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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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der Organe von Caesalpin bis auf Linne.
der verschiedensten Pflanzen enthält. Die Ursache dieser anscheinend
so merkwürdigen Erscheinung aber liegt darin, daß Caesalpin
aus a priori abgeleiteten Gründen die Merkmale glaubte bestimmen
zu können, nach denen sich die natürlichen Verwandtschaften richten.
Eine beinahe 300jährige ununterbrochene Arbeit, welche immer
wieder von demselben Grundsatz ausging oder factisch doch in
dieser Weise sich bethätigte, hat den inductiven Beweis geliefert,
daß der von Caesalpin eingeschlagene Weg ein Irrweg ist.
Wenn dennoch bei der Verfolgung desselben bis zur Mitte des
18. Jahrhunderts die natürlichen Verwandtschaftsgruppen immer
deutlicher hervortreten, so geschah es, weil eben auch der auf
einem Irrweg Begriffene nach und nach die Gegend, in welcher
er umherirrt, immer besser kennen lernt und endlich ahnt, welcher
Weg der richtige gewesen sein würde.

Joachim Jungius 1) wurde 1587 in Lübeck geboren
und starb nach einem vielbewegten Leben 1657. Er war ein
Zeitgenosse Keppler's, Galilaei's, Vesal's, Bakon's,
Gassendi's und Descarte's. Nachdem er in Gießen bereits
Professor gewesen, wandte er sich in Rostock dem Studium der
Medizin zu, ging 1618-1619 nach Padua und lernte dort,
wie wir mit Bestimmtheit annehmen dürfen, die botanischen
Lehren des bereits 15 Jahre vorher verstorbenen Caesalpin
kennen. Nach Deutschland zurückgekehrt, bekleidete Jungius
während der nächsten zehn Jahre verschiedene Professuren in
Lübeck und Helmstätt und wurde 1629 Rector des Johanneums
in Hamburg. Seine wissenschaftliche Thätigkeit umfaßte die ver-
schiedensten Gebiete, vorwiegend das der Philosophie, in welcher
er als Gegner der Scholastik und des Aristoteles auftrat;
ferner die Mathematik, Physik, Mineralogie, Zoologie und Bo-
tanik. In allen diesen Richtungen verhielt er sich nicht blos
receptiv und lehrend, sondern vor Allem kritisch sichtend und

1) Vergl. seine Biographie von Guhrauer: Joachim Jungius
und sein Zeitalter, Tübingen 1850. Ueber seine Bedeutung als Philosoph
vergl. Ueberweg, Geschichte der Philosophie 1898 III. p. 119, wo Jun-
gius als Vorgänger Leibnitzen's bezeichnet wird.

der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
der verſchiedenſten Pflanzen enthält. Die Urſache dieſer anſcheinend
ſo merkwürdigen Erſcheinung aber liegt darin, daß Caeſalpin
aus a priori abgeleiteten Gründen die Merkmale glaubte beſtimmen
zu können, nach denen ſich die natürlichen Verwandtſchaften richten.
Eine beinahe 300jährige ununterbrochene Arbeit, welche immer
wieder von demſelben Grundſatz ausging oder factiſch doch in
dieſer Weiſe ſich bethätigte, hat den inductiven Beweis geliefert,
daß der von Caeſalpin eingeſchlagene Weg ein Irrweg iſt.
Wenn dennoch bei der Verfolgung desſelben bis zur Mitte des
18. Jahrhunderts die natürlichen Verwandtſchaftsgruppen immer
deutlicher hervortreten, ſo geſchah es, weil eben auch der auf
einem Irrweg Begriffene nach und nach die Gegend, in welcher
er umherirrt, immer beſſer kennen lernt und endlich ahnt, welcher
Weg der richtige geweſen ſein würde.

Joachim Jungius 1) wurde 1587 in Lübeck geboren
und ſtarb nach einem vielbewegten Leben 1657. Er war ein
Zeitgenoſſe Keppler's, Galilaei's, Vesal's, Bakon's,
Gaſſendi's und Descarte's. Nachdem er in Gießen bereits
Profeſſor geweſen, wandte er ſich in Roſtock dem Studium der
Medizin zu, ging 1618-1619 nach Padua und lernte dort,
wie wir mit Beſtimmtheit annehmen dürfen, die botaniſchen
Lehren des bereits 15 Jahre vorher verſtorbenen Caeſalpin
kennen. Nach Deutſchland zurückgekehrt, bekleidete Jungius
während der nächſten zehn Jahre verſchiedene Profeſſuren in
Lübeck und Helmſtätt und wurde 1629 Rector des Johanneums
in Hamburg. Seine wiſſenſchaftliche Thätigkeit umfaßte die ver-
ſchiedenſten Gebiete, vorwiegend das der Philoſophie, in welcher
er als Gegner der Scholaſtik und des Ariſtoteles auftrat;
ferner die Mathematik, Phyſik, Mineralogie, Zoologie und Bo-
tanik. In allen dieſen Richtungen verhielt er ſich nicht blos
receptiv und lehrend, ſondern vor Allem kritiſch ſichtend und

1) Vergl. ſeine Biographie von Guhrauer: Joachim Jungius
und ſein Zeitalter, Tübingen 1850. Ueber ſeine Bedeutung als Philoſoph
vergl. Ueberweg, Geſchichte der Philoſophie 1898 III. p. 119, wo Jun-
gius als Vorgänger Leibnitzen's bezeichnet wird.
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[63/0075] der Organe von Caeſalpin bis auf Linné. der verſchiedenſten Pflanzen enthält. Die Urſache dieſer anſcheinend ſo merkwürdigen Erſcheinung aber liegt darin, daß Caeſalpin aus a priori abgeleiteten Gründen die Merkmale glaubte beſtimmen zu können, nach denen ſich die natürlichen Verwandtſchaften richten. Eine beinahe 300jährige ununterbrochene Arbeit, welche immer wieder von demſelben Grundſatz ausging oder factiſch doch in dieſer Weiſe ſich bethätigte, hat den inductiven Beweis geliefert, daß der von Caeſalpin eingeſchlagene Weg ein Irrweg iſt. Wenn dennoch bei der Verfolgung desſelben bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts die natürlichen Verwandtſchaftsgruppen immer deutlicher hervortreten, ſo geſchah es, weil eben auch der auf einem Irrweg Begriffene nach und nach die Gegend, in welcher er umherirrt, immer beſſer kennen lernt und endlich ahnt, welcher Weg der richtige geweſen ſein würde. Joachim Jungius 1) wurde 1587 in Lübeck geboren und ſtarb nach einem vielbewegten Leben 1657. Er war ein Zeitgenoſſe Keppler's, Galilaei's, Vesal's, Bakon's, Gaſſendi's und Descarte's. Nachdem er in Gießen bereits Profeſſor geweſen, wandte er ſich in Roſtock dem Studium der Medizin zu, ging 1618-1619 nach Padua und lernte dort, wie wir mit Beſtimmtheit annehmen dürfen, die botaniſchen Lehren des bereits 15 Jahre vorher verſtorbenen Caeſalpin kennen. Nach Deutſchland zurückgekehrt, bekleidete Jungius während der nächſten zehn Jahre verſchiedene Profeſſuren in Lübeck und Helmſtätt und wurde 1629 Rector des Johanneums in Hamburg. Seine wiſſenſchaftliche Thätigkeit umfaßte die ver- ſchiedenſten Gebiete, vorwiegend das der Philoſophie, in welcher er als Gegner der Scholaſtik und des Ariſtoteles auftrat; ferner die Mathematik, Phyſik, Mineralogie, Zoologie und Bo- tanik. In allen dieſen Richtungen verhielt er ſich nicht blos receptiv und lehrend, ſondern vor Allem kritiſch ſichtend und 1) Vergl. ſeine Biographie von Guhrauer: Joachim Jungius und ſein Zeitalter, Tübingen 1850. Ueber ſeine Bedeutung als Philoſoph vergl. Ueberweg, Geſchichte der Philoſophie 1898 III. p. 119, wo Jun- gius als Vorgänger Leibnitzen's bezeichnet wird.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/75>, abgerufen am 23.11.2024.