Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

unzüchtiger Roman, der, vermittelst des
langen Mantels, leicht verborgen werden
konnte. Ihr liebstes Museum, das sie am
haeufigsten besuchten, war das heimliche Ge-
mach, wo sie Muse genug hatten, ihre Les-
begierde zu befriedigen, und ihren unzüch-
tigen Gedanken recht nachzuhaengen.

Selbst das Lesen verliebter Romane und
Gedichte ist jungen Gemüthern aeusserst ver-
derblich, wie ich diess vorhin schon gezeigt
habe, da ich von der Schaedlichkeit der frü-
hen Cultur redete. Und doch wie zahlreich
sind dergleichen Bücher, wie gross die Men-
ge von Liedern, in denen der Genuss der
Liebe als das höchste Glück des menschlichen
Lebens vorgestellt wird! Wie geneigt ist
das junge Herz diesem Satze seinen ganzen
Beyfall zu schenken! und ist dieses geschehen,
was helfen alsdenn alle Empfehlungen der
Tugend, der aechten wahren Tugend, die
in Geisteskraft und Selbstbeherrschung be-
steht?

Ich

unzüchtiger Roman, der, vermittelſt des
langen Mantels, leicht verborgen werden
konnte. Ihr liebſtes Muſeum, das ſie am
hæufigſten beſuchten, war das heimliche Ge-
mach, wo ſie Muſe genug hatten, ihre Les-
begierde zu befriedigen, und ihren unzüch-
tigen Gedanken recht nachzuhængen.

Selbſt das Leſen verliebter Romane und
Gedichte iſt jungen Gemüthern æuſſerſt ver-
derblich, wie ich dieſs vorhin ſchon gezeigt
habe, da ich von der Schædlichkeit der frü-
hen Cultur redete. Und doch wie zahlreich
ſind dergleichen Bücher, wie groſs die Men-
ge von Liedern, in denen der Genuſs der
Liebe als das höchſte Glück des menſchlichen
Lebens vorgeſtellt wird! Wie geneigt iſt
das junge Herz dieſem Satze ſeinen ganzen
Beyfall zu ſchenken! und iſt dieſes geſchehen,
was helfen alsdenn alle Empfehlungen der
Tugend, der æchten wahren Tugend, die
in Geiſteskraft und Selbſtbeherrſchung be-
ſteht?

Ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0156" n="146"/>
unzüchtiger Roman, der, vermittel&#x017F;t des<lb/>
langen Mantels, leicht verborgen werden<lb/>
konnte. Ihr lieb&#x017F;tes Mu&#x017F;eum, das &#x017F;ie am<lb/>
hæufig&#x017F;ten be&#x017F;uchten, war das heimliche Ge-<lb/>
mach, wo &#x017F;ie Mu&#x017F;e genug hatten, ihre Les-<lb/>
begierde zu befriedigen, und ihren unzüch-<lb/>
tigen Gedanken recht nachzuhængen.</p><lb/>
            <p>Selb&#x017F;t das Le&#x017F;en verliebter Romane und<lb/>
Gedichte i&#x017F;t jungen Gemüthern æu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t ver-<lb/>
derblich, wie ich die&#x017F;s vorhin &#x017F;chon gezeigt<lb/>
habe, da ich von der Schædlichkeit der frü-<lb/>
hen Cultur redete. Und doch wie zahlreich<lb/>
&#x017F;ind dergleichen Bücher, wie gro&#x017F;s die Men-<lb/>
ge von Liedern, in denen der Genu&#x017F;s der<lb/>
Liebe als das höch&#x017F;te Glück des men&#x017F;chlichen<lb/>
Lebens vorge&#x017F;tellt wird! Wie geneigt i&#x017F;t<lb/>
das junge Herz die&#x017F;em Satze &#x017F;einen ganzen<lb/>
Beyfall zu &#x017F;chenken! und i&#x017F;t die&#x017F;es ge&#x017F;chehen,<lb/>
was helfen alsdenn alle Empfehlungen der<lb/>
Tugend, der æchten wahren Tugend, die<lb/>
in Gei&#x017F;teskraft und Selb&#x017F;tbeherr&#x017F;chung be-<lb/>
&#x017F;teht?</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ich</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0156] unzüchtiger Roman, der, vermittelſt des langen Mantels, leicht verborgen werden konnte. Ihr liebſtes Muſeum, das ſie am hæufigſten beſuchten, war das heimliche Ge- mach, wo ſie Muſe genug hatten, ihre Les- begierde zu befriedigen, und ihren unzüch- tigen Gedanken recht nachzuhængen. Selbſt das Leſen verliebter Romane und Gedichte iſt jungen Gemüthern æuſſerſt ver- derblich, wie ich dieſs vorhin ſchon gezeigt habe, da ich von der Schædlichkeit der frü- hen Cultur redete. Und doch wie zahlreich ſind dergleichen Bücher, wie groſs die Men- ge von Liedern, in denen der Genuſs der Liebe als das höchſte Glück des menſchlichen Lebens vorgeſtellt wird! Wie geneigt iſt das junge Herz dieſem Satze ſeinen ganzen Beyfall zu ſchenken! und iſt dieſes geſchehen, was helfen alsdenn alle Empfehlungen der Tugend, der æchten wahren Tugend, die in Geiſteskraft und Selbſtbeherrſchung be- ſteht? Ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/156
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/156>, abgerufen am 23.11.2024.