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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
zenphysiologen von Fach handelte; sie waren das ebensowenig
wie Davy, Berzelius oder Mulder. Pflanzenphysiologen
von Fach, officielle öffentliche Vertreter der Pflanzenphysiologie
gab es ja überhaupt nicht und damals wie jetzt wurde eben
Jeder, der sich gelegentlich mit pflanzenphysiologischen Fragen
beschäftigte, als Pflanzenphysiolog bezeichnet. Die Polemik lief
in dieser Beziehung also auf einen Wortstreit hinaus, während
Liebig, Mohl und Schleiden sich die schöne Gelegenheit
entgehen ließen, dem Gedanken öffentlich Geltung zu verschaffen,
daß es hohe Zeit sei, für eine so wichtige Disciplin endlich öf-
fentliche officielle Vertreter anzustellen, die sich ihr ganz aus-
schließlich widmen konnten; wie sollte man von den Professoren
der Botanik, von denen Regierung und Publikum die Förderung
und Ueberlieferung der Systematik, nunmehr auch die der Phyto-
tomie, zudem die der Pharmacognosie erwarteten, und denen die
Verwaltung botanischer Gärten einen guten Theil ihrer Zeit
raubte, eine energische Förderung der Pflanzenphysiologie er-
warten, die ihrerseits ausgedehnte physikalische und chemische
Studien verlangt, und wo waren denn die Laboratorien und die
Instrumente zum fachmäßigen Betrieb der Pflanzenphysiologie?
Dieß Alles wurde nicht angeregt und so blieb es denn einstweilen
bei altem Herkommen.

In der Sache selbst bezog sich übrigens die von Mohl,
Schleiden, verschiedenen Agriculturchemikern u. dgl. gegen
Liebig erhobene Polemik mehr auf Nebendinge, zu denen auch
das gerechnet werden konnte, daß Liebig von den anatomischen
Verhältnissen der Pflanze so gut wie Nichts verstand. Denn
Hauptsache war, daß er die schiefen Ansichten über die wahre
Natur der Pflanzennahrung zurecht gerichtet, grobe Irrthümer
abgewiesen, das principiell Wichtige vom Unbedeutenden ge-
sondert hatte. Daß ihm dieß vollkommen gelungen war, zeigt
die gesammte Literatur über die Pflanzenernährung nach 1840;
auch die erwähnten Streitschriften standen in der Hauptsache auf
dem von Liebig geklärten Boden. Auf einmal wußten jetzt Alle,
welche Bedeutung die Kohlensäurezersetzung in grünen Pflanzen-

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
zenphyſiologen von Fach handelte; ſie waren das ebenſowenig
wie Davy, Berzelius oder Mulder. Pflanzenphyſiologen
von Fach, officielle öffentliche Vertreter der Pflanzenphyſiologie
gab es ja überhaupt nicht und damals wie jetzt wurde eben
Jeder, der ſich gelegentlich mit pflanzenphyſiologiſchen Fragen
beſchäftigte, als Pflanzenphyſiolog bezeichnet. Die Polemik lief
in dieſer Beziehung alſo auf einen Wortſtreit hinaus, während
Liebig, Mohl und Schleiden ſich die ſchöne Gelegenheit
entgehen ließen, dem Gedanken öffentlich Geltung zu verſchaffen,
daß es hohe Zeit ſei, für eine ſo wichtige Disciplin endlich öf-
fentliche officielle Vertreter anzuſtellen, die ſich ihr ganz aus-
ſchließlich widmen konnten; wie ſollte man von den Profeſſoren
der Botanik, von denen Regierung und Publikum die Förderung
und Ueberlieferung der Syſtematik, nunmehr auch die der Phyto-
tomie, zudem die der Pharmacognoſie erwarteten, und denen die
Verwaltung botaniſcher Gärten einen guten Theil ihrer Zeit
raubte, eine energiſche Förderung der Pflanzenphyſiologie er-
warten, die ihrerſeits ausgedehnte phyſikaliſche und chemiſche
Studien verlangt, und wo waren denn die Laboratorien und die
Inſtrumente zum fachmäßigen Betrieb der Pflanzenphyſiologie?
Dieß Alles wurde nicht angeregt und ſo blieb es denn einſtweilen
bei altem Herkommen.

In der Sache ſelbſt bezog ſich übrigens die von Mohl,
Schleiden, verſchiedenen Agriculturchemikern u. dgl. gegen
Liebig erhobene Polemik mehr auf Nebendinge, zu denen auch
das gerechnet werden konnte, daß Liebig von den anatomiſchen
Verhältniſſen der Pflanze ſo gut wie Nichts verſtand. Denn
Hauptſache war, daß er die ſchiefen Anſichten über die wahre
Natur der Pflanzennahrung zurecht gerichtet, grobe Irrthümer
abgewieſen, das principiell Wichtige vom Unbedeutenden ge-
ſondert hatte. Daß ihm dieß vollkommen gelungen war, zeigt
die geſammte Literatur über die Pflanzenernährung nach 1840;
auch die erwähnten Streitſchriften ſtanden in der Hauptſache auf
dem von Liebig geklärten Boden. Auf einmal wußten jetzt Alle,
welche Bedeutung die Kohlenſäurezerſetzung in grünen Pflanzen-

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[572/0584] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. zenphyſiologen von Fach handelte; ſie waren das ebenſowenig wie Davy, Berzelius oder Mulder. Pflanzenphyſiologen von Fach, officielle öffentliche Vertreter der Pflanzenphyſiologie gab es ja überhaupt nicht und damals wie jetzt wurde eben Jeder, der ſich gelegentlich mit pflanzenphyſiologiſchen Fragen beſchäftigte, als Pflanzenphyſiolog bezeichnet. Die Polemik lief in dieſer Beziehung alſo auf einen Wortſtreit hinaus, während Liebig, Mohl und Schleiden ſich die ſchöne Gelegenheit entgehen ließen, dem Gedanken öffentlich Geltung zu verſchaffen, daß es hohe Zeit ſei, für eine ſo wichtige Disciplin endlich öf- fentliche officielle Vertreter anzuſtellen, die ſich ihr ganz aus- ſchließlich widmen konnten; wie ſollte man von den Profeſſoren der Botanik, von denen Regierung und Publikum die Förderung und Ueberlieferung der Syſtematik, nunmehr auch die der Phyto- tomie, zudem die der Pharmacognoſie erwarteten, und denen die Verwaltung botaniſcher Gärten einen guten Theil ihrer Zeit raubte, eine energiſche Förderung der Pflanzenphyſiologie er- warten, die ihrerſeits ausgedehnte phyſikaliſche und chemiſche Studien verlangt, und wo waren denn die Laboratorien und die Inſtrumente zum fachmäßigen Betrieb der Pflanzenphyſiologie? Dieß Alles wurde nicht angeregt und ſo blieb es denn einſtweilen bei altem Herkommen. In der Sache ſelbſt bezog ſich übrigens die von Mohl, Schleiden, verſchiedenen Agriculturchemikern u. dgl. gegen Liebig erhobene Polemik mehr auf Nebendinge, zu denen auch das gerechnet werden konnte, daß Liebig von den anatomiſchen Verhältniſſen der Pflanze ſo gut wie Nichts verſtand. Denn Hauptſache war, daß er die ſchiefen Anſichten über die wahre Natur der Pflanzennahrung zurecht gerichtet, grobe Irrthümer abgewieſen, das principiell Wichtige vom Unbedeutenden ge- ſondert hatte. Daß ihm dieß vollkommen gelungen war, zeigt die geſammte Literatur über die Pflanzenernährung nach 1840; auch die erwähnten Streitſchriften ſtanden in der Hauptſache auf dem von Liebig geklärten Boden. Auf einmal wußten jetzt Alle, welche Bedeutung die Kohlenſäurezerſetzung in grünen Pflanzen-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/584>, abgerufen am 22.11.2024.