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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Verbindungsstoffe.

Für Bauten im Wasser oder in feuchter Erde sind die bisher be-
schriebenen Bindemittel unzulänglich. Man ist dann auf solche Mörtel
angewiesen, die gerade im Wasser zu erhärten fähig sind, auf die so-
genannten Zemente. Dieselben waren bereits den Römern bekannt.
Ihnen dienten Trümmer vulkanischer Auswurfsstoffe von Puteoli und
aus der Gegend von Bonn am Rhein, welche diese Eigenschaft er-
langen, wenn man sie mit gelöschtem Kalk vermengt. Die Neuzeit
verwendete die Beobachtung Smeatons vom Jahre 1759, daß Mörtel
aus thonhaltigem Kalk im Wasser erhärte, welche derselbe für den
Bau des Eddystoner Leuchtturmes 1774 verwertete. Hierauf fußend
erfand Parker 1796 den Romanzement. Man erhält denselben einfach
durch das Brennen gewisser Thonmassen als ein rotbraunes Pulver.
Das Material besteht nämlich aus kohlensaurem Kalk und kieselsaurer
Thonerde, und beim Brennen entweicht die Kohlensäure, während der
Kalk sich teilweise mit der Kieselsäure verbindet. Wird später der
Zement mit Wasser angerührt, so vollzieht auch der übrige Kalk diese
Verbindung und damit erhärtet der Zement. Wo immer jene kalk-
haltigen Thone sich fanden, da wurde nunmehr auch Zement gebrannt.
Zugleich versuchte man künstliche Gemische mit derselben Eigenschaft
zu erlangen, und der erste, dem dies glückte, war Aspdin in Leeds,
welcher 1824 den Portlandzement erfand. Man erhält denselben aus
einem auf feuchtem Wege hergestellten Gemische von kohlensaurem Kalk
mit Thon durch Brennen bis zur Weißglut. Da das Gemisch ein sehr
inniges sein muß, so muß man den Kalk aus der Kreide oder ähnlichem
weichen Material entnehmen. Der Thon muß vor dem Mischen durch
Schlämmen von seinem Sandgehalte befreit werden. Dies ist jetzt
noch die geschätzteste unter allen Zementarten. In Deutschland, wo
1850 die erste Zementfabrik in Stettin gebaut wurde, lieferte die Zement-
industrie bereits 1878 21/2 Million Tonnen. Der Zement wird bei
Bauten im Wasser oder im feuchten Boden rein verwendet, er wird
dann innerhalb dreier Monate zu einer steinharten Masse; für Bauten
in der Luft mischt man ihn mit Sand zu einem mehr oder weniger
feinen Mörtel.

Die künstlichen Bausteine.

Nur die ältesten Mauerwerke zeigen uns natürliche Steine. Die
Schwierigkeit, solche in die passende Form zu bringen, und der Umstand,
daß viele Gegenden derselben überhaupt entbehrten, führte zur Erfindung
künstlicher Bausteine. Die Bauten der Ägypter weisen Ziegel auf, und
ebenso benutzten die Babylonier teils ungebrannte Steine, teils Back-
steine, sogar solche mit farbiger Glasur. Auch die uns von Griechen
und Römern überkommenen Bauten sind mit Mauersteinen ausgeführt;
sie bekleideten dieselben mit Marmor oder Putz. Die Römer verbreiteten
mit ihrer Herrschaft auch die Kunst des Ziegelbaus über die europäischen
Länder, und mit einer längeren Unterbrechung im ersten Teile des Mittel-

Die Verbindungsſtoffe.

Für Bauten im Waſſer oder in feuchter Erde ſind die bisher be-
ſchriebenen Bindemittel unzulänglich. Man iſt dann auf ſolche Mörtel
angewieſen, die gerade im Waſſer zu erhärten fähig ſind, auf die ſo-
genannten Zemente. Dieſelben waren bereits den Römern bekannt.
Ihnen dienten Trümmer vulkaniſcher Auswurfsſtoffe von Puteoli und
aus der Gegend von Bonn am Rhein, welche dieſe Eigenſchaft er-
langen, wenn man ſie mit gelöſchtem Kalk vermengt. Die Neuzeit
verwendete die Beobachtung Smeatons vom Jahre 1759, daß Mörtel
aus thonhaltigem Kalk im Waſſer erhärte, welche derſelbe für den
Bau des Eddyſtoner Leuchtturmes 1774 verwertete. Hierauf fußend
erfand Parker 1796 den Romanzement. Man erhält denſelben einfach
durch das Brennen gewiſſer Thonmaſſen als ein rotbraunes Pulver.
Das Material beſteht nämlich aus kohlenſaurem Kalk und kieſelſaurer
Thonerde, und beim Brennen entweicht die Kohlenſäure, während der
Kalk ſich teilweiſe mit der Kieſelſäure verbindet. Wird ſpäter der
Zement mit Waſſer angerührt, ſo vollzieht auch der übrige Kalk dieſe
Verbindung und damit erhärtet der Zement. Wo immer jene kalk-
haltigen Thone ſich fanden, da wurde nunmehr auch Zement gebrannt.
Zugleich verſuchte man künſtliche Gemiſche mit derſelben Eigenſchaft
zu erlangen, und der erſte, dem dies glückte, war Aspdin in Leeds,
welcher 1824 den Portlandzement erfand. Man erhält denſelben aus
einem auf feuchtem Wege hergeſtellten Gemiſche von kohlenſaurem Kalk
mit Thon durch Brennen bis zur Weißglut. Da das Gemiſch ein ſehr
inniges ſein muß, ſo muß man den Kalk aus der Kreide oder ähnlichem
weichen Material entnehmen. Der Thon muß vor dem Miſchen durch
Schlämmen von ſeinem Sandgehalte befreit werden. Dies iſt jetzt
noch die geſchätzteſte unter allen Zementarten. In Deutſchland, wo
1850 die erſte Zementfabrik in Stettin gebaut wurde, lieferte die Zement-
induſtrie bereits 1878 2½ Million Tonnen. Der Zement wird bei
Bauten im Waſſer oder im feuchten Boden rein verwendet, er wird
dann innerhalb dreier Monate zu einer ſteinharten Maſſe; für Bauten
in der Luft miſcht man ihn mit Sand zu einem mehr oder weniger
feinen Mörtel.

Die künſtlichen Bauſteine.

Nur die älteſten Mauerwerke zeigen uns natürliche Steine. Die
Schwierigkeit, ſolche in die paſſende Form zu bringen, und der Umſtand,
daß viele Gegenden derſelben überhaupt entbehrten, führte zur Erfindung
künſtlicher Bauſteine. Die Bauten der Ägypter weiſen Ziegel auf, und
ebenſo benutzten die Babylonier teils ungebrannte Steine, teils Back-
ſteine, ſogar ſolche mit farbiger Glaſur. Auch die uns von Griechen
und Römern überkommenen Bauten ſind mit Mauerſteinen ausgeführt;
ſie bekleideten dieſelben mit Marmor oder Putz. Die Römer verbreiteten
mit ihrer Herrſchaft auch die Kunſt des Ziegelbaus über die europäiſchen
Länder, und mit einer längeren Unterbrechung im erſten Teile des Mittel-

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[269/0287] Die Verbindungsſtoffe. Für Bauten im Waſſer oder in feuchter Erde ſind die bisher be- ſchriebenen Bindemittel unzulänglich. Man iſt dann auf ſolche Mörtel angewieſen, die gerade im Waſſer zu erhärten fähig ſind, auf die ſo- genannten Zemente. Dieſelben waren bereits den Römern bekannt. Ihnen dienten Trümmer vulkaniſcher Auswurfsſtoffe von Puteoli und aus der Gegend von Bonn am Rhein, welche dieſe Eigenſchaft er- langen, wenn man ſie mit gelöſchtem Kalk vermengt. Die Neuzeit verwendete die Beobachtung Smeatons vom Jahre 1759, daß Mörtel aus thonhaltigem Kalk im Waſſer erhärte, welche derſelbe für den Bau des Eddyſtoner Leuchtturmes 1774 verwertete. Hierauf fußend erfand Parker 1796 den Romanzement. Man erhält denſelben einfach durch das Brennen gewiſſer Thonmaſſen als ein rotbraunes Pulver. Das Material beſteht nämlich aus kohlenſaurem Kalk und kieſelſaurer Thonerde, und beim Brennen entweicht die Kohlenſäure, während der Kalk ſich teilweiſe mit der Kieſelſäure verbindet. Wird ſpäter der Zement mit Waſſer angerührt, ſo vollzieht auch der übrige Kalk dieſe Verbindung und damit erhärtet der Zement. Wo immer jene kalk- haltigen Thone ſich fanden, da wurde nunmehr auch Zement gebrannt. Zugleich verſuchte man künſtliche Gemiſche mit derſelben Eigenſchaft zu erlangen, und der erſte, dem dies glückte, war Aspdin in Leeds, welcher 1824 den Portlandzement erfand. Man erhält denſelben aus einem auf feuchtem Wege hergeſtellten Gemiſche von kohlenſaurem Kalk mit Thon durch Brennen bis zur Weißglut. Da das Gemiſch ein ſehr inniges ſein muß, ſo muß man den Kalk aus der Kreide oder ähnlichem weichen Material entnehmen. Der Thon muß vor dem Miſchen durch Schlämmen von ſeinem Sandgehalte befreit werden. Dies iſt jetzt noch die geſchätzteſte unter allen Zementarten. In Deutſchland, wo 1850 die erſte Zementfabrik in Stettin gebaut wurde, lieferte die Zement- induſtrie bereits 1878 2½ Million Tonnen. Der Zement wird bei Bauten im Waſſer oder im feuchten Boden rein verwendet, er wird dann innerhalb dreier Monate zu einer ſteinharten Maſſe; für Bauten in der Luft miſcht man ihn mit Sand zu einem mehr oder weniger feinen Mörtel. Die künſtlichen Bauſteine. Nur die älteſten Mauerwerke zeigen uns natürliche Steine. Die Schwierigkeit, ſolche in die paſſende Form zu bringen, und der Umſtand, daß viele Gegenden derſelben überhaupt entbehrten, führte zur Erfindung künſtlicher Bauſteine. Die Bauten der Ägypter weiſen Ziegel auf, und ebenſo benutzten die Babylonier teils ungebrannte Steine, teils Back- ſteine, ſogar ſolche mit farbiger Glaſur. Auch die uns von Griechen und Römern überkommenen Bauten ſind mit Mauerſteinen ausgeführt; ſie bekleideten dieſelben mit Marmor oder Putz. Die Römer verbreiteten mit ihrer Herrſchaft auch die Kunſt des Ziegelbaus über die europäiſchen Länder, und mit einer längeren Unterbrechung im erſten Teile des Mittel-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/287>, abgerufen am 29.11.2024.