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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Lebenskraft. -- Athmung und Eigenwärme; Endosmose.
Wasser zu den erwähnten Theilen. Die Säfte der Pflanzen
scheinen hauptsächlich durch die Interzellulargänge weiter geschafft
zu werden. Die Gefäße nehmen wahrscheinlich in gewissen
Fällen an diesen Verrichtungen Theil, dienen aber meistens nur
als Luftkanäle. -- Wie es scheint, sind die Zellen, die bei der
Ernährung wirklich thätigen Organe, in denen die Zersetzung und
Assimilation der Säfte vor sich geht. Die Cyclose (nämlich des
Schultze'schen Lebenssaftes) ist eine Erscheinung, die nur mit der
Bereitung der Milchsäfte in genauer Verbindung zu stehen scheint
und durch die lebensthätige Contractilität der Zellwände oder
der Röhren veranlaßt wird. In jeder Zelle setzen sich holzige
oder andere Substanzen in je nach den Arten und Nebenum-
ständen verschiedenen Mengen ab und bekleiden ihre Wände; die
ungleiche Dicke dieser abgelagerten Schicht scheint nach Hugo
Mohl die Veranlassung zur Annahme durchlöcherter Zellen ge-
geben zu haben; es erscheinen nämlich die durchsichtig bleibenden
Stellen der Zellwände unter dem Mikroskope wie Poren. --
Jede Zelle kann allerdings als ein Körper betrachtet werden, der
in seinem Innern Säfte bereitet; es steht aber bei den Gefäß-
pflanzen ihre Thätigkeit dermaßen mit einem aus Organen zu-
sammengesetzten Ganzen in Verbindung, daß eine einzelne Zelle
nicht das ganze Wesen vorstellt, wie man es hingegen von den
unter sich ähnlichen Zellen gewisser Zellularpflanzen sagen kann.
-- Einen dem Kreislaufe der Thiere wirklich ähnlichen Kreis-
lauf beobachtet man bei den Pflanzen nicht, wohl aber findet
ein abwechselndes Auf- und Absteigen des rohen Nahrungssaftes
und des mit ihm oft vermengten Bildungssaftes statt. Diese
beiden allgemeinen Erscheinungen werden vielleicht durch die
Contractilität der noch jungen Zellen bedingt, welches Zusammen-
ziehungsvermögen als dann die wahre Lebensverrichtung der Pflanzen
sein würde."

Das für uns Fremdartige in De Candolle's Ernähr-
ungstheorie verdankt sie ganz vorwiegend dem Vorwalten der
Lebenskraft; dabei giebt sie jedoch die Thatsachen in ihrem Ge-
sammtzusammenhang und das Beste an ihr ist, daß im Centrum

Sachs, Geschichte der Botanik. 36

Lebenskraft. — Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
Waſſer zu den erwähnten Theilen. Die Säfte der Pflanzen
ſcheinen hauptſächlich durch die Interzellulargänge weiter geſchafft
zu werden. Die Gefäße nehmen wahrſcheinlich in gewiſſen
Fällen an dieſen Verrichtungen Theil, dienen aber meiſtens nur
als Luftkanäle. — Wie es ſcheint, ſind die Zellen, die bei der
Ernährung wirklich thätigen Organe, in denen die Zerſetzung und
Aſſimilation der Säfte vor ſich geht. Die Cycloſe (nämlich des
Schultze'ſchen Lebensſaftes) iſt eine Erſcheinung, die nur mit der
Bereitung der Milchſäfte in genauer Verbindung zu ſtehen ſcheint
und durch die lebensthätige Contractilität der Zellwände oder
der Röhren veranlaßt wird. In jeder Zelle ſetzen ſich holzige
oder andere Subſtanzen in je nach den Arten und Nebenum-
ſtänden verſchiedenen Mengen ab und bekleiden ihre Wände; die
ungleiche Dicke dieſer abgelagerten Schicht ſcheint nach Hugo
Mohl die Veranlaſſung zur Annahme durchlöcherter Zellen ge-
geben zu haben; es erſcheinen nämlich die durchſichtig bleibenden
Stellen der Zellwände unter dem Mikroſkope wie Poren. —
Jede Zelle kann allerdings als ein Körper betrachtet werden, der
in ſeinem Innern Säfte bereitet; es ſteht aber bei den Gefäß-
pflanzen ihre Thätigkeit dermaßen mit einem aus Organen zu-
ſammengeſetzten Ganzen in Verbindung, daß eine einzelne Zelle
nicht das ganze Weſen vorſtellt, wie man es hingegen von den
unter ſich ähnlichen Zellen gewiſſer Zellularpflanzen ſagen kann.
— Einen dem Kreislaufe der Thiere wirklich ähnlichen Kreis-
lauf beobachtet man bei den Pflanzen nicht, wohl aber findet
ein abwechſelndes Auf- und Abſteigen des rohen Nahrungsſaftes
und des mit ihm oft vermengten Bildungsſaftes ſtatt. Dieſe
beiden allgemeinen Erſcheinungen werden vielleicht durch die
Contractilität der noch jungen Zellen bedingt, welches Zuſammen-
ziehungsvermögen als dann die wahre Lebensverrichtung der Pflanzen
ſein würde.“

Das für uns Fremdartige in De Candolle's Ernähr-
ungstheorie verdankt ſie ganz vorwiegend dem Vorwalten der
Lebenskraft; dabei giebt ſie jedoch die Thatſachen in ihrem Ge-
ſammtzuſammenhang und das Beſte an ihr iſt, daß im Centrum

Sachs, Geſchichte der Botanik. 36
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[561/0573] Lebenskraft. — Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe. Waſſer zu den erwähnten Theilen. Die Säfte der Pflanzen ſcheinen hauptſächlich durch die Interzellulargänge weiter geſchafft zu werden. Die Gefäße nehmen wahrſcheinlich in gewiſſen Fällen an dieſen Verrichtungen Theil, dienen aber meiſtens nur als Luftkanäle. — Wie es ſcheint, ſind die Zellen, die bei der Ernährung wirklich thätigen Organe, in denen die Zerſetzung und Aſſimilation der Säfte vor ſich geht. Die Cycloſe (nämlich des Schultze'ſchen Lebensſaftes) iſt eine Erſcheinung, die nur mit der Bereitung der Milchſäfte in genauer Verbindung zu ſtehen ſcheint und durch die lebensthätige Contractilität der Zellwände oder der Röhren veranlaßt wird. In jeder Zelle ſetzen ſich holzige oder andere Subſtanzen in je nach den Arten und Nebenum- ſtänden verſchiedenen Mengen ab und bekleiden ihre Wände; die ungleiche Dicke dieſer abgelagerten Schicht ſcheint nach Hugo Mohl die Veranlaſſung zur Annahme durchlöcherter Zellen ge- geben zu haben; es erſcheinen nämlich die durchſichtig bleibenden Stellen der Zellwände unter dem Mikroſkope wie Poren. — Jede Zelle kann allerdings als ein Körper betrachtet werden, der in ſeinem Innern Säfte bereitet; es ſteht aber bei den Gefäß- pflanzen ihre Thätigkeit dermaßen mit einem aus Organen zu- ſammengeſetzten Ganzen in Verbindung, daß eine einzelne Zelle nicht das ganze Weſen vorſtellt, wie man es hingegen von den unter ſich ähnlichen Zellen gewiſſer Zellularpflanzen ſagen kann. — Einen dem Kreislaufe der Thiere wirklich ähnlichen Kreis- lauf beobachtet man bei den Pflanzen nicht, wohl aber findet ein abwechſelndes Auf- und Abſteigen des rohen Nahrungsſaftes und des mit ihm oft vermengten Bildungsſaftes ſtatt. Dieſe beiden allgemeinen Erſcheinungen werden vielleicht durch die Contractilität der noch jungen Zellen bedingt, welches Zuſammen- ziehungsvermögen als dann die wahre Lebensverrichtung der Pflanzen ſein würde.“ Das für uns Fremdartige in De Candolle's Ernähr- ungstheorie verdankt ſie ganz vorwiegend dem Vorwalten der Lebenskraft; dabei giebt ſie jedoch die Thatſachen in ihrem Ge- ſammtzuſammenhang und das Beſte an ihr iſt, daß im Centrum Sachs, Geſchichte der Botanik. 36

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/573>, abgerufen am 22.11.2024.