In keinem Stücke müs- sen wir unsern Geist mehr Herr seyn las- sen, als im To- de. Er gehe hinaus, wo und wie er durch- zubrechen an- gefangen: durch Hülfe des Schwer- tes, oder des Strickes, oder des Gifttran- kes -- Nur wacker darauf- gearbeitet, bis
In keinem Stücke kann der Geist des Menschen seine Stärke herrlicher offenbaren, als in großmüthigem Kamp- fe gegen die Versuchung, die Last des Lebens wegzuwerfen. Wo feige Seelen keinen an- dern Retter kennen, als den Strick, oder den Gifttrank, oder die Pistole, da hebt der Großmüthige sein Haupt em- por, und ruft lauft aus sei- nem Herzen: ich kann le- ben, ich kann die Bürde tragen, ich kann im Leiden ausharren -- ich kann die Stunde abwarten, bis der Bote des Herrn (der Tod) kommt, und die Fessel auf-
In nulla re magis, quam in morte, morem animo gerere debemus. Exeat, qua impetum cepit: sive ferrum appetit, sive laqueum, sive aliquam potionem venas occupantem, pergat,
schließt,
et
Dritter Abſchnitt.
Seneka.
Der chriſtliche Weiſe.
In keinem Stuͤcke muͤſ- ſen wir unſern Geiſt mehr Herr ſeyn laſ- ſen, als im To- de. Er gehe hinaus, wo und wie er durch- zubrechen an- gefangen: durch Huͤlfe des Schwer- tes, oder des Strickes, oder des Gifttran- kes — Nur wacker darauf- gearbeitet, bis
In keinem Stuͤcke kann der Geiſt des Menſchen ſeine Staͤrke herrlicher offenbaren, als in großmuͤthigem Kamp- fe gegen die Verſuchung, die Laſt des Lebens wegzuwerfen. Wo feige Seelen keinen an- dern Retter kennen, als den Strick, oder den Gifttrank, oder die Piſtole, da hebt der Großmuͤthige ſein Haupt em- por, und ruft lauft aus ſei- nem Herzen: ich kann le- ben, ich kann die Buͤrde tragen, ich kann im Leiden ausharren — ich kann die Stunde abwarten, bis der Bote des Herrn (der Tod) kommt, und die Feſſel auf-
In nulla re magis, quam in morte, morem animo gerere debemus. Exeat, qua impetum cepit: ſive ferrum appetit, ſive laqueum, ſive aliquam potionem venas occupantem, pergat,
ſchließt,
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Dritter Abſchnitt.
Seneka. Der chriſtliche Weiſe.
In keinem
Stuͤcke muͤſ-
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Geiſt mehr
Herr ſeyn laſ-
ſen, als im To-
de. Er gehe
hinaus, wo und
wie er durch-
zubrechen an-
gefangen:
durch Huͤlfe
des Schwer-
tes, oder des
Strickes, oder
des Gifttran-
kes — Nur
wacker darauf-
gearbeitet, bis In keinem Stuͤcke kann
der Geiſt des Menſchen ſeine
Staͤrke herrlicher offenbaren,
als in großmuͤthigem Kamp-
fe gegen die Verſuchung, die
Laſt des Lebens wegzuwerfen.
Wo feige Seelen keinen an-
dern Retter kennen, als den
Strick, oder den Gifttrank,
oder die Piſtole, da hebt der
Großmuͤthige ſein Haupt em-
por, und ruft lauft aus ſei-
nem Herzen: ich kann le-
ben, ich kann die Buͤrde
tragen, ich kann im Leiden
ausharren — ich kann die
Stunde abwarten, bis der
Bote des Herrn (der Tod)
kommt, und die Feſſel auf-
ſchließt,
In nulla re magis, quam in morte, morem
animo gerere debemus. Exeat, qua impetum
cepit: ſive ferrum appetit, ſive laqueum, ſive
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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/200>, abgerufen am 16.07.2024.
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