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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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und vollkommne Liebe treibt alle Furcht aus. Ich
weiss nicht, ob je ein Mensch einen tiefern Blick in
die Seele gethan, als der bey diesen zwey Schriftleh-
ren zu Grunde liegt. Wenn die Liebe gegen Gott das
erste Gesetz ist, so soll es auch die erste Angelegenheit
des Menschen seyn, sich hierinn nicht zu täuschen.
Die angegebnen Prüfsteine entfernen nun wirklich von
jedem, der sie brauchen kann und will, alle Gefahr
einer Täuschung. "Nicht schöne, süsse Worte, nicht
verfliegende Gefühle, nicht helle Erkenntnisse, nicht mu-
thige Entschliessungen
, sondern der bleibende Sinn des
Gehorsams
, der allen erkannten Willen Gottes voll-
bringt, und der bleibende Sinn der Zuversicht, die alle
Furcht meistert, und die Seele mit Frieden tränkt, be-
weisen das Daseyn der heiligen Liebe." Diess lehrt die
Schrift. Wenn nun der gewöhnliche Mensch sein In-
neres, auch nur Einen Tag über, strenge beobachtet:
so wird er in sich unzählige Abweichungen von dem
erkannten Willen Gottes und zugleich Unruhe und
Mangel am Vertrauen entdecken, Beweise genug, wie
sehr es ihm an Liebe gegen Gott noch fehle. Und so
wird jeder aufmerksame Selbstbeobachter die Wahr-
heit der Schrift, in so ferne sie die Prüfsteine der Liebe
angiebt, an seinem Herzen erfahren können. Der
Nachdenkende wird sich überdiess leicht überzeugen
können, dass es zur Natur der Liebe gehöre, grosse
Opfer
dem Willen des Geliebten zu bringen, und eine
starke Zuversicht zu dem, für den die ganze Seele thä-
tig ist, in das Herz zu legen. Die gegebnen Prüf-
steine dienen auch, die Stuffen der Liebe gegen Gott

zuver-
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und vollkommne Liebe treibt alle Furcht aus. Ich
weiſs nicht, ob je ein Menſch einen tiefern Blick in
die Seele gethan, als der bey dieſen zwey Schriftleh-
ren zu Grunde liegt. Wenn die Liebe gegen Gott das
erſte Geſetz iſt, ſo ſoll es auch die erſte Angelegenheit
des Menſchen ſeyn, ſich hierinn nicht zu täuſchen.
Die angegebnen Prüfſteine entfernen nun wirklich von
jedem, der ſie brauchen kann und will, alle Gefahr
einer Täuſchung. „Nicht ſchöne, ſüſse Worte, nicht
verfliegende Gefühle, nicht helle Erkenntniſſe, nicht mu-
thige Entſchlieſsungen
, ſondern der bleibende Sinn des
Gehorſams
, der allen erkannten Willen Gottes voll-
bringt, und der bleibende Sinn der Zuverſicht, die alle
Furcht meiſtert, und die Seele mit Frieden tränkt, be-
weiſen das Daſeyn der heiligen Liebe.“ Dieſs lehrt die
Schrift. Wenn nun der gewöhnliche Menſch ſein In-
neres, auch nur Einen Tag über, ſtrenge beobachtet:
ſo wird er in ſich unzählige Abweichungen von dem
erkannten Willen Gottes und zugleich Unruhe und
Mangel am Vertrauen entdecken, Beweiſe genug, wie
ſehr es ihm an Liebe gegen Gott noch fehle. Und ſo
wird jeder aufmerkſame Selbſtbeobachter die Wahr-
heit der Schrift, in ſo ferne ſie die Prüfſteine der Liebe
angiebt, an ſeinem Herzen erfahren können. Der
Nachdenkende wird ſich überdieſs leicht überzeugen
können, daſs es zur Natur der Liebe gehöre, groſſe
Opfer
dem Willen des Geliebten zu bringen, und eine
ſtarke Zuverſicht zu dem, für den die ganze Seele thä-
tig iſt, in das Herz zu legen. Die gegebnen Prüf-
ſteine dienen auch, die Stuffen der Liebe gegen Gott

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[55/0069] und vollkommne Liebe treibt alle Furcht aus. Ich weiſs nicht, ob je ein Menſch einen tiefern Blick in die Seele gethan, als der bey dieſen zwey Schriftleh- ren zu Grunde liegt. Wenn die Liebe gegen Gott das erſte Geſetz iſt, ſo ſoll es auch die erſte Angelegenheit des Menſchen ſeyn, ſich hierinn nicht zu täuſchen. Die angegebnen Prüfſteine entfernen nun wirklich von jedem, der ſie brauchen kann und will, alle Gefahr einer Täuſchung. „Nicht ſchöne, ſüſse Worte, nicht verfliegende Gefühle, nicht helle Erkenntniſſe, nicht mu- thige Entſchlieſsungen, ſondern der bleibende Sinn des Gehorſams, der allen erkannten Willen Gottes voll- bringt, und der bleibende Sinn der Zuverſicht, die alle Furcht meiſtert, und die Seele mit Frieden tränkt, be- weiſen das Daſeyn der heiligen Liebe.“ Dieſs lehrt die Schrift. Wenn nun der gewöhnliche Menſch ſein In- neres, auch nur Einen Tag über, ſtrenge beobachtet: ſo wird er in ſich unzählige Abweichungen von dem erkannten Willen Gottes und zugleich Unruhe und Mangel am Vertrauen entdecken, Beweiſe genug, wie ſehr es ihm an Liebe gegen Gott noch fehle. Und ſo wird jeder aufmerkſame Selbſtbeobachter die Wahr- heit der Schrift, in ſo ferne ſie die Prüfſteine der Liebe angiebt, an ſeinem Herzen erfahren können. Der Nachdenkende wird ſich überdieſs leicht überzeugen können, daſs es zur Natur der Liebe gehöre, groſſe Opfer dem Willen des Geliebten zu bringen, und eine ſtarke Zuverſicht zu dem, für den die ganze Seele thä- tig iſt, in das Herz zu legen. Die gegebnen Prüf- ſteine dienen auch, die Stuffen der Liebe gegen Gott zuver- D 4

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/69>, abgerufen am 22.11.2024.