Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Letzlich: darf und soll der Prediger auch auf
sein Talent, sein Alter, sein Verdienst, seinen Credit,
und die inviduelle Stimmung seines Gemüthes sehen, um
zu lehren, wie er soll.

Lehre so, wie du lehren kannst und musst,
um die Kraft des Evangeliums nicht zu hem-
men, selbst durch deine Bemühung, ihre Wir-
kung zu fördern.

Trägheit und Eitelkeit hindern auch unter Predi-
gern, wie unter den übrigen Menschenklassen, den
rechten Gebrauch der Talente. Der Träge wuchert gar
nicht;
der Eitle nicht mit seiner Gabe. Es hat jeder
Mensch, so wie eine eigne Person, also auch ein eigen
Vermögen zu überzeugen von dem, und zu rühren
durch das, wovon er überzeugt ist, und was ihn
rührt.

Dieses Vermögen aus Trägheit -- ungeübt, oder
aus Eitelkeit überspannt oder verschraubt -- bildet
schlechte Prediger. Lehre also, wie du nach deinen
Gaben lehren kannst. Predige nicht, wie die berühm-
testen Männer deiner Zeit predigen: denn du bist du,
und kein anderer; du machst dich lächerlich, wenn du
mehr seyn willst, als du kannst; und du machest dich
strafwürdig, wenn du nicht all das bist, was du seyn
kannst -- zum Besten anderer.

Auch das Alter des Predigers kann seinen War-
nungen, Bitten
und brüderlichen Bestrafungen Gewicht
geben oder nehmen. Und es liegt grosse Weisheit in

den

Letzlich: darf und ſoll der Prediger auch auf
ſein Talent, ſein Alter, ſein Verdienſt, ſeinen Credit,
und die inviduelle Stimmung ſeines Gemüthes ſehen, um
zu lehren, wie er ſoll.

Lehre ſo, wie du lehren kannſt und muſst,
um die Kraft des Evangeliums nicht zu hem-
men, ſelbſt durch deine Bemühung, ihre Wir-
kung zu fördern.

Trägheit und Eitelkeit hindern auch unter Predi-
gern, wie unter den übrigen Menſchenklaſſen, den
rechten Gebrauch der Talente. Der Träge wuchert gar
nicht;
der Eitle nicht mit ſeiner Gabe. Es hat jeder
Menſch, ſo wie eine eigne Perſon, alſo auch ein eigen
Vermögen zu überzeugen von dem, und zu rühren
durch das, wovon er überzeugt iſt, und was ihn
rührt.

Dieſes Vermögen aus Trägheit — ungeübt, oder
aus Eitelkeit überſpannt oder verſchraubt — bildet
ſchlechte Prediger. Lehre alſo, wie du nach deinen
Gaben lehren kannſt. Predige nicht, wie die berühm-
teſten Männer deiner Zeit predigen: denn du biſt du,
und kein anderer; du machſt dich lächerlich, wenn du
mehr ſeyn willſt, als du kannſt; und du macheſt dich
ſtrafwürdig, wenn du nicht all das biſt, was du ſeyn
kannſt — zum Beſten anderer.

Auch das Alter des Predigers kann ſeinen War-
nungen, Bitten
und brüderlichen Beſtrafungen Gewicht
geben oder nehmen. Und es liegt groſſe Weisheit in

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0058" n="44"/>
          <p><hi rendition="#i">Letzlich:</hi> darf und &#x017F;oll der Prediger auch auf<lb/><hi rendition="#i">&#x017F;ein Talent, &#x017F;ein Alter, &#x017F;ein Verdien&#x017F;t, &#x017F;einen Credit</hi>,<lb/>
und <hi rendition="#i">die inviduelle Stimmung</hi> &#x017F;eines Gemüthes &#x017F;ehen, um<lb/>
zu lehren, wie er &#x017F;oll.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#i">Lehre &#x017F;o, wie du lehren kann&#x017F;t und mu&#x017F;st,<lb/>
um die Kraft des Evangeliums nicht zu hem-<lb/>
men, &#x017F;elb&#x017F;t durch deine Bemühung, ihre Wir-<lb/>
kung zu fördern.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">Trägheit und Eitelkeit</hi> hindern auch unter Predi-<lb/>
gern, wie unter den übrigen Men&#x017F;chenkla&#x017F;&#x017F;en, den<lb/>
rechten Gebrauch der Talente. Der Träge <hi rendition="#i">wuchert gar<lb/>
nicht;</hi> der Eitle nicht mit <hi rendition="#i">&#x017F;einer Gabe</hi>. Es hat jeder<lb/>
Men&#x017F;ch, &#x017F;o wie eine eigne Per&#x017F;on, al&#x017F;o auch ein eigen<lb/>
Vermögen <hi rendition="#i">zu überzeugen</hi> von dem, und <hi rendition="#i">zu rühren</hi><lb/>
durch das, wovon er überzeugt i&#x017F;t, und was ihn<lb/>
rührt.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es Vermögen aus Trägheit &#x2014; <hi rendition="#i">ungeübt</hi>, oder<lb/>
aus Eitelkeit <hi rendition="#i">über&#x017F;pannt</hi> oder <hi rendition="#i">ver&#x017F;chraubt</hi> &#x2014; bildet<lb/>
&#x017F;chlechte Prediger. Lehre al&#x017F;o, wie du nach deinen<lb/>
Gaben lehren kann&#x017F;t. Predige nicht, wie die berühm-<lb/>
te&#x017F;ten Männer deiner Zeit predigen: denn du bi&#x017F;t du,<lb/>
und kein anderer; du mach&#x017F;t dich <hi rendition="#i">lächerlich</hi>, wenn du<lb/>
mehr &#x017F;eyn will&#x017F;t, als du kann&#x017F;t; und du mache&#x017F;t dich<lb/><hi rendition="#i">&#x017F;trafwürdig</hi>, wenn du nicht <hi rendition="#i">all das</hi> bi&#x017F;t, was du &#x017F;eyn<lb/>
kann&#x017F;t &#x2014; zum Be&#x017F;ten anderer.</p><lb/>
          <p>Auch das <hi rendition="#i">Alter</hi> des Predigers kann &#x017F;einen <hi rendition="#i">War-<lb/>
nungen, Bitten</hi> und brüderlichen <hi rendition="#i">Be&#x017F;trafungen</hi> Gewicht<lb/>
geben oder nehmen. Und es liegt gro&#x017F;&#x017F;e Weisheit in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0058] Letzlich: darf und ſoll der Prediger auch auf ſein Talent, ſein Alter, ſein Verdienſt, ſeinen Credit, und die inviduelle Stimmung ſeines Gemüthes ſehen, um zu lehren, wie er ſoll. Lehre ſo, wie du lehren kannſt und muſst, um die Kraft des Evangeliums nicht zu hem- men, ſelbſt durch deine Bemühung, ihre Wir- kung zu fördern. Trägheit und Eitelkeit hindern auch unter Predi- gern, wie unter den übrigen Menſchenklaſſen, den rechten Gebrauch der Talente. Der Träge wuchert gar nicht; der Eitle nicht mit ſeiner Gabe. Es hat jeder Menſch, ſo wie eine eigne Perſon, alſo auch ein eigen Vermögen zu überzeugen von dem, und zu rühren durch das, wovon er überzeugt iſt, und was ihn rührt. Dieſes Vermögen aus Trägheit — ungeübt, oder aus Eitelkeit überſpannt oder verſchraubt — bildet ſchlechte Prediger. Lehre alſo, wie du nach deinen Gaben lehren kannſt. Predige nicht, wie die berühm- teſten Männer deiner Zeit predigen: denn du biſt du, und kein anderer; du machſt dich lächerlich, wenn du mehr ſeyn willſt, als du kannſt; und du macheſt dich ſtrafwürdig, wenn du nicht all das biſt, was du ſeyn kannſt — zum Beſten anderer. Auch das Alter des Predigers kann ſeinen War- nungen, Bitten und brüderlichen Beſtrafungen Gewicht geben oder nehmen. Und es liegt groſſe Weisheit in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/58
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/58>, abgerufen am 25.11.2024.