auch eine ſyſtematiſche, maſchinelle Vorbereitung
des Spinnmaterials in der eingangs berührten Weiſe, und ſo entſtanden
denn ſehr bald die Maſchinen für die Vorarbeiten und wurden ſtellen-
weiſe zu einem kaum mehr überſchreitbaren Grade vervollkommnet.
Die Baumwollſpinnerei.
Da der Inhalt verſchiedener Ballen von Baumwolle faſt durchweg
ungleichförmig iſt, ſo muß zwecks Ausgleichung dieſer Ungleichförmig-
keiten ein Miſchen ſtattfinden. Dasſelbe hat auch zu geſchehen, wenn
verſchiedene Sorten mit einander verarbeitet werden ſollen. Man bricht
die Baumwolle aus den geöffneten Ballen mit den Händen oberflächlich
auseinander und ſchichtet ſie in einem trocknen Raum auf, um ſie
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