Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur Species gehören, so könne es doch vorkommen, daß der spezifischeCharakter nicht perpetuirlich und infallibel ist. Es können Sa- men zuweilen degeneriren und Pflanzen hervorbringen, welche von der Mutterpflanze specifisch verschieden sind, wenn dieß auch nur selten geschieht; und so gebe es eine Transmutation der Species, wie die Erfahrung lehrt. Zwar hielt er die Angaben verschiedener Schriftsteller, nach denen Triticum in Lolium, Sisymbrium in Mentha, Zea in Triticum u. s. w. sich um- wandeln solle, für sehr zweifelhaft, doch gebe es andere Fälle, welche durchaus gewiß sind; so habe ein Gärtner in London nach gerichtlichem Ausweis Samen von Blumenkohl verkauft, der dann aber nur gemeinen Kohl hervorgebracht habe. Zu beachten sei jedoch, daß solche Transmutationen nur zwischen nahe verwandten und derselben Gattung angehörigen Species vorkommen und Manche, sagt er, würden vielleicht nicht einräumen, daß solche Pflanzen specifisch verschieden sind. -- Mir scheint nun in diesen Worten, zumal wenn man sie in Zusammenhang mit allem Uebrigen auffaßt, nicht mehr zu liegen, als die Ansicht, daß innerhalb enger Verwandtschaft besonders bei Culturpflanzen gewisse und unbeträchtliche Variationen möglich sind. Auch spricht Ray nicht von der Entstehung neuer Pflanzen- formen, sondern davon, daß sich eine bekannte Form in eine andere schon vorhandene und bekannte Form umwandelt, also das Gegentheil dessen, was die Descendenztheorie verlangt. Bei seiner Entwicklung der Principien der Systematik stoßen Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur Species gehören, ſo könne es doch vorkommen, daß der ſpezifiſcheCharakter nicht perpetuirlich und infallibel iſt. Es können Sa- men zuweilen degeneriren und Pflanzen hervorbringen, welche von der Mutterpflanze ſpecifiſch verſchieden ſind, wenn dieß auch nur ſelten geſchieht; und ſo gebe es eine Transmutation der Species, wie die Erfahrung lehrt. Zwar hielt er die Angaben verſchiedener Schriftſteller, nach denen Triticum in Lolium, Sisymbrium in Mentha, Zea in Triticum u. ſ. w. ſich um- wandeln ſolle, für ſehr zweifelhaft, doch gebe es andere Fälle, welche durchaus gewiß ſind; ſo habe ein Gärtner in London nach gerichtlichem Ausweis Samen von Blumenkohl verkauft, der dann aber nur gemeinen Kohl hervorgebracht habe. Zu beachten ſei jedoch, daß ſolche Transmutationen nur zwiſchen nahe verwandten und derſelben Gattung angehörigen Species vorkommen und Manche, ſagt er, würden vielleicht nicht einräumen, daß ſolche Pflanzen ſpecifiſch verſchieden ſind. — Mir ſcheint nun in dieſen Worten, zumal wenn man ſie in Zuſammenhang mit allem Uebrigen auffaßt, nicht mehr zu liegen, als die Anſicht, daß innerhalb enger Verwandtſchaft beſonders bei Culturpflanzen gewiſſe und unbeträchtliche Variationen möglich ſind. Auch ſpricht Ray nicht von der Entſtehung neuer Pflanzen- formen, ſondern davon, daß ſich eine bekannte Form in eine andere ſchon vorhandene und bekannte Form umwandelt, alſo das Gegentheil deſſen, was die Deſcendenztheorie verlangt. Bei ſeiner Entwicklung der Principien der Syſtematik ſtoßen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="76"/><fw place="top" type="header">Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur</fw><lb/> Species gehören, ſo könne es doch vorkommen, daß der ſpezifiſche<lb/> Charakter nicht perpetuirlich und infallibel iſt. Es können Sa-<lb/> men zuweilen degeneriren und Pflanzen hervorbringen, welche<lb/> von der Mutterpflanze ſpecifiſch verſchieden ſind, wenn dieß auch<lb/> nur ſelten geſchieht; und ſo gebe es eine Transmutation der<lb/> Species, wie die Erfahrung lehrt. 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Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
Species gehören, ſo könne es doch vorkommen, daß der ſpezifiſche
Charakter nicht perpetuirlich und infallibel iſt. Es können Sa-
men zuweilen degeneriren und Pflanzen hervorbringen, welche
von der Mutterpflanze ſpecifiſch verſchieden ſind, wenn dieß auch
nur ſelten geſchieht; und ſo gebe es eine Transmutation der
Species, wie die Erfahrung lehrt. Zwar hielt er die Angaben
verſchiedener Schriftſteller, nach denen Triticum in Lolium,
Sisymbrium in Mentha, Zea in Triticum u. ſ. w. ſich um-
wandeln ſolle, für ſehr zweifelhaft, doch gebe es andere Fälle,
welche durchaus gewiß ſind; ſo habe ein Gärtner in London
nach gerichtlichem Ausweis Samen von Blumenkohl verkauft,
der dann aber nur gemeinen Kohl hervorgebracht habe. Zu
beachten ſei jedoch, daß ſolche Transmutationen nur zwiſchen nahe
verwandten und derſelben Gattung angehörigen Species vorkommen
und Manche, ſagt er, würden vielleicht nicht einräumen, daß
ſolche Pflanzen ſpecifiſch verſchieden ſind. — Mir ſcheint nun
in dieſen Worten, zumal wenn man ſie in Zuſammenhang
mit allem Uebrigen auffaßt, nicht mehr zu liegen, als die
Anſicht, daß innerhalb enger Verwandtſchaft beſonders bei
Culturpflanzen gewiſſe und unbeträchtliche Variationen möglich
ſind. Auch ſpricht Ray nicht von der Entſtehung neuer Pflanzen-
formen, ſondern davon, daß ſich eine bekannte Form in eine
andere ſchon vorhandene und bekannte Form umwandelt, alſo
das Gegentheil deſſen, was die Deſcendenztheorie verlangt.
Bei ſeiner Entwicklung der Principien der Syſtematik ſtoßen
wir unter Anderem auf einen folgeſchweren Irrthum in der An-
wendung des Satzes: natura non facit saltus, inſoferne der-
ſelbe ſo aufgefaßt wird, als ob alle Verwandtſchaftsverhältniſſe
ſich in einer geradlinigen Reihe darſtellen müßten, ein Irrthum,
der die natürliche Syſtematik bis in unſer Jahrhundert herein
vielfach irre geführt hat und erſt von Pyrame Decandolle
als Irrthum erkannt wurde; daß der Satz auch dann giltig
bleibt, wenn die Verwandtſchaftsverhältniſſe in Form verzweigter
Reihen, alſo nach Art eines Stammbaumes ſich ordnen, wurde
überſehen. Viel beſſer iſt Ray's Bemerkung, daß eine richtige
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