andern, dem die Natur mehrere Kraefte ver- lich, einen weniger sichtbaren Nachtheil zuziehen. Schwaechen thut es die Kraefte aber allemal, welches alsdenn am sicht- barsten seyn würde, wenn man berech- nen könnte, wie sich die Summe des Guten, das ein von Natur starker Mann, der sich durch diese Ausschweifung dahin reisen liess, stifret, zu der verhalte, die er waurde gestif- tet haben, wenn er von Jugend auf seine Sinnlichkeit beherrscht haette. "Ich ver- gieng," schreibt mir einer meiner Corre- spondenten "nach und nach, hatte an nichts mehr einigen Gefallen, verliess die Univer- sitaet, und, anstatt meinen Weg in die Welt zu machen, vergrub ich mich in die Einsam- keit, wo ich zwar ziemlich gesund lebe, seit- dem ich alle nur mögliche Gelegenheit zu Ausschweifungen vermeide, aber ich bin doch gar nicht der brauchbare Mann gewor- den, der ich, nach meinen Faehigkeiten, werden konnte."
Wie viele tausende würden aehnliche
Kla-
andern, dem die Natur mehrere Kræfte ver- lich, einen weniger ſichtbaren Nachtheil zuziehen. Schwæchen thut es die Kræfte aber allemal, welches alsdenn am ſicht- barſten ſeyn würde, wenn man berech- nen könnte, wie ſich die Summe des Guten, das ein von Natur ſtarker Mann, der ſich durch dieſe Ausſchweifung dahin reiſen lieſs, ſtifret, zu der verhalte, die er wûrde geſtif- tet haben, wenn er von Jugend auf ſeine Sinnlichkeit beherrſcht hætte. “Ich ver- gieng,” ſchreibt mir einer meiner Corre- ſpondenten “nach und nach, hatte an nichts mehr einigen Gefallen, verlieſs die Univer- ſitæt, und, anſtatt meinen Weg in die Welt zu machen, vergrub ich mich in die Einſam- keit, wo ich zwar ziemlich geſund lebe, ſeit- dem ich alle nur mögliche Gelegenheit zu Ausſchweifungen vermeide, aber ich bin doch gar nicht der brauchbare Mann gewor- den, der ich, nach meinen Fæhigkeiten, werden konnte.”
Wie viele tauſende würden æhnliche
Kla-
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andern, dem die Natur mehrere Kræfte ver-
lich, einen weniger ſichtbaren Nachtheil
zuziehen. Schwæchen thut es die Kræfte
aber allemal, welches alsdenn am ſicht-
barſten ſeyn würde, wenn man berech-
nen könnte, wie ſich die Summe des Guten,
das ein von Natur ſtarker Mann, der ſich
durch dieſe Ausſchweifung dahin reiſen lieſs,
ſtifret, zu der verhalte, die er wûrde geſtif-
tet haben, wenn er von Jugend auf ſeine
Sinnlichkeit beherrſcht hætte. “Ich ver-
gieng,” ſchreibt mir einer meiner Corre-
ſpondenten “nach und nach, hatte an nichts
mehr einigen Gefallen, verlieſs die Univer-
ſitæt, und, anſtatt meinen Weg in die Welt
zu machen, vergrub ich mich in die Einſam-
keit, wo ich zwar ziemlich geſund lebe, ſeit-
dem ich alle nur mögliche Gelegenheit zu
Ausſchweifungen vermeide, aber ich bin
doch gar nicht der brauchbare Mann gewor-
den, der ich, nach meinen Fæhigkeiten,
werden konnte.”
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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