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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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den Menschen mit seinem Gott zu vereinigen; da die
Plagen, Versuchungen, Kämpfe dieses Lebens eine
ausnehmende Schicklichkeit haben, die Menschen die-
ser Vereinigung fähig zu machen; da also die Sache
mit den Fähigkeiten und Bedürfnissen der menschlichen
Natur
, mit der Natur der Liebe, mit der Idee des
höchsten Gutes
, mit dem Zwecke aller Religion, und mit
dem Zwecke des Christenthums insbesondere, und mit
der Einrichtung dieses Lebens übereinstimmt: so wird
wohl kein Weiser über die Sache absprechen, und es
nur den Thoren überlassen, die Perle um des Wortes,
oder des Misbrauches, oder des Kothes wegen, das
daran hängt, wegzuwerfen. In dieser Vereinigung
stand z. B. Paulus, da er sagen konnte: Wer will uns
scheiden von der Liebe Gottes etc.?
Röm. VIII. 35-38.
Diese Einigung zwischen Gott und dem Menschen-
geiste, die in der Harmonie zweyer Freunde ein so
schönes, obgleich schwaches Bild hat, wird nach dem
Sinne der heiligen Schriften, in Beziehung auf Gott,
vollkommene Verherrlichung Gottes, und in Beziehung
auf den Menschen, göttlicher Friede, der alle Vorstel-
lungskraft übersteigt, heissen können. Denn was
sollte Gottes Güte, Weisheit und Macht herrlicher of-
fenbaren können, als diese Freundschaft zwischen dem
höchsten Geiste und seinen Ebenbildern, den erschaffe-
nen, guten Geistern? Und was sollte diesen Geistern
mehr Ruhe schaffen können, als diese ihre Einigung
mit dem Mittelpunkte aller Seligkeit? Mögen sich doch
die Menschen auch von dieser Sache noch so ebenteur-
liche Begriffe gebildet haben: die Sache bleibt immer

die

den Menſchen mit ſeinem Gott zu vereinigen; da die
Plagen, Verſuchungen, Kämpfe dieſes Lebens eine
ausnehmende Schicklichkeit haben, die Menſchen die-
ſer Vereinigung fähig zu machen; da alſo die Sache
mit den Fähigkeiten und Bedürfniſſen der menſchlichen
Natur
, mit der Natur der Liebe, mit der Idee des
höchſten Gutes
, mit dem Zwecke aller Religion, und mit
dem Zwecke des Chriſtenthums insbeſondere, und mit
der Einrichtung dieſes Lebens übereinſtimmt: ſo wird
wohl kein Weiſer über die Sache abſprechen, und es
nur den Thoren überlaſſen, die Perle um des Wortes,
oder des Misbrauches, oder des Kothes wegen, das
daran hängt, wegzuwerfen. In dieſer Vereinigung
ſtand z. B. Paulus, da er ſagen konnte: Wer will uns
ſcheiden von der Liebe Gottes etc.?
Röm. VIII. 35-38.
Dieſe Einigung zwiſchen Gott und dem Menſchen-
geiſte, die in der Harmonie zweyer Freunde ein ſo
ſchönes, obgleich ſchwaches Bild hat, wird nach dem
Sinne der heiligen Schriften, in Beziehung auf Gott,
vollkommene Verherrlichung Gottes, und in Beziehung
auf den Menſchen, göttlicher Friede, der alle Vorſtel-
lungskraft überſteigt, heiſſen können. Denn was
ſollte Gottes Güte, Weisheit und Macht herrlicher of-
fenbaren können, als dieſe Freundſchaft zwiſchen dem
höchſten Geiſte und ſeinen Ebenbildern, den erſchaffe-
nen, guten Geiſtern? Und was ſollte dieſen Geiſtern
mehr Ruhe ſchaffen können, als dieſe ihre Einigung
mit dem Mittelpunkte aller Seligkeit? Mögen ſich doch
die Menſchen auch von dieſer Sache noch ſo ebenteur-
liche Begriffe gebildet haben: die Sache bleibt immer

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[62/0076] den Menſchen mit ſeinem Gott zu vereinigen; da die Plagen, Verſuchungen, Kämpfe dieſes Lebens eine ausnehmende Schicklichkeit haben, die Menſchen die- ſer Vereinigung fähig zu machen; da alſo die Sache mit den Fähigkeiten und Bedürfniſſen der menſchlichen Natur, mit der Natur der Liebe, mit der Idee des höchſten Gutes, mit dem Zwecke aller Religion, und mit dem Zwecke des Chriſtenthums insbeſondere, und mit der Einrichtung dieſes Lebens übereinſtimmt: ſo wird wohl kein Weiſer über die Sache abſprechen, und es nur den Thoren überlaſſen, die Perle um des Wortes, oder des Misbrauches, oder des Kothes wegen, das daran hängt, wegzuwerfen. In dieſer Vereinigung ſtand z. B. Paulus, da er ſagen konnte: Wer will uns ſcheiden von der Liebe Gottes etc.? Röm. VIII. 35-38. Dieſe Einigung zwiſchen Gott und dem Menſchen- geiſte, die in der Harmonie zweyer Freunde ein ſo ſchönes, obgleich ſchwaches Bild hat, wird nach dem Sinne der heiligen Schriften, in Beziehung auf Gott, vollkommene Verherrlichung Gottes, und in Beziehung auf den Menſchen, göttlicher Friede, der alle Vorſtel- lungskraft überſteigt, heiſſen können. Denn was ſollte Gottes Güte, Weisheit und Macht herrlicher of- fenbaren können, als dieſe Freundſchaft zwiſchen dem höchſten Geiſte und ſeinen Ebenbildern, den erſchaffe- nen, guten Geiſtern? Und was ſollte dieſen Geiſtern mehr Ruhe ſchaffen können, als dieſe ihre Einigung mit dem Mittelpunkte aller Seligkeit? Mögen ſich doch die Menſchen auch von dieſer Sache noch ſo ebenteur- liche Begriffe gebildet haben: die Sache bleibt immer die

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/76>, abgerufen am 29.03.2024.