ist. Es ist dies das Hecheln, welches bezweckt, die Fasern noch weiter von einander zu trennen, verworrene Fasern gerade zu legen und noch anhängende kleine Verunreinigungen zu beseitigen. Wenngleich heutzu- tage hierfür die Hechelmaschinen benutzt werden, so ist die Handarbeit nicht zu entbehren. Man bedient sich in letzterem Falle der Hechel, eines runden Werkzeuges aus Holz mit nach oben stehenden spitzen Nadeln, durch welche der Arbeiter eine Handvoll Flachsfasern zieht. Mit den Spitzen der letzteren beginnend, schlägt er die Riste immer tiefer in die Nadeln ein. Auch genügt nicht eine solche Hechel, es werden vielmehr auf einander folgend immer feinere Nummern derselben benutzt, um den beregten Zweck möglichst vollständig zu erreichen. Der entstehende verun- reinigte Faserabfall führt den Namen Hechelwerg. Maschinen zum Hecheln benutzen fast nur die Spinnereien, und soll dort ihrer gedacht werden.
Die übrigen Bastfasern, Hanf, Jute, Nessel etc. werden ähnlich behandelt, wie der Flachs. Rösten, Brechen, Schwingen und Hecheln machen die Hauptarbeiten aus, doch werden dieselben der Natur der Faser angepaßt, sowie auch die für die Ausführung der Arbeiten be- nutzten Apparate und Maschinen entsprechende Abänderungen haben. In der neueren Zeit ist die Nesselfaser, Ramie, Chinagras, näher studiert worden, und ist man auch zu Isolierungsmethoden gelangt, welche, wenn vervollkommnet, es zulassen werden, die höchst wertvolle und bei richtiger Kultur sehr billige Faser in größeren Mengen zu gewinnen und sie für den Spinnprozeß geeignet zu machen. Von großer Wichtigkeit ist die Entdeckung, daß die Nesselpflanzen vor dem Rösten ganz austrocknen und die Stengel entweder in Kalkbädern vorbereitet oder alkalische Röstflüssigkeiten genommen werden müssen, damit die in den Haaren der Blätter befindliche (den Schmerz beim Anfassen der gewöhnlichen Brennessel verursachende) Ameisensäure be- seitigt werde. Die Chinesen und die Eingeborenen auf Sumatra und Java üben den Röstprozeß schon länger auf diese Weise aus, ohne eine wissenschaftliche Begründung geben zu können.
Schafwolle und Wollhaare anderer Tiere müssen von dem Fett, dem Wollschweiß, welcher das rohe Wollhaar bedeckt, und von den anhaftenden Unreinigkeiten befreit werden. Dieser Schweiß ist teils in Wasser löslich, teils nicht, und kann der erstere Teil entweder vor der Schur auf dem Schafe selbst durch Waschen entfernt werden -- und dann hat man die Pelz- oder Rückenwäsche -- oder aber nach der Schur an dem gewonnenen Vließ durch die Vließwäsche, wogegen der in einfachem Wasser nicht lösbare Teil durch einen besonderen Wasch- prozeß unter Zuhülfenahme chemischer Mittel herausgebracht werden muß. Der Rückenwäsche, welche auf verschiedene Weise ausgeführt wird, folgt ein Trocknen der Wolle auf dem Tiere und dann die Schur mittelst der Schafschere. Die gewaschenen oder ungewaschenen Vließe werden den Wollspinnereien zugesandt, welche die weitere Reinigung, die Fabrikwäsche, übernehmen.
Die Textil-Induſtrie.
iſt. Es iſt dies das Hecheln, welches bezweckt, die Faſern noch weiter von einander zu trennen, verworrene Faſern gerade zu legen und noch anhängende kleine Verunreinigungen zu beſeitigen. Wenngleich heutzu- tage hierfür die Hechelmaſchinen benutzt werden, ſo iſt die Handarbeit nicht zu entbehren. Man bedient ſich in letzterem Falle der Hechel, eines runden Werkzeuges aus Holz mit nach oben ſtehenden ſpitzen Nadeln, durch welche der Arbeiter eine Handvoll Flachsfaſern zieht. Mit den Spitzen der letzteren beginnend, ſchlägt er die Riſte immer tiefer in die Nadeln ein. Auch genügt nicht eine ſolche Hechel, es werden vielmehr auf einander folgend immer feinere Nummern derſelben benutzt, um den beregten Zweck möglichſt vollſtändig zu erreichen. Der entſtehende verun- reinigte Faſerabfall führt den Namen Hechelwerg. Maſchinen zum Hecheln benutzen faſt nur die Spinnereien, und ſoll dort ihrer gedacht werden.
Die übrigen Baſtfaſern, Hanf, Jute, Neſſel ꝛc. werden ähnlich behandelt, wie der Flachs. Röſten, Brechen, Schwingen und Hecheln machen die Hauptarbeiten aus, doch werden dieſelben der Natur der Faſer angepaßt, ſowie auch die für die Ausführung der Arbeiten be- nutzten Apparate und Maſchinen entſprechende Abänderungen haben. In der neueren Zeit iſt die Neſſelfaſer, Ramie, Chinagras, näher ſtudiert worden, und iſt man auch zu Iſolierungsmethoden gelangt, welche, wenn vervollkommnet, es zulaſſen werden, die höchſt wertvolle und bei richtiger Kultur ſehr billige Faſer in größeren Mengen zu gewinnen und ſie für den Spinnprozeß geeignet zu machen. Von großer Wichtigkeit iſt die Entdeckung, daß die Neſſelpflanzen vor dem Röſten ganz austrocknen und die Stengel entweder in Kalkbädern vorbereitet oder alkaliſche Röſtflüſſigkeiten genommen werden müſſen, damit die in den Haaren der Blätter befindliche (den Schmerz beim Anfaſſen der gewöhnlichen Brenneſſel verurſachende) Ameiſenſäure be- ſeitigt werde. Die Chineſen und die Eingeborenen auf Sumatra und Java üben den Röſtprozeß ſchon länger auf dieſe Weiſe aus, ohne eine wiſſenſchaftliche Begründung geben zu können.
Schafwolle und Wollhaare anderer Tiere müſſen von dem Fett, dem Wollſchweiß, welcher das rohe Wollhaar bedeckt, und von den anhaftenden Unreinigkeiten befreit werden. Dieſer Schweiß iſt teils in Waſſer löslich, teils nicht, und kann der erſtere Teil entweder vor der Schur auf dem Schafe ſelbſt durch Waſchen entfernt werden — und dann hat man die Pelz- oder Rückenwäſche — oder aber nach der Schur an dem gewonnenen Vließ durch die Vließwäſche, wogegen der in einfachem Waſſer nicht lösbare Teil durch einen beſonderen Waſch- prozeß unter Zuhülfenahme chemiſcher Mittel herausgebracht werden muß. Der Rückenwäſche, welche auf verſchiedene Weiſe ausgeführt wird, folgt ein Trocknen der Wolle auf dem Tiere und dann die Schur mittelſt der Schafſchere. Die gewaſchenen oder ungewaſchenen Vließe werden den Wollſpinnereien zugeſandt, welche die weitere Reinigung, die Fabrikwäſche, übernehmen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0362"n="344"/><fwplace="top"type="header">Die Textil-Induſtrie.</fw><lb/>
iſt. Es iſt dies das Hecheln, welches bezweckt, die Faſern noch weiter<lb/>
von einander zu trennen, verworrene Faſern gerade zu legen und noch<lb/>
anhängende kleine Verunreinigungen zu beſeitigen. Wenngleich heutzu-<lb/>
tage hierfür die Hechelmaſchinen benutzt werden, ſo iſt die Handarbeit<lb/>
nicht zu entbehren. Man bedient ſich in letzterem Falle der Hechel,<lb/>
eines runden Werkzeuges aus Holz mit nach oben ſtehenden ſpitzen Nadeln,<lb/>
durch welche der Arbeiter eine Handvoll Flachsfaſern zieht. Mit den<lb/>
Spitzen der letzteren beginnend, ſchlägt er die Riſte immer tiefer in die<lb/>
Nadeln ein. Auch genügt nicht eine ſolche Hechel, es werden vielmehr<lb/>
auf einander folgend immer feinere Nummern derſelben benutzt, um den<lb/>
beregten Zweck möglichſt vollſtändig zu erreichen. Der entſtehende verun-<lb/>
reinigte Faſerabfall führt den Namen Hechelwerg. Maſchinen zum Hecheln<lb/>
benutzen faſt nur die Spinnereien, und ſoll dort ihrer gedacht werden.</p><lb/><p>Die übrigen Baſtfaſern, Hanf, Jute, Neſſel ꝛc. werden ähnlich<lb/>
behandelt, wie der Flachs. Röſten, Brechen, Schwingen und Hecheln<lb/>
machen die Hauptarbeiten aus, doch werden dieſelben der Natur der<lb/>
Faſer angepaßt, ſowie auch die für die Ausführung der Arbeiten be-<lb/>
nutzten Apparate und Maſchinen entſprechende Abänderungen haben.<lb/>
In der neueren Zeit iſt die Neſſelfaſer, Ramie, Chinagras, näher<lb/>ſtudiert worden, und iſt man auch zu Iſolierungsmethoden gelangt,<lb/>
welche, wenn vervollkommnet, es zulaſſen werden, die höchſt wertvolle<lb/>
und bei richtiger Kultur ſehr billige Faſer in größeren Mengen zu<lb/>
gewinnen und ſie für den Spinnprozeß geeignet zu machen. Von<lb/>
großer Wichtigkeit iſt die Entdeckung, daß die Neſſelpflanzen vor dem<lb/>
Röſten ganz austrocknen und die Stengel entweder in Kalkbädern<lb/>
vorbereitet oder alkaliſche Röſtflüſſigkeiten genommen werden müſſen,<lb/>
damit die in den Haaren der Blätter befindliche (den Schmerz beim<lb/>
Anfaſſen der gewöhnlichen Brenneſſel verurſachende) Ameiſenſäure be-<lb/>ſeitigt werde. Die Chineſen und die Eingeborenen auf Sumatra und<lb/>
Java üben den Röſtprozeß ſchon länger auf dieſe Weiſe aus, ohne<lb/>
eine wiſſenſchaftliche Begründung geben zu können.</p><lb/><p>Schafwolle und Wollhaare anderer Tiere müſſen von dem Fett,<lb/>
dem Wollſchweiß, welcher das rohe Wollhaar bedeckt, und von den<lb/>
anhaftenden Unreinigkeiten befreit werden. Dieſer Schweiß iſt teils in<lb/>
Waſſer löslich, teils nicht, und kann der erſtere Teil entweder vor der<lb/>
Schur auf dem Schafe ſelbſt durch Waſchen entfernt werden — und<lb/>
dann hat man die Pelz- oder Rückenwäſche — oder aber nach der<lb/>
Schur an dem gewonnenen Vließ durch die Vließwäſche, wogegen der<lb/>
in einfachem Waſſer nicht lösbare Teil durch einen beſonderen Waſch-<lb/>
prozeß unter Zuhülfenahme chemiſcher Mittel herausgebracht werden<lb/>
muß. Der Rückenwäſche, welche auf verſchiedene Weiſe ausgeführt<lb/>
wird, folgt ein Trocknen der Wolle auf dem Tiere und dann die Schur<lb/>
mittelſt der Schafſchere. Die gewaſchenen oder ungewaſchenen Vließe<lb/>
werden den Wollſpinnereien zugeſandt, welche die weitere Reinigung,<lb/>
die Fabrikwäſche, übernehmen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[344/0362]
Die Textil-Induſtrie.
iſt. Es iſt dies das Hecheln, welches bezweckt, die Faſern noch weiter
von einander zu trennen, verworrene Faſern gerade zu legen und noch
anhängende kleine Verunreinigungen zu beſeitigen. Wenngleich heutzu-
tage hierfür die Hechelmaſchinen benutzt werden, ſo iſt die Handarbeit
nicht zu entbehren. Man bedient ſich in letzterem Falle der Hechel,
eines runden Werkzeuges aus Holz mit nach oben ſtehenden ſpitzen Nadeln,
durch welche der Arbeiter eine Handvoll Flachsfaſern zieht. Mit den
Spitzen der letzteren beginnend, ſchlägt er die Riſte immer tiefer in die
Nadeln ein. Auch genügt nicht eine ſolche Hechel, es werden vielmehr
auf einander folgend immer feinere Nummern derſelben benutzt, um den
beregten Zweck möglichſt vollſtändig zu erreichen. Der entſtehende verun-
reinigte Faſerabfall führt den Namen Hechelwerg. Maſchinen zum Hecheln
benutzen faſt nur die Spinnereien, und ſoll dort ihrer gedacht werden.
Die übrigen Baſtfaſern, Hanf, Jute, Neſſel ꝛc. werden ähnlich
behandelt, wie der Flachs. Röſten, Brechen, Schwingen und Hecheln
machen die Hauptarbeiten aus, doch werden dieſelben der Natur der
Faſer angepaßt, ſowie auch die für die Ausführung der Arbeiten be-
nutzten Apparate und Maſchinen entſprechende Abänderungen haben.
In der neueren Zeit iſt die Neſſelfaſer, Ramie, Chinagras, näher
ſtudiert worden, und iſt man auch zu Iſolierungsmethoden gelangt,
welche, wenn vervollkommnet, es zulaſſen werden, die höchſt wertvolle
und bei richtiger Kultur ſehr billige Faſer in größeren Mengen zu
gewinnen und ſie für den Spinnprozeß geeignet zu machen. Von
großer Wichtigkeit iſt die Entdeckung, daß die Neſſelpflanzen vor dem
Röſten ganz austrocknen und die Stengel entweder in Kalkbädern
vorbereitet oder alkaliſche Röſtflüſſigkeiten genommen werden müſſen,
damit die in den Haaren der Blätter befindliche (den Schmerz beim
Anfaſſen der gewöhnlichen Brenneſſel verurſachende) Ameiſenſäure be-
ſeitigt werde. Die Chineſen und die Eingeborenen auf Sumatra und
Java üben den Röſtprozeß ſchon länger auf dieſe Weiſe aus, ohne
eine wiſſenſchaftliche Begründung geben zu können.
Schafwolle und Wollhaare anderer Tiere müſſen von dem Fett,
dem Wollſchweiß, welcher das rohe Wollhaar bedeckt, und von den
anhaftenden Unreinigkeiten befreit werden. Dieſer Schweiß iſt teils in
Waſſer löslich, teils nicht, und kann der erſtere Teil entweder vor der
Schur auf dem Schafe ſelbſt durch Waſchen entfernt werden — und
dann hat man die Pelz- oder Rückenwäſche — oder aber nach der
Schur an dem gewonnenen Vließ durch die Vließwäſche, wogegen der
in einfachem Waſſer nicht lösbare Teil durch einen beſonderen Waſch-
prozeß unter Zuhülfenahme chemiſcher Mittel herausgebracht werden
muß. Der Rückenwäſche, welche auf verſchiedene Weiſe ausgeführt
wird, folgt ein Trocknen der Wolle auf dem Tiere und dann die Schur
mittelſt der Schafſchere. Die gewaſchenen oder ungewaſchenen Vließe
werden den Wollſpinnereien zugeſandt, welche die weitere Reinigung,
die Fabrikwäſche, übernehmen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/362>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.