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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Phytodynamik.
durch Endosmose die verschiedensten Krümmungen zu erklären,
Größen- und Schichtungsverhältnisse der Zellen an, die factisch
nicht existiren und anderseits genügte ihm die Endosmose im
Parenchym nicht; er zog vielmehr auch Veränderungen in den
Gefäßbündeln herbei, welche durch die Einwirkung des Sauer-
stoffs in unerklärter Weise hervorgerufen werden sollten. So
gab sich Dutrochet bei der Erklärung der einzelnen Vorgänge
allerdings Blößen und seine mechanischen Theorieen blieben un-
befriedigend; Anerkennung verdient aber, und für die Entwicke-
lung der Phytodynamik werthvoll war, daß Dutrochet mit
ganz entschiedenem Ernst darauf ausging, die Pflanzenbewegungen
im Einzelnen mechanisch zu erklären; denn selbst die Gegner
solcher Erklärungen mußten sich, um ihn zu widerlegen, doch in
mechanische Verhältnisse vertiefen und mit der einfachen Behaupt-
ung, das Alles mache die Lebenskraft, konnte man jetzt Nie-
mandem mehr imponiren; selbst ein so ganz in der Lebenskraft
befangener Mann, wie Treviranus, mußte sich mit der Endos-
mose abzufinden suchen. Uebrigens boten Dutrochet's aus-
führliche phytodynamische Untersuchungen eine Fülle interessanter
Erfahrungen, seiner Combinationen und anregender Betrachtungen,
durch welche die Lectüre derselben noch jetzt lehrreich, jedem der
sich selbst mit derartigen Forschungen beschäftigt, sogar unent-
behrlich ist; eine Vergleichung seiner betreffenden Aufsätze in den
Memoires von 1837 mit dem, was vorher über die Mechanik
der Pflanzenbewegungen bekannt war, läßt nicht verkennen, daß
hier an die Stelle der früheren behaglichen Gedankenlosigkeit,
energische Verstandesarbeit getreten war.

Vollständig mechanisch erklärt war also noch keine einzige
Pflanzenbewegung; wohl aber hatten sich bis zum Schluß der
dreißiger Jahre die Ansichten geklärt; die Mitwirkung der äußeren
Agentien war in der Hauptsache bekannt, die verschiedenen Be-
wegungsformen besser auseinander gehalten, wenn auch in dieser
Richtung noch viel zu thun übrig blieb; und was die mechani-
schen Veränderungen im Gewebe der beweglichen Theile anbe-
langt, so war in der Endosmose wenigstens ein Factor gegeben,

Geſchichte der Phytodynamik.
durch Endosmoſe die verſchiedenſten Krümmungen zu erklären,
Größen- und Schichtungsverhältniſſe der Zellen an, die factiſch
nicht exiſtiren und anderſeits genügte ihm die Endosmoſe im
Parenchym nicht; er zog vielmehr auch Veränderungen in den
Gefäßbündeln herbei, welche durch die Einwirkung des Sauer-
ſtoffs in unerklärter Weiſe hervorgerufen werden ſollten. So
gab ſich Dutrochet bei der Erklärung der einzelnen Vorgänge
allerdings Blößen und ſeine mechaniſchen Theorieen blieben un-
befriedigend; Anerkennung verdient aber, und für die Entwicke-
lung der Phytodynamik werthvoll war, daß Dutrochet mit
ganz entſchiedenem Ernſt darauf ausging, die Pflanzenbewegungen
im Einzelnen mechaniſch zu erklären; denn ſelbſt die Gegner
ſolcher Erklärungen mußten ſich, um ihn zu widerlegen, doch in
mechaniſche Verhältniſſe vertiefen und mit der einfachen Behaupt-
ung, das Alles mache die Lebenskraft, konnte man jetzt Nie-
mandem mehr imponiren; ſelbſt ein ſo ganz in der Lebenskraft
befangener Mann, wie Treviranus, mußte ſich mit der Endos-
moſe abzufinden ſuchen. Uebrigens boten Dutrochet's aus-
führliche phytodynamiſche Unterſuchungen eine Fülle intereſſanter
Erfahrungen, ſeiner Combinationen und anregender Betrachtungen,
durch welche die Lectüre derſelben noch jetzt lehrreich, jedem der
ſich ſelbſt mit derartigen Forſchungen beſchäftigt, ſogar unent-
behrlich iſt; eine Vergleichung ſeiner betreffenden Aufſätze in den
Mémoires von 1837 mit dem, was vorher über die Mechanik
der Pflanzenbewegungen bekannt war, läßt nicht verkennen, daß
hier an die Stelle der früheren behaglichen Gedankenloſigkeit,
energiſche Verſtandesarbeit getreten war.

Vollſtändig mechaniſch erklärt war alſo noch keine einzige
Pflanzenbewegung; wohl aber hatten ſich bis zum Schluß der
dreißiger Jahre die Anſichten geklärt; die Mitwirkung der äußeren
Agentien war in der Hauptſache bekannt, die verſchiedenen Be-
wegungsformen beſſer auseinander gehalten, wenn auch in dieſer
Richtung noch viel zu thun übrig blieb; und was die mechani-
ſchen Veränderungen im Gewebe der beweglichen Theile anbe-
langt, ſo war in der Endosmoſe wenigſtens ein Factor gegeben,

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[597/0609] Geſchichte der Phytodynamik. durch Endosmoſe die verſchiedenſten Krümmungen zu erklären, Größen- und Schichtungsverhältniſſe der Zellen an, die factiſch nicht exiſtiren und anderſeits genügte ihm die Endosmoſe im Parenchym nicht; er zog vielmehr auch Veränderungen in den Gefäßbündeln herbei, welche durch die Einwirkung des Sauer- ſtoffs in unerklärter Weiſe hervorgerufen werden ſollten. So gab ſich Dutrochet bei der Erklärung der einzelnen Vorgänge allerdings Blößen und ſeine mechaniſchen Theorieen blieben un- befriedigend; Anerkennung verdient aber, und für die Entwicke- lung der Phytodynamik werthvoll war, daß Dutrochet mit ganz entſchiedenem Ernſt darauf ausging, die Pflanzenbewegungen im Einzelnen mechaniſch zu erklären; denn ſelbſt die Gegner ſolcher Erklärungen mußten ſich, um ihn zu widerlegen, doch in mechaniſche Verhältniſſe vertiefen und mit der einfachen Behaupt- ung, das Alles mache die Lebenskraft, konnte man jetzt Nie- mandem mehr imponiren; ſelbſt ein ſo ganz in der Lebenskraft befangener Mann, wie Treviranus, mußte ſich mit der Endos- moſe abzufinden ſuchen. Uebrigens boten Dutrochet's aus- führliche phytodynamiſche Unterſuchungen eine Fülle intereſſanter Erfahrungen, ſeiner Combinationen und anregender Betrachtungen, durch welche die Lectüre derſelben noch jetzt lehrreich, jedem der ſich ſelbſt mit derartigen Forſchungen beſchäftigt, ſogar unent- behrlich iſt; eine Vergleichung ſeiner betreffenden Aufſätze in den Mémoires von 1837 mit dem, was vorher über die Mechanik der Pflanzenbewegungen bekannt war, läßt nicht verkennen, daß hier an die Stelle der früheren behaglichen Gedankenloſigkeit, energiſche Verſtandesarbeit getreten war. Vollſtändig mechaniſch erklärt war alſo noch keine einzige Pflanzenbewegung; wohl aber hatten ſich bis zum Schluß der dreißiger Jahre die Anſichten geklärt; die Mitwirkung der äußeren Agentien war in der Hauptſache bekannt, die verſchiedenen Be- wegungsformen beſſer auseinander gehalten, wenn auch in dieſer Richtung noch viel zu thun übrig blieb; und was die mechani- ſchen Veränderungen im Gewebe der beweglichen Theile anbe- langt, ſo war in der Endosmoſe wenigſtens ein Factor gegeben,

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/609>, abgerufen am 28.04.2024.