Brannte wein trinken können, wenn man ge- sund bleiben wollte, wegen der bösen Luft, daher hatte auch ich bald meinen Tobacks- beutel und Brannteweinflasche in der Tasche. Konnte ich da nicht leicht ein Branntewein- saeufer werden! Wie oft bin ich vor einer rauschenden silberhellen Wasserquelle lechzend vorbeygegangen, und habe so lange Durst gelit- ten, bis ich für meine paar Dreyer einen Krug saures oder dickes Bier bekam! Was thut man denn nicht seine Gesundheit zu erhalten? Denn von Wassertrinken soll man ja krank werden, und das ist noch heute faur viele Handwerksbursche ein starker Glaubensar- tikel.
Stellen Sie sich einen jungen Menschen vor, der in der Jugend seinen Katechismus, sein Spruchbuch, seinen Psalmen hat lernen müssen, und doch von keinem Gebothe nichts weiss: du sollt deinen Leib nicht schaenden! so viel gutes von Moral er nun auch gelernt hat, das wird theils schon in der Lehre ver- gessen. Nun geht er in die Fremde, befindet sich nun in Freyheit, jede Niedertraechtigkeit ohne Schaam zu begehen, keine Eltern, kem
Lehrer
Brannte wein trinken können, wenn man ge- ſund bleiben wollte, wegen der böſen Luft, daher hatte auch ich bald meinen Tobacks- beutel und Brannteweinflaſche in der Taſche. Konnte ich da nicht leicht ein Branntewein- ſæufer werden! Wie oft bin ich vor einer rauſchenden ſilberhellen Waſſerquelle lechzend vorbeygegangen, und habe ſo lange Durſt gelit- ten, bis ich für meine paar Dreyer einen Krug ſaures oder dickes Bier bekam! Was thut man denn nicht ſeine Geſundheit zu erhalten? Denn von Waſſertrinken ſoll man ja krank werden, und das iſt noch heute fûr viele Handwerksburſche ein ſtarker Glaubensar- tikel.
Stellen Sie ſich einen jungen Menſchen vor, der in der Jugend ſeinen Katechismus, ſein Spruchbuch, ſeinen Pſalmen hat lernen müſſen, und doch von keinem Gebothe nichts weiſs: du ſollt deinen Leib nicht ſchænden! ſo viel gutes von Moral er nun auch gelernt hat, das wird theils ſchon in der Lehre ver- geſſen. Nun geht er in die Fremde, befindet ſich nun in Freyheit, jede Niedertræchtigkeit ohne Schaam zu begehen, keine Eltern, kem
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Brannte wein trinken können, wenn man ge-
ſund bleiben wollte, wegen der böſen Luft,
daher hatte auch ich bald meinen Tobacks-
beutel und Brannteweinflaſche in der Taſche.
Konnte ich da nicht leicht ein Branntewein-
ſæufer werden! Wie oft bin ich vor einer
rauſchenden ſilberhellen Waſſerquelle lechzend
vorbeygegangen, und habe ſo lange Durſt gelit-
ten, bis ich für meine paar Dreyer einen Krug
ſaures oder dickes Bier bekam! Was thut man
denn nicht ſeine Geſundheit zu erhalten?
Denn von Waſſertrinken ſoll man ja krank
werden, und das iſt noch heute fûr viele
Handwerksburſche ein ſtarker Glaubensar-
tikel.
Stellen Sie ſich einen jungen Menſchen
vor, der in der Jugend ſeinen Katechismus,
ſein Spruchbuch, ſeinen Pſalmen hat lernen
müſſen, und doch von keinem Gebothe nichts
weiſs: du ſollt deinen Leib nicht ſchænden!
ſo viel gutes von Moral er nun auch gelernt
hat, das wird theils ſchon in der Lehre ver-
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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