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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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gemauert. Dass Johannes die Pflicht, Gott und uns
einander zu lieben, an die zuvorkommende Liebe des
Vaters und des Sohnes angeknüpft, bedarf keiner
Wiederholung mehr (I. Joh. IV. 9-11. 19-20. III. 16. 17.).

Wenn nun Jesus, Paulus, Petrus, Johannes
ihre Sittenlehren mit ihren Glaubenslehren so genau zu-
sammen banden, dass beyde Lehren nur Eine Lehre
waren, und erst das Auge der Spekulation dazu kom-
men musste, um zu trennen, was sie vereinigt hatten:
so lässt sich schon daraus auf einen innern, festen
Zusammenhang zwischen Glaubens- und Sittenlehren
schliessen.

In diesem, nicht unwichtigen Gedanken mögen
uns noch andere Betrachtungen befestigen.

Jede Sittenlehre Jesu trägt 1) den Stempel der
göttlichen Auctorität
, und wird von den Christen nicht
bloss als ein Ausspruch des Gewissens und der Ver-
nunft, sondern als ein ausdrückliches Wort Gottes ver-
ehrt und ausgeübt. Seine Lehre
ist Gottes Wort (Joh.
VII. 17.); Er ist von dem Vater als göttlicher Lehrer,
den wir hören sollten, erkläret (Matth. XVII. 5.);
Er ist das Licht, das alle Menschen erleuchtet (Joh. I. 9)
und dem wir folgen sollen (Joh. VIII. 12.); Er redete
nicht aus sich, sondern was Er von seinem Vater ge-
sehen hatte (Joh. VIII. 38.); Er als Eingebohrner,
der ist in des Vaters Schooss, hat es uns erzählet (Joh.
I. 18.); sein Geist wird seinen Jüngern eine neue, nie
versiegende Erkenntnissquelle (Joh. VII. 38-40.). Die
Sittenlehre Jesu wird also für uns durch den Glauben

an
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gemauert. Daſs Johannes die Pflicht, Gott und uns
einander zu lieben, an die zuvorkommende Liebe des
Vaters und des Sohnes angeknüpft, bedarf keiner
Wiederholung mehr (I. Joh. IV. 9-11. 19-20. III. 16. 17.).

Wenn nun Jeſus, Paulus, Petrus, Johannes
ihre Sittenlehren mit ihren Glaubenslehren ſo genau zu-
ſammen banden, daſs beyde Lehren nur Eine Lehre
waren, und erſt das Auge der Spekulation dazu kom-
men muſste, um zu trennen, was ſie vereinigt hatten:
ſo läſst ſich ſchon daraus auf einen innern, feſten
Zuſammenhang zwiſchen Glaubens- und Sittenlehren
ſchlieſſen.

In dieſem, nicht unwichtigen Gedanken mögen
uns noch andere Betrachtungen befeſtigen.

Jede Sittenlehre Jeſu trägt 1) den Stempel der
göttlichen Auctorität
, und wird von den Chriſten nicht
bloſs als ein Ausſpruch des Gewiſſens und der Ver-
nunft, ſondern als ein ausdrückliches Wort Gottes ver-
ehrt und ausgeübt. Seine Lehre
iſt Gottes Wort (Joh.
VII. 17.); Er iſt von dem Vater als göttlicher Lehrer,
den wir hören ſollten, erkläret (Matth. XVII. 5.);
Er iſt das Licht, das alle Menſchen erleuchtet (Joh. I. 9)
und dem wir folgen ſollen (Joh. VIII. 12.); Er redete
nicht aus ſich, ſondern was Er von ſeinem Vater ge-
ſehen hatte (Joh. VIII. 38.); Er als Eingebohrner,
der iſt in des Vaters Schooſs, hat es uns erzählet (Joh.
I. 18.); ſein Geiſt wird ſeinen Jüngern eine neue, nie
verſiegende Erkenntniſsquelle (Joh. VII. 38-40.). Die
Sittenlehre Jeſu wird alſo für uns durch den Glauben

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[85/0099] gemauert. Daſs Johannes die Pflicht, Gott und uns einander zu lieben, an die zuvorkommende Liebe des Vaters und des Sohnes angeknüpft, bedarf keiner Wiederholung mehr (I. Joh. IV. 9-11. 19-20. III. 16. 17.). Wenn nun Jeſus, Paulus, Petrus, Johannes ihre Sittenlehren mit ihren Glaubenslehren ſo genau zu- ſammen banden, daſs beyde Lehren nur Eine Lehre waren, und erſt das Auge der Spekulation dazu kom- men muſste, um zu trennen, was ſie vereinigt hatten: ſo läſst ſich ſchon daraus auf einen innern, feſten Zuſammenhang zwiſchen Glaubens- und Sittenlehren ſchlieſſen. In dieſem, nicht unwichtigen Gedanken mögen uns noch andere Betrachtungen befeſtigen. Jede Sittenlehre Jeſu trägt 1) den Stempel der göttlichen Auctorität, und wird von den Chriſten nicht bloſs als ein Ausſpruch des Gewiſſens und der Ver- nunft, ſondern als ein ausdrückliches Wort Gottes ver- ehrt und ausgeübt. Seine Lehre iſt Gottes Wort (Joh. VII. 17.); Er iſt von dem Vater als göttlicher Lehrer, den wir hören ſollten, erkläret (Matth. XVII. 5.); Er iſt das Licht, das alle Menſchen erleuchtet (Joh. I. 9) und dem wir folgen ſollen (Joh. VIII. 12.); Er redete nicht aus ſich, ſondern was Er von ſeinem Vater ge- ſehen hatte (Joh. VIII. 38.); Er als Eingebohrner, der iſt in des Vaters Schooſs, hat es uns erzählet (Joh. I. 18.); ſein Geiſt wird ſeinen Jüngern eine neue, nie verſiegende Erkenntniſsquelle (Joh. VII. 38-40.). Die Sittenlehre Jeſu wird alſo für uns durch den Glauben an F 3

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/99>, abgerufen am 29.03.2024.