Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die elektrischen Erfindungen.
die von der Unterlage p durch ein Stückchen Hartgummi isoliert ist.
So lange der Hebel so liegt, wie in der Figur, ist also der Strom
der Lokalbatterie zwischen c und t geöffnet, geht aber durch den Linien-
strom der Anker a nach unten und der Arm b c nach links, so ist der
Lokalstrom im Schreibapparate wirksam. Wegen der Kürze seines
Schließungsbogens ist dieser Strom kräftig genug, um den Schreibhebel
zur Arbeit zu bringen. Der Telegraphist, welcher in der Aufgabestation
den Schlüssel niederdrückt, sendet damit den Strom seiner Linienbatterie
durch die Umwickelungen der beiden Relais, wodurch er den Strom
jeder der beiden Lokalbatterien schließt und bewirkt, daß die Anker beider
Schreibapparate angezogen werden. Auf nicht zu große Entfernungen
hin läßt sich freilich die Hülfe der Relais ganz entbehren, wenigstens
bei Anwendung des weniger Kraft erfordernden Farbeschreibers.

Morses Apparat, zuerst in Amerika angewendet, kam bald
auch in England und später auf dem europäischen Kontinente in
Aufnahme. 1883 gab es in England 1330, auf dem Kontinente
40000 Morse-Apparate. Der Fortschritt, den das gesamte Verkehrs-
wesen dieser einfachen Anwendung der Elektrizität verdankt, ist ein
ungeheurer, sie zeugte andererseits eine Fülle neuer Fortschritte auch im
Charakter der Apparate, in ihrer Art zu arbeiten und in der Leistungs-
fähigkeit des Beamtenkörpers. Sorgfältige Beachtung aller Einzelheiten,
tüchtiges und fleißiges Arbeiten und eine strenge Kontrole haben dem
elektrischen Telegraphen einen Charakter aufgeprägt, der ihn mit jedem
anderen Werkzeug in der Welt den Kampf aufnehmen läßt. Die fernere
Entwickelung der Telegraphie ist ein ausgezeichnetes Beispiel davon,
daß in der Wissenschaft, wie in der Natur, alles wächst mit der Pflege,
die ihm zukommt, alles Bestehende zu Grunde geht und nur dasjenige,
was am meisten allen Bedürfnissen angepaßt ist, erhalten bleibt. Man
hat verschiedene Arten zu telegraphieren eingeführt, aber von allen
Maschinen ist es eine, die in Europa sich am meisten eingeführt hat
und der in Plan und Ausarbeitung keine gleichkommt, nämlich der
prächtige Typendrucktelegraph, den Professor Hughes in Amerika 1855
erfand, und der sich in den sechziger Jahren auch in Deutschland ein-
führte. Er wird ausschließlich verwendet von der submarinen Gesell-
schaft zwischen England und dem europäischen Festlande und ist neben
dem Morse-Apparate das in der internationalen Telegraphie über ganz
Europa verwendete Instrument. Es arbeitet direkt zwischen Paris und
Konstantinopel. Aber wegen seiner Teuerkeit und der schwierigen Be-
dienung ist es nur an größeren Plätzen in Gebrauch. Es besteht aus
einer Klaviatur als Aufgabe-Apparat und einem Rade mit Buchstaben-
typen an seinem Umfange als Empfangsapparat. Wird dort eine
Taste angeschlagen, so dreht sie hier das Rad soweit, bis der gewünschte
Buchstabe unten zu stehen kommt und der abrollende Papierstreifen sich
an die geschwärzte Letter anlegt. Man erhält dann die Depesche in
lateinischen Typen gedruckt.

Die elektriſchen Erfindungen.
die von der Unterlage p durch ein Stückchen Hartgummi iſoliert iſt.
So lange der Hebel ſo liegt, wie in der Figur, iſt alſo der Strom
der Lokalbatterie zwiſchen c und t geöffnet, geht aber durch den Linien-
ſtrom der Anker a nach unten und der Arm b c nach links, ſo iſt der
Lokalſtrom im Schreibapparate wirkſam. Wegen der Kürze ſeines
Schließungsbogens iſt dieſer Strom kräftig genug, um den Schreibhebel
zur Arbeit zu bringen. Der Telegraphiſt, welcher in der Aufgabeſtation
den Schlüſſel niederdrückt, ſendet damit den Strom ſeiner Linienbatterie
durch die Umwickelungen der beiden Relais, wodurch er den Strom
jeder der beiden Lokalbatterien ſchließt und bewirkt, daß die Anker beider
Schreibapparate angezogen werden. Auf nicht zu große Entfernungen
hin läßt ſich freilich die Hülfe der Relais ganz entbehren, wenigſtens
bei Anwendung des weniger Kraft erfordernden Farbeſchreibers.

Morſes Apparat, zuerſt in Amerika angewendet, kam bald
auch in England und ſpäter auf dem europäiſchen Kontinente in
Aufnahme. 1883 gab es in England 1330, auf dem Kontinente
40000 Morſe-Apparate. Der Fortſchritt, den das geſamte Verkehrs-
weſen dieſer einfachen Anwendung der Elektrizität verdankt, iſt ein
ungeheurer, ſie zeugte andererſeits eine Fülle neuer Fortſchritte auch im
Charakter der Apparate, in ihrer Art zu arbeiten und in der Leiſtungs-
fähigkeit des Beamtenkörpers. Sorgfältige Beachtung aller Einzelheiten,
tüchtiges und fleißiges Arbeiten und eine ſtrenge Kontrole haben dem
elektriſchen Telegraphen einen Charakter aufgeprägt, der ihn mit jedem
anderen Werkzeug in der Welt den Kampf aufnehmen läßt. Die fernere
Entwickelung der Telegraphie iſt ein ausgezeichnetes Beiſpiel davon,
daß in der Wiſſenſchaft, wie in der Natur, alles wächſt mit der Pflege,
die ihm zukommt, alles Beſtehende zu Grunde geht und nur dasjenige,
was am meiſten allen Bedürfniſſen angepaßt iſt, erhalten bleibt. Man
hat verſchiedene Arten zu telegraphieren eingeführt, aber von allen
Maſchinen iſt es eine, die in Europa ſich am meiſten eingeführt hat
und der in Plan und Ausarbeitung keine gleichkommt, nämlich der
prächtige Typendrucktelegraph, den Profeſſor Hughes in Amerika 1855
erfand, und der ſich in den ſechziger Jahren auch in Deutſchland ein-
führte. Er wird ausſchließlich verwendet von der ſubmarinen Geſell-
ſchaft zwiſchen England und dem europäiſchen Feſtlande und iſt neben
dem Morſe-Apparate das in der internationalen Telegraphie über ganz
Europa verwendete Inſtrument. Es arbeitet direkt zwiſchen Paris und
Konſtantinopel. Aber wegen ſeiner Teuerkeit und der ſchwierigen Be-
dienung iſt es nur an größeren Plätzen in Gebrauch. Es beſteht aus
einer Klaviatur als Aufgabe-Apparat und einem Rade mit Buchſtaben-
typen an ſeinem Umfange als Empfangsapparat. Wird dort eine
Taſte angeſchlagen, ſo dreht ſie hier das Rad ſoweit, bis der gewünſchte
Buchſtabe unten zu ſtehen kommt und der abrollende Papierſtreifen ſich
an die geſchwärzte Letter anlegt. Man erhält dann die Depeſche in
lateiniſchen Typen gedruckt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0268" n="250"/><fw place="top" type="header">Die elektri&#x017F;chen Erfindungen.</fw><lb/>
die von der Unterlage <hi rendition="#aq">p</hi> durch ein Stückchen Hartgummi i&#x017F;oliert i&#x017F;t.<lb/>
So lange der Hebel &#x017F;o liegt, wie in der Figur, i&#x017F;t al&#x017F;o der Strom<lb/>
der Lokalbatterie zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">c</hi> und <hi rendition="#aq">t</hi> geöffnet, geht aber durch den Linien-<lb/>
&#x017F;trom der Anker <hi rendition="#aq">a</hi> nach unten und der Arm <hi rendition="#aq">b c</hi> nach links, &#x017F;o i&#x017F;t der<lb/>
Lokal&#x017F;trom im Schreibapparate wirk&#x017F;am. Wegen der Kürze &#x017F;eines<lb/>
Schließungsbogens i&#x017F;t die&#x017F;er Strom kräftig genug, um den Schreibhebel<lb/>
zur Arbeit zu bringen. Der Telegraphi&#x017F;t, welcher in der Aufgabe&#x017F;tation<lb/>
den Schlü&#x017F;&#x017F;el niederdrückt, &#x017F;endet damit den Strom &#x017F;einer Linienbatterie<lb/>
durch die Umwickelungen der beiden Relais, wodurch er den Strom<lb/>
jeder der beiden Lokalbatterien &#x017F;chließt und bewirkt, daß die Anker beider<lb/>
Schreibapparate angezogen werden. Auf nicht zu große Entfernungen<lb/>
hin läßt &#x017F;ich freilich die Hülfe der Relais ganz entbehren, wenig&#x017F;tens<lb/>
bei Anwendung des weniger Kraft erfordernden Farbe&#x017F;chreibers.</p><lb/>
              <p>Mor&#x017F;es Apparat, zuer&#x017F;t in Amerika angewendet, kam bald<lb/>
auch in England und &#x017F;päter auf dem europäi&#x017F;chen Kontinente in<lb/>
Aufnahme. 1883 gab es in England 1330, auf dem Kontinente<lb/>
40000 Mor&#x017F;e-Apparate. Der Fort&#x017F;chritt, den das ge&#x017F;amte Verkehrs-<lb/>
we&#x017F;en die&#x017F;er einfachen Anwendung der Elektrizität verdankt, i&#x017F;t ein<lb/>
ungeheurer, &#x017F;ie zeugte anderer&#x017F;eits eine Fülle neuer Fort&#x017F;chritte auch im<lb/>
Charakter der Apparate, in ihrer Art zu arbeiten und in der Lei&#x017F;tungs-<lb/>
fähigkeit des Beamtenkörpers. Sorgfältige Beachtung aller Einzelheiten,<lb/>
tüchtiges und fleißiges Arbeiten und eine &#x017F;trenge Kontrole haben dem<lb/>
elektri&#x017F;chen Telegraphen einen Charakter aufgeprägt, der ihn mit jedem<lb/>
anderen Werkzeug in der Welt den Kampf aufnehmen läßt. Die fernere<lb/>
Entwickelung der Telegraphie i&#x017F;t ein ausgezeichnetes Bei&#x017F;piel davon,<lb/>
daß in der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, wie in der Natur, alles wäch&#x017F;t mit der Pflege,<lb/>
die ihm zukommt, alles Be&#x017F;tehende zu Grunde geht und nur dasjenige,<lb/>
was am mei&#x017F;ten allen Bedürfni&#x017F;&#x017F;en angepaßt i&#x017F;t, erhalten bleibt. Man<lb/>
hat ver&#x017F;chiedene Arten zu telegraphieren eingeführt, aber von allen<lb/>
Ma&#x017F;chinen i&#x017F;t es eine, die in Europa &#x017F;ich am mei&#x017F;ten eingeführt hat<lb/>
und der in Plan und Ausarbeitung keine gleichkommt, nämlich der<lb/>
prächtige Typendrucktelegraph, den Profe&#x017F;&#x017F;or Hughes in Amerika 1855<lb/>
erfand, und der &#x017F;ich in den &#x017F;echziger Jahren auch in Deut&#x017F;chland ein-<lb/>
führte. Er wird aus&#x017F;chließlich verwendet von der &#x017F;ubmarinen Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen England und dem europäi&#x017F;chen Fe&#x017F;tlande und i&#x017F;t neben<lb/>
dem Mor&#x017F;e-Apparate das in der internationalen Telegraphie über ganz<lb/>
Europa verwendete In&#x017F;trument. Es arbeitet direkt zwi&#x017F;chen Paris und<lb/>
Kon&#x017F;tantinopel. Aber wegen &#x017F;einer Teuerkeit und der &#x017F;chwierigen Be-<lb/>
dienung i&#x017F;t es nur an größeren Plätzen in Gebrauch. Es be&#x017F;teht aus<lb/>
einer Klaviatur als Aufgabe-Apparat und einem Rade mit Buch&#x017F;taben-<lb/>
typen an &#x017F;einem Umfange als Empfangsapparat. Wird dort eine<lb/>
Ta&#x017F;te ange&#x017F;chlagen, &#x017F;o dreht &#x017F;ie hier das Rad &#x017F;oweit, bis der gewün&#x017F;chte<lb/>
Buch&#x017F;tabe unten zu &#x017F;tehen kommt und der abrollende Papier&#x017F;treifen &#x017F;ich<lb/>
an die ge&#x017F;chwärzte Letter anlegt. Man erhält dann die Depe&#x017F;che in<lb/>
lateini&#x017F;chen Typen gedruckt.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0268] Die elektriſchen Erfindungen. die von der Unterlage p durch ein Stückchen Hartgummi iſoliert iſt. So lange der Hebel ſo liegt, wie in der Figur, iſt alſo der Strom der Lokalbatterie zwiſchen c und t geöffnet, geht aber durch den Linien- ſtrom der Anker a nach unten und der Arm b c nach links, ſo iſt der Lokalſtrom im Schreibapparate wirkſam. Wegen der Kürze ſeines Schließungsbogens iſt dieſer Strom kräftig genug, um den Schreibhebel zur Arbeit zu bringen. Der Telegraphiſt, welcher in der Aufgabeſtation den Schlüſſel niederdrückt, ſendet damit den Strom ſeiner Linienbatterie durch die Umwickelungen der beiden Relais, wodurch er den Strom jeder der beiden Lokalbatterien ſchließt und bewirkt, daß die Anker beider Schreibapparate angezogen werden. Auf nicht zu große Entfernungen hin läßt ſich freilich die Hülfe der Relais ganz entbehren, wenigſtens bei Anwendung des weniger Kraft erfordernden Farbeſchreibers. Morſes Apparat, zuerſt in Amerika angewendet, kam bald auch in England und ſpäter auf dem europäiſchen Kontinente in Aufnahme. 1883 gab es in England 1330, auf dem Kontinente 40000 Morſe-Apparate. Der Fortſchritt, den das geſamte Verkehrs- weſen dieſer einfachen Anwendung der Elektrizität verdankt, iſt ein ungeheurer, ſie zeugte andererſeits eine Fülle neuer Fortſchritte auch im Charakter der Apparate, in ihrer Art zu arbeiten und in der Leiſtungs- fähigkeit des Beamtenkörpers. Sorgfältige Beachtung aller Einzelheiten, tüchtiges und fleißiges Arbeiten und eine ſtrenge Kontrole haben dem elektriſchen Telegraphen einen Charakter aufgeprägt, der ihn mit jedem anderen Werkzeug in der Welt den Kampf aufnehmen läßt. Die fernere Entwickelung der Telegraphie iſt ein ausgezeichnetes Beiſpiel davon, daß in der Wiſſenſchaft, wie in der Natur, alles wächſt mit der Pflege, die ihm zukommt, alles Beſtehende zu Grunde geht und nur dasjenige, was am meiſten allen Bedürfniſſen angepaßt iſt, erhalten bleibt. Man hat verſchiedene Arten zu telegraphieren eingeführt, aber von allen Maſchinen iſt es eine, die in Europa ſich am meiſten eingeführt hat und der in Plan und Ausarbeitung keine gleichkommt, nämlich der prächtige Typendrucktelegraph, den Profeſſor Hughes in Amerika 1855 erfand, und der ſich in den ſechziger Jahren auch in Deutſchland ein- führte. Er wird ausſchließlich verwendet von der ſubmarinen Geſell- ſchaft zwiſchen England und dem europäiſchen Feſtlande und iſt neben dem Morſe-Apparate das in der internationalen Telegraphie über ganz Europa verwendete Inſtrument. Es arbeitet direkt zwiſchen Paris und Konſtantinopel. Aber wegen ſeiner Teuerkeit und der ſchwierigen Be- dienung iſt es nur an größeren Plätzen in Gebrauch. Es beſteht aus einer Klaviatur als Aufgabe-Apparat und einem Rade mit Buchſtaben- typen an ſeinem Umfange als Empfangsapparat. Wird dort eine Taſte angeſchlagen, ſo dreht ſie hier das Rad ſoweit, bis der gewünſchte Buchſtabe unten zu ſtehen kommt und der abrollende Papierſtreifen ſich an die geſchwärzte Letter anlegt. Man erhält dann die Depeſche in lateiniſchen Typen gedruckt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/268
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/268>, abgerufen am 22.11.2024.