Weisheit. Ich kann so einen elenden Tau- genichts, weder in meiner Haushaltung, noch bey meinen Amtsgeschäften brauchen. Du hast die Absicht deines Vaters ganz vereitelt -- Fort mit dir -- und gehe dei- nem Vater nimmer unter das Angesicht, bis du weiser und besser, und zu deinem Glücke reifer geworden bist."
Der Vater würde also eines aus bey- den mit seinem Sohne thun, ihn entweder, unter Aufsicht eines wackern Hofmeisters wieder auf Reisen senden, oder im väterli- chen Hause strenge Zucht mit ihm halten. Und, wenn das der Vater nicht thut, so handelt er wider die Pflicht der weisen Va- terliebe. Laßt mich noch verständlicher re- den, und das Gleichniß noch einmal vor- nehmen, von dem ich am Schlusse des ersten Abschnittes schon einen Gebrauch gemacht habe. Die Aeltern schicken ihre Kinder in öffentliche Schulen. Wenn nun der Knabe nach der ersten Viertelstunde wieder nach Hause liefe, und zur Entschuldigung angä- be: er sey lieber zu Hause bey der Mama
als
Zweyter Abſchnitt.
Weisheit. Ich kann ſo einen elenden Tau- genichts, weder in meiner Haushaltung, noch bey meinen Amtsgeſchaͤften brauchen. Du haſt die Abſicht deines Vaters ganz vereitelt — Fort mit dir — und gehe dei- nem Vater nimmer unter das Angeſicht, bis du weiſer und beſſer, und zu deinem Gluͤcke reifer geworden biſt.„
Der Vater wuͤrde alſo eines aus bey- den mit ſeinem Sohne thun, ihn entweder, unter Aufſicht eines wackern Hofmeiſters wieder auf Reiſen ſenden, oder im vaͤterli- chen Hauſe ſtrenge Zucht mit ihm halten. Und, wenn das der Vater nicht thut, ſo handelt er wider die Pflicht der weiſen Va- terliebe. Laßt mich noch verſtaͤndlicher re- den, und das Gleichniß noch einmal vor- nehmen, von dem ich am Schluſſe des erſten Abſchnittes ſchon einen Gebrauch gemacht habe. Die Aeltern ſchicken ihre Kinder in oͤffentliche Schulen. Wenn nun der Knabe nach der erſten Viertelſtunde wieder nach Hauſe liefe, und zur Entſchuldigung angaͤ- be: er ſey lieber zu Hauſe bey der Mama
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Zweyter Abſchnitt.
Weisheit. Ich kann ſo einen elenden Tau-
genichts, weder in meiner Haushaltung,
noch bey meinen Amtsgeſchaͤften brauchen.
Du haſt die Abſicht deines Vaters ganz
vereitelt — Fort mit dir — und gehe dei-
nem Vater nimmer unter das Angeſicht, bis
du weiſer und beſſer, und zu deinem Gluͤcke
reifer geworden biſt.„
Der Vater wuͤrde alſo eines aus bey-
den mit ſeinem Sohne thun, ihn entweder,
unter Aufſicht eines wackern Hofmeiſters
wieder auf Reiſen ſenden, oder im vaͤterli-
chen Hauſe ſtrenge Zucht mit ihm halten.
Und, wenn das der Vater nicht thut, ſo
handelt er wider die Pflicht der weiſen Va-
terliebe. Laßt mich noch verſtaͤndlicher re-
den, und das Gleichniß noch einmal vor-
nehmen, von dem ich am Schluſſe des erſten
Abſchnittes ſchon einen Gebrauch gemacht
habe. Die Aeltern ſchicken ihre Kinder in
oͤffentliche Schulen. Wenn nun der Knabe
nach der erſten Viertelſtunde wieder nach
Hauſe liefe, und zur Entſchuldigung angaͤ-
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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/106>, abgerufen am 22.07.2024.
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