Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Telephon.

Ein Versuch, den Philipp Reis in Friedrichsdorf am Taunus
1862 anstellte, hätte in dieser Beziehung anregen können. Er übertrug
die Schwingungen auf eine tierische Haut und auf ein daran sitzendes
Metallblättchen. Fortwährend wurde durch dieses der Strom einer
Batterie unterbrochen und wieder geschlossen. An weit entfernter
Stelle war ein weicher Eisenkern, der innerhalb einer vom Strom
durchflossenen Spirale lag. Dieser geriet bei seinem schnell erfolgenden
Ummagnetisieren selbst ins Tönen und man konnte wohl Melodien,
aber nicht oder doch nur sehr unvollkommen menschliche Stimm-
laute übertragen. Hierauf ruhte die Sache, und es war um die
Zeit, als Edison an seinem Phonographen arbeitete, daß zugleich
Graham Bell, Professor der Physiologie in Boston den Gedanken,
eine schwingende Metallplatte zum Nachahmen der menschlichen
Stimme zu benutzen, verwirklichte. Ihre Übertragung in weite Ferne,
so sagte sich Bell weiter, war nur deshalb auf elektrischem Wege
bisher nicht gelungen, weil das fortwährende Öffnen und Schließen
eines Batteriestroms zu starke und plötzliche Stöße in dem Stromkreise
hervorbringt, wie sie die menschliche Stimme nicht aufweist. Um jenen
melodischen Klang unserer Sprachorgane zu erhalten, bedurfte es eines
Stromkreises, der sich während des Sprechens nicht öffnet und schließt,
sondern geschlossen bleibt und nur durch den gesprochenen Laut sich
ein wenig verstärkt oder schwächt. Diese -- sozusagen von Wellen
durchzogenen -- Ströme, so sagte er wörtlich, würden an Schnelligkeit
des Wechsels den Schwingungen der Metallplatte entsprechen müssen,
welche sie hervorbrachte, das Anwachsen der Stromstärke müßte der
Bewegung der Platte in der einen, ihre Abnahme derjenigen in der
anderen Richtung entsprechen, die Größe der Ab- und Zunahme müßte
der Stärke der Schwingungen oder vielmehr der Geschwindigkeit ent-
sprechen, mit welcher die Platte sich bewegt. Solche Ströme würden
am anderen Ende einem Empfangsapparate und durch diesen der Luft
eine bis ins Kleinste getreue Nachbildung derjenigen Luftbewegung
übermitteln, welche an der Aufgabestation auf die Platte gewirkt hatte,
und damit jene zum Gehör bringen. Diesen Gedankengang übersetzte
Bell in die That, indem er 1875 der Welt sein Telephon übergab.
Für die Erfindung desselben benutzte er die folgende Erscheinung.
Nähert man einem Stahlmagneten ein Stück Eisen, so wächst dessen
Kraft ein wenig an, bei der Entfernung des Eisens nimmt sie wieder
um eben soviel ab. Wenn nun den Magneten eine in sich geschlossene
Drahtspule umgiebt, so wird jede Vermehrung des Magnetismus
in dieser einen Strom induzieren und jede Verminderung desselben
einen solchen von der entgegengesetzten Richtung hervorbringen, ganz
wie wenn man einen Magneten der Spule nähert oder ihn entfernt.
Ersetzt man das große Eisenstück durch eine dünne Platte, welche bei
dem gesprochenen Wort erzittert, so werden ihre Schwingungen auch
noch solche Ströme hervorbringen, freilich sehr schwache nur, die aber

Das Telephon.

Ein Verſuch, den Philipp Reis in Friedrichsdorf am Taunus
1862 anſtellte, hätte in dieſer Beziehung anregen können. Er übertrug
die Schwingungen auf eine tieriſche Haut und auf ein daran ſitzendes
Metallblättchen. Fortwährend wurde durch dieſes der Strom einer
Batterie unterbrochen und wieder geſchloſſen. An weit entfernter
Stelle war ein weicher Eiſenkern, der innerhalb einer vom Strom
durchfloſſenen Spirale lag. Dieſer geriet bei ſeinem ſchnell erfolgenden
Ummagnetiſieren ſelbſt ins Tönen und man konnte wohl Melodien,
aber nicht oder doch nur ſehr unvollkommen menſchliche Stimm-
laute übertragen. Hierauf ruhte die Sache, und es war um die
Zeit, als Ediſon an ſeinem Phonographen arbeitete, daß zugleich
Graham Bell, Profeſſor der Phyſiologie in Boſton den Gedanken,
eine ſchwingende Metallplatte zum Nachahmen der menſchlichen
Stimme zu benutzen, verwirklichte. Ihre Übertragung in weite Ferne,
ſo ſagte ſich Bell weiter, war nur deshalb auf elektriſchem Wege
bisher nicht gelungen, weil das fortwährende Öffnen und Schließen
eines Batterieſtroms zu ſtarke und plötzliche Stöße in dem Stromkreiſe
hervorbringt, wie ſie die menſchliche Stimme nicht aufweiſt. Um jenen
melodiſchen Klang unſerer Sprachorgane zu erhalten, bedurfte es eines
Stromkreiſes, der ſich während des Sprechens nicht öffnet und ſchließt,
ſondern geſchloſſen bleibt und nur durch den geſprochenen Laut ſich
ein wenig verſtärkt oder ſchwächt. Dieſe — ſozuſagen von Wellen
durchzogenen — Ströme, ſo ſagte er wörtlich, würden an Schnelligkeit
des Wechſels den Schwingungen der Metallplatte entſprechen müſſen,
welche ſie hervorbrachte, das Anwachſen der Stromſtärke müßte der
Bewegung der Platte in der einen, ihre Abnahme derjenigen in der
anderen Richtung entſprechen, die Größe der Ab- und Zunahme müßte
der Stärke der Schwingungen oder vielmehr der Geſchwindigkeit ent-
ſprechen, mit welcher die Platte ſich bewegt. Solche Ströme würden
am anderen Ende einem Empfangsapparate und durch dieſen der Luft
eine bis ins Kleinſte getreue Nachbildung derjenigen Luftbewegung
übermitteln, welche an der Aufgabeſtation auf die Platte gewirkt hatte,
und damit jene zum Gehör bringen. Dieſen Gedankengang überſetzte
Bell in die That, indem er 1875 der Welt ſein Telephon übergab.
Für die Erfindung deſſelben benutzte er die folgende Erſcheinung.
Nähert man einem Stahlmagneten ein Stück Eiſen, ſo wächſt deſſen
Kraft ein wenig an, bei der Entfernung des Eiſens nimmt ſie wieder
um eben ſoviel ab. Wenn nun den Magneten eine in ſich geſchloſſene
Drahtſpule umgiebt, ſo wird jede Vermehrung des Magnetismus
in dieſer einen Strom induzieren und jede Verminderung deſſelben
einen ſolchen von der entgegengeſetzten Richtung hervorbringen, ganz
wie wenn man einen Magneten der Spule nähert oder ihn entfernt.
Erſetzt man das große Eiſenſtück durch eine dünne Platte, welche bei
dem geſprochenen Wort erzittert, ſo werden ihre Schwingungen auch
noch ſolche Ströme hervorbringen, freilich ſehr ſchwache nur, die aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0253" n="235"/>
              <fw place="top" type="header">Das Telephon.</fw><lb/>
              <p>Ein Ver&#x017F;uch, den Philipp Reis in Friedrichsdorf am Taunus<lb/>
1862 an&#x017F;tellte, hätte in die&#x017F;er Beziehung anregen können. Er übertrug<lb/>
die Schwingungen auf eine tieri&#x017F;che Haut und auf ein daran &#x017F;itzendes<lb/>
Metallblättchen. Fortwährend wurde durch die&#x017F;es der Strom einer<lb/>
Batterie unterbrochen und wieder ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. An weit entfernter<lb/>
Stelle war ein weicher Ei&#x017F;enkern, der innerhalb einer vom Strom<lb/>
durchflo&#x017F;&#x017F;enen Spirale lag. Die&#x017F;er geriet bei &#x017F;einem &#x017F;chnell erfolgenden<lb/>
Ummagneti&#x017F;ieren &#x017F;elb&#x017F;t ins Tönen und man konnte wohl Melodien,<lb/>
aber nicht oder doch nur &#x017F;ehr unvollkommen men&#x017F;chliche Stimm-<lb/>
laute übertragen. Hierauf ruhte die Sache, und es war um die<lb/>
Zeit, als Edi&#x017F;on an &#x017F;einem Phonographen arbeitete, daß zugleich<lb/>
Graham Bell, Profe&#x017F;&#x017F;or der Phy&#x017F;iologie in Bo&#x017F;ton den Gedanken,<lb/>
eine &#x017F;chwingende Metallplatte zum Nachahmen der <choice><sic>men&#x017F;chlicheu</sic><corr>men&#x017F;chlichen</corr></choice><lb/>
Stimme zu benutzen, verwirklichte. Ihre Übertragung in weite Ferne,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;agte &#x017F;ich Bell weiter, war nur deshalb auf elektri&#x017F;chem Wege<lb/>
bisher nicht gelungen, weil das fortwährende Öffnen und Schließen<lb/>
eines Batterie&#x017F;troms zu &#x017F;tarke und plötzliche Stöße in dem Stromkrei&#x017F;e<lb/>
hervorbringt, wie &#x017F;ie die men&#x017F;chliche Stimme nicht aufwei&#x017F;t. Um jenen<lb/>
melodi&#x017F;chen Klang un&#x017F;erer Sprachorgane zu erhalten, bedurfte es eines<lb/>
Stromkrei&#x017F;es, der &#x017F;ich während des Sprechens nicht öffnet und &#x017F;chließt,<lb/>
&#x017F;ondern ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en bleibt und nur durch den ge&#x017F;prochenen Laut &#x017F;ich<lb/>
ein wenig ver&#x017F;tärkt oder &#x017F;chwächt. Die&#x017F;e &#x2014; &#x017F;ozu&#x017F;agen von Wellen<lb/>
durchzogenen &#x2014; Ströme, &#x017F;o &#x017F;agte er wörtlich, würden an Schnelligkeit<lb/>
des Wech&#x017F;els den Schwingungen der Metallplatte ent&#x017F;prechen mü&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
welche &#x017F;ie hervorbrachte, das Anwach&#x017F;en der Strom&#x017F;tärke müßte der<lb/>
Bewegung der Platte in der einen, ihre Abnahme derjenigen in der<lb/>
anderen Richtung ent&#x017F;prechen, die Größe der Ab- und Zunahme müßte<lb/>
der Stärke der Schwingungen oder vielmehr der Ge&#x017F;chwindigkeit ent-<lb/>
&#x017F;prechen, mit welcher die Platte &#x017F;ich bewegt. Solche Ströme würden<lb/>
am anderen Ende einem Empfangsapparate und durch die&#x017F;en der Luft<lb/>
eine bis ins Klein&#x017F;te getreue Nachbildung derjenigen Luftbewegung<lb/>
übermitteln, welche an der Aufgabe&#x017F;tation auf die Platte gewirkt hatte,<lb/>
und damit jene zum Gehör bringen. Die&#x017F;en Gedankengang über&#x017F;etzte<lb/>
Bell in die That, indem er 1875 der Welt &#x017F;ein Telephon übergab.<lb/>
Für die Erfindung de&#x017F;&#x017F;elben benutzte er die folgende Er&#x017F;cheinung.<lb/>
Nähert man einem Stahlmagneten ein Stück Ei&#x017F;en, &#x017F;o wäch&#x017F;t de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Kraft ein wenig an, bei der Entfernung des Ei&#x017F;ens nimmt &#x017F;ie wieder<lb/>
um eben &#x017F;oviel ab. Wenn nun den Magneten eine in &#x017F;ich ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Draht&#x017F;pule umgiebt, &#x017F;o wird jede Vermehrung des Magnetismus<lb/>
in die&#x017F;er einen Strom induzieren und jede Verminderung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
einen &#x017F;olchen von der entgegenge&#x017F;etzten Richtung hervorbringen, ganz<lb/>
wie wenn man einen Magneten der Spule nähert oder ihn entfernt.<lb/>
Er&#x017F;etzt man das große Ei&#x017F;en&#x017F;tück durch eine dünne Platte, welche bei<lb/>
dem ge&#x017F;prochenen Wort erzittert, &#x017F;o werden ihre Schwingungen auch<lb/>
noch &#x017F;olche Ströme hervorbringen, freilich &#x017F;ehr &#x017F;chwache nur, die aber<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0253] Das Telephon. Ein Verſuch, den Philipp Reis in Friedrichsdorf am Taunus 1862 anſtellte, hätte in dieſer Beziehung anregen können. Er übertrug die Schwingungen auf eine tieriſche Haut und auf ein daran ſitzendes Metallblättchen. Fortwährend wurde durch dieſes der Strom einer Batterie unterbrochen und wieder geſchloſſen. An weit entfernter Stelle war ein weicher Eiſenkern, der innerhalb einer vom Strom durchfloſſenen Spirale lag. Dieſer geriet bei ſeinem ſchnell erfolgenden Ummagnetiſieren ſelbſt ins Tönen und man konnte wohl Melodien, aber nicht oder doch nur ſehr unvollkommen menſchliche Stimm- laute übertragen. Hierauf ruhte die Sache, und es war um die Zeit, als Ediſon an ſeinem Phonographen arbeitete, daß zugleich Graham Bell, Profeſſor der Phyſiologie in Boſton den Gedanken, eine ſchwingende Metallplatte zum Nachahmen der menſchlichen Stimme zu benutzen, verwirklichte. Ihre Übertragung in weite Ferne, ſo ſagte ſich Bell weiter, war nur deshalb auf elektriſchem Wege bisher nicht gelungen, weil das fortwährende Öffnen und Schließen eines Batterieſtroms zu ſtarke und plötzliche Stöße in dem Stromkreiſe hervorbringt, wie ſie die menſchliche Stimme nicht aufweiſt. Um jenen melodiſchen Klang unſerer Sprachorgane zu erhalten, bedurfte es eines Stromkreiſes, der ſich während des Sprechens nicht öffnet und ſchließt, ſondern geſchloſſen bleibt und nur durch den geſprochenen Laut ſich ein wenig verſtärkt oder ſchwächt. Dieſe — ſozuſagen von Wellen durchzogenen — Ströme, ſo ſagte er wörtlich, würden an Schnelligkeit des Wechſels den Schwingungen der Metallplatte entſprechen müſſen, welche ſie hervorbrachte, das Anwachſen der Stromſtärke müßte der Bewegung der Platte in der einen, ihre Abnahme derjenigen in der anderen Richtung entſprechen, die Größe der Ab- und Zunahme müßte der Stärke der Schwingungen oder vielmehr der Geſchwindigkeit ent- ſprechen, mit welcher die Platte ſich bewegt. Solche Ströme würden am anderen Ende einem Empfangsapparate und durch dieſen der Luft eine bis ins Kleinſte getreue Nachbildung derjenigen Luftbewegung übermitteln, welche an der Aufgabeſtation auf die Platte gewirkt hatte, und damit jene zum Gehör bringen. Dieſen Gedankengang überſetzte Bell in die That, indem er 1875 der Welt ſein Telephon übergab. Für die Erfindung deſſelben benutzte er die folgende Erſcheinung. Nähert man einem Stahlmagneten ein Stück Eiſen, ſo wächſt deſſen Kraft ein wenig an, bei der Entfernung des Eiſens nimmt ſie wieder um eben ſoviel ab. Wenn nun den Magneten eine in ſich geſchloſſene Drahtſpule umgiebt, ſo wird jede Vermehrung des Magnetismus in dieſer einen Strom induzieren und jede Verminderung deſſelben einen ſolchen von der entgegengeſetzten Richtung hervorbringen, ganz wie wenn man einen Magneten der Spule nähert oder ihn entfernt. Erſetzt man das große Eiſenſtück durch eine dünne Platte, welche bei dem geſprochenen Wort erzittert, ſo werden ihre Schwingungen auch noch ſolche Ströme hervorbringen, freilich ſehr ſchwache nur, die aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/253
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/253>, abgerufen am 22.05.2024.