Ruhestörende über ihn, so wirft er sich aus dem Leben hinaus: und dieß thut er nicht nur im äussersten Nothfalle, son- dern, so bald ihm das Glück verdächtig zu werden begin- net, so sieht er mit schar- fem Blicke um- her, ob er wohl schon an die- sem Tage zu
ich erst recht beweisen, was das Leben für einen Werth habe. Nun ists erst Tu- gend zu leben. -- -- Wer- den ihm seine Glücksumstän- de noch so verdächtig: Got- tes Vaterliebe wird es ihm nie -- und diese macht ihm auch die schwerste Last erträg- lich. Er sieht sich nicht um den Tod um -- sondern um Geduld, und diese findet er leichter, als der Selbstmör- der den Tod.
et tranquillitatem turbantia, emittit se; nec hoc tantum in necessitate ultima facit, sed cum primum illi coeperit suspecta esse fortuna, di- ligenter circumspicit, numquid illo die desi-
Wenn
nen
Dritter Abſchnitt.
Seneka.
Der chriſtliche Weiſe.
Ruheſtoͤrende uͤber ihn, ſo wirft er ſich aus dem Leben hinaus: und dieß thut er nicht nur im aͤuſſerſten Nothfalle, ſon- dern, ſo bald ihm das Gluͤck verdaͤchtig zu werden begin- net, ſo ſieht er mit ſchar- fem Blicke um- her, ob er wohl ſchon an die- ſem Tage zu
ich erſt recht beweiſen, was das Leben fuͤr einen Werth habe. Nun iſts erſt Tu- gend zu leben. — — Wer- den ihm ſeine Gluͤcksumſtaͤn- de noch ſo verdaͤchtig: Got- tes Vaterliebe wird es ihm nie — und dieſe macht ihm auch die ſchwerſte Laſt ertraͤg- lich. Er ſieht ſich nicht um den Tod um — ſondern um Geduld, und dieſe findet er leichter, als der Selbſtmoͤr- der den Tod.
et tranquillitatem turbantia, emittit ſe; nec hoc tantum in neceſſitate ultima facit, ſed cum primum illi coeperit ſuſpecta eſſe fortuna, di- ligenter circumſpicit, numquid illo die deſi-
Wenn
nen
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Dritter Abſchnitt.
Seneka. Der chriſtliche Weiſe.
Ruheſtoͤrende
uͤber ihn, ſo
wirft er ſich
aus dem Leben
hinaus: und
dieß thut er
nicht nur im
aͤuſſerſten
Nothfalle, ſon-
dern, ſo bald
ihm das Gluͤck
verdaͤchtig zu
werden begin-
net, ſo ſieht
er mit ſchar-
fem Blicke um-
her, ob er wohl
ſchon an die-
ſem Tage zu ich erſt recht beweiſen, was
das Leben fuͤr einen Werth
habe. Nun iſts erſt Tu-
gend zu leben. — — Wer-
den ihm ſeine Gluͤcksumſtaͤn-
de noch ſo verdaͤchtig: Got-
tes Vaterliebe wird es ihm
nie — und dieſe macht ihm
auch die ſchwerſte Laſt ertraͤg-
lich. Er ſieht ſich nicht um
den Tod um — ſondern um
Geduld, und dieſe findet er
leichter, als der Selbſtmoͤr-
der den Tod.
Wenn
et tranquillitatem turbantia, emittit ſe; nec
hoc tantum in neceſſitate ultima facit, ſed cum
primum illi coeperit ſuſpecta eſſe fortuna, di-
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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/194>, abgerufen am 16.07.2024.
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