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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.

Der erste, welcher eine Beziehung zwischen einem elektrischen
Strome und einem Magneten auffand, war der dänische Physiker
Örsted. Er zeigte 1820, daß eine frei aufgehängte Magnetnadel von
einem in der Nähe vorbeigehenden elektrischen Strome abgelenkt wird.
Wird der Strom unterbrochen, so kehrt die Nadel in ihre erste Lage
zurück, wird er umgekehrt, so wird auch diese nach der andern Seite
abgelenkt. Ampere hat die folgende Regel aufgestellt, durch die man

[Abbildung] Fig. 105.

Ablenkung einer Magnetnadel
durch den elektrischen Strom.

allezeit die Richtung der Nadel bestimmen kann:
Man denke sich in der Richtung des Stromes
schwimmend und richte seine Augen nach dem
Nordpole, so wird man ihn stets zur linken Hand
erblicken. (Vgl. Fig. 105.) Jene Ablenkung wird
um so stärker sein, je kräftiger der störende Strom
ist. Man kann die Wirkung verstärken, wenn man
mehrere Teile des Schließungsdrahtes, welche die
Elektrizität in der gleichen Richtung durchströmt,
neben einander legt und gemeinsam wirken läßt.
Man kann die Ablenkung am weitesten treiben,
wenn man einen guten Teil des Schließungs-
drahtes zu einer Spirale aufwickelt. Jedes
Stückchen wird dann die Magnetnadel richten,
im ganzen wird die Spirale, so lange sie von
einem Strome durchflossen ist, wirken, wie ein
Magnet, der sich in ihrem Inneren befindet. Daß
sie auch die anderen Thätigkeiten eines Magnets
ausübt, das erkennt man leicht, wenn man ihr
Eisenstücke nähert, sie zieht diese an und macht
sie für kurze Zeit zu Magneten. Am stärksten
wird diese magnetisierende Kraft, wenn man ein Stück weiches Eisen
in die Spirale selbst hineinlegt. (Vgl. Fig. 106.) Sobald diese
vom Strome durchflossen wird, wird jenes zum Magnete; hört der
Strom auf, so ist es auch mit dem Magnetismus des Eisens zu Ende.
Man bezeichnet einen solcherweise vom Strom erzeugten Magnet als
Elektromagnet und man hat es in der Gewalt sich recht kräftige
Magnete auf diese Art zu verschaffen. Man braucht dazu nur die
Wirkungen der Spirale zu vervielfachen, sie zu Spulen zusammen-
zufügen und den Strom recht kräftig zu wählen, so erzeugt man
Magnete, die viel mehr ausrichten als selbst die aus Stahl verfertigten.
Man kann dem Magneten die verschiedensten Formen geben und eine
sehr viel gebrauchte ist die Hufeisenform, die wir in Fig. 107 erblicken.
Wir sehen die Schenkel des Hufeisens von zwei Spulen umgeben,
welche das Eisen zu einem Magneten machen, wenn ein Strom sie in
gleicher Richtung oder auch in entgegengesetzter Richtung umkreist.
Während im ersten Falle sich an den beiden Enden ein Nordpol und
ein Südpol ausbildet, ist aber im zweiten Falle nur entweder Süd-

Die elektriſchen Erfindungen.

Der erſte, welcher eine Beziehung zwiſchen einem elektriſchen
Strome und einem Magneten auffand, war der däniſche Phyſiker
Örſted. Er zeigte 1820, daß eine frei aufgehängte Magnetnadel von
einem in der Nähe vorbeigehenden elektriſchen Strome abgelenkt wird.
Wird der Strom unterbrochen, ſo kehrt die Nadel in ihre erſte Lage
zurück, wird er umgekehrt, ſo wird auch dieſe nach der andern Seite
abgelenkt. Ampère hat die folgende Regel aufgeſtellt, durch die man

[Abbildung] Fig. 105.

Ablenkung einer Magnetnadel
durch den elektriſchen Strom.

allezeit die Richtung der Nadel beſtimmen kann:
Man denke ſich in der Richtung des Stromes
ſchwimmend und richte ſeine Augen nach dem
Nordpole, ſo wird man ihn ſtets zur linken Hand
erblicken. (Vgl. Fig. 105.) Jene Ablenkung wird
um ſo ſtärker ſein, je kräftiger der ſtörende Strom
iſt. Man kann die Wirkung verſtärken, wenn man
mehrere Teile des Schließungsdrahtes, welche die
Elektrizität in der gleichen Richtung durchſtrömt,
neben einander legt und gemeinſam wirken läßt.
Man kann die Ablenkung am weiteſten treiben,
wenn man einen guten Teil des Schließungs-
drahtes zu einer Spirale aufwickelt. Jedes
Stückchen wird dann die Magnetnadel richten,
im ganzen wird die Spirale, ſo lange ſie von
einem Strome durchfloſſen iſt, wirken, wie ein
Magnet, der ſich in ihrem Inneren befindet. Daß
ſie auch die anderen Thätigkeiten eines Magnets
ausübt, das erkennt man leicht, wenn man ihr
Eiſenſtücke nähert, ſie zieht dieſe an und macht
ſie für kurze Zeit zu Magneten. Am ſtärkſten
wird dieſe magnetiſierende Kraft, wenn man ein Stück weiches Eiſen
in die Spirale ſelbſt hineinlegt. (Vgl. Fig. 106.) Sobald dieſe
vom Strome durchfloſſen wird, wird jenes zum Magnete; hört der
Strom auf, ſo iſt es auch mit dem Magnetismus des Eiſens zu Ende.
Man bezeichnet einen ſolcherweiſe vom Strom erzeugten Magnet als
Elektromagnet und man hat es in der Gewalt ſich recht kräftige
Magnete auf dieſe Art zu verſchaffen. Man braucht dazu nur die
Wirkungen der Spirale zu vervielfachen, ſie zu Spulen zuſammen-
zufügen und den Strom recht kräftig zu wählen, ſo erzeugt man
Magnete, die viel mehr ausrichten als ſelbſt die aus Stahl verfertigten.
Man kann dem Magneten die verſchiedenſten Formen geben und eine
ſehr viel gebrauchte iſt die Hufeiſenform, die wir in Fig. 107 erblicken.
Wir ſehen die Schenkel des Hufeiſens von zwei Spulen umgeben,
welche das Eiſen zu einem Magneten machen, wenn ein Strom ſie in
gleicher Richtung oder auch in entgegengeſetzter Richtung umkreiſt.
Während im erſten Falle ſich an den beiden Enden ein Nordpol und
ein Südpol ausbildet, iſt aber im zweiten Falle nur entweder Süd-

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[150/0168] Die elektriſchen Erfindungen. Der erſte, welcher eine Beziehung zwiſchen einem elektriſchen Strome und einem Magneten auffand, war der däniſche Phyſiker Örſted. Er zeigte 1820, daß eine frei aufgehängte Magnetnadel von einem in der Nähe vorbeigehenden elektriſchen Strome abgelenkt wird. Wird der Strom unterbrochen, ſo kehrt die Nadel in ihre erſte Lage zurück, wird er umgekehrt, ſo wird auch dieſe nach der andern Seite abgelenkt. Ampère hat die folgende Regel aufgeſtellt, durch die man [Abbildung Fig. 105. Ablenkung einer Magnetnadel durch den elektriſchen Strom.] allezeit die Richtung der Nadel beſtimmen kann: Man denke ſich in der Richtung des Stromes ſchwimmend und richte ſeine Augen nach dem Nordpole, ſo wird man ihn ſtets zur linken Hand erblicken. (Vgl. Fig. 105.) Jene Ablenkung wird um ſo ſtärker ſein, je kräftiger der ſtörende Strom iſt. Man kann die Wirkung verſtärken, wenn man mehrere Teile des Schließungsdrahtes, welche die Elektrizität in der gleichen Richtung durchſtrömt, neben einander legt und gemeinſam wirken läßt. Man kann die Ablenkung am weiteſten treiben, wenn man einen guten Teil des Schließungs- drahtes zu einer Spirale aufwickelt. Jedes Stückchen wird dann die Magnetnadel richten, im ganzen wird die Spirale, ſo lange ſie von einem Strome durchfloſſen iſt, wirken, wie ein Magnet, der ſich in ihrem Inneren befindet. Daß ſie auch die anderen Thätigkeiten eines Magnets ausübt, das erkennt man leicht, wenn man ihr Eiſenſtücke nähert, ſie zieht dieſe an und macht ſie für kurze Zeit zu Magneten. Am ſtärkſten wird dieſe magnetiſierende Kraft, wenn man ein Stück weiches Eiſen in die Spirale ſelbſt hineinlegt. (Vgl. Fig. 106.) Sobald dieſe vom Strome durchfloſſen wird, wird jenes zum Magnete; hört der Strom auf, ſo iſt es auch mit dem Magnetismus des Eiſens zu Ende. Man bezeichnet einen ſolcherweiſe vom Strom erzeugten Magnet als Elektromagnet und man hat es in der Gewalt ſich recht kräftige Magnete auf dieſe Art zu verſchaffen. Man braucht dazu nur die Wirkungen der Spirale zu vervielfachen, ſie zu Spulen zuſammen- zufügen und den Strom recht kräftig zu wählen, ſo erzeugt man Magnete, die viel mehr ausrichten als ſelbſt die aus Stahl verfertigten. Man kann dem Magneten die verſchiedenſten Formen geben und eine ſehr viel gebrauchte iſt die Hufeiſenform, die wir in Fig. 107 erblicken. Wir ſehen die Schenkel des Hufeiſens von zwei Spulen umgeben, welche das Eiſen zu einem Magneten machen, wenn ein Strom ſie in gleicher Richtung oder auch in entgegengeſetzter Richtung umkreiſt. Während im erſten Falle ſich an den beiden Enden ein Nordpol und ein Südpol ausbildet, iſt aber im zweiten Falle nur entweder Süd-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/168>, abgerufen am 30.04.2024.