Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen. der Saft wieder nach den Wurzeln zurück; als dann fängt dieUnterseite der Blätter ihre andere Verrichtung an, der langsam von der Erde aufsteigende Thau stößt auf diese Seite, er ver- dichtet sich hier und wird von den Härchen und sonstigen Vor- richtungen aufgehalten (dies geschieht aber auf der Oberseite in viel höherem Grade). Die hier vorhandenen Röhrchen saugen ihn sogleich ein (was handgreiflich falsch ist, da der Thau bis Sonnenaufgang sich vermehrt) und führen ihn in die Zweige, von wo er in den Stamm übergeht." Bonnet legte so großen Werth auf diese wunderliche Theorie, daß er sogar die helio- tropischen und geotropischen Krümmungen der Blätter und Stengel die er nicht aus einander zu halten wußte, und die Stellung der Blätter am Stamm nur mit Rücksicht auf seine oder besser Calandrini's Theorie teleologisch glaubte erklären zu können. -- Es war um so nöthiger hier auf das ganz Sinnlose in Bonnet's Ansicht von der Bedeutung der Blätter hinzuweisen, weil sie insofern von historischer Bedeutung ist, als sie Jahr- zehnte lang trotz der besseren älteren Leistungen geglaubt wurde und wir daraus ersehen, wie sehr die Urtheilsfähigkeit in solchen Dingen seit Malpighi abgenommen hatte. Das Lob aber, welches Bonnet von seinen Zeitgenossen gespendet wurde, hat offenbar verursacht, daß auch viel spätere Pflanzenphysiologen, die es besser wissen konnten, ihn für eine Autorität auf dem Gebiet der Ernährungslehre gehalten haben. Wo möglich noch unbedeutender als seine Versuche mit abgeschnittenen Blättern, waren seine "Versuche über das Wachsthum der Pflanzen in einer anderen Materie als der Erde." Auch hier war nicht einmal der Gedanke originell, denn erst auf die Nachricht hin, daß man in Berlin Landpflanzen statt in Erde, in zusammen- gehäuften Moos habe wachsen lassen, machte er selbst zahlreiche derartige Versuche und fand, daß manche Pflanzen auf diese Weise recht kräftig wachsen, blühen und Samen tragen. Für die Ernährungslehre war aber damit durchaus Nichts gewonnen, es war eine kindliche Spielerei ohne tieferen Sinn. Die wenigen Seiten, welche Malpighi über die Ernährung der Pflanzen Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen. der Saft wieder nach den Wurzeln zurück; als dann fängt dieUnterſeite der Blätter ihre andere Verrichtung an, der langſam von der Erde aufſteigende Thau ſtößt auf dieſe Seite, er ver- dichtet ſich hier und wird von den Härchen und ſonſtigen Vor- richtungen aufgehalten (dies geſchieht aber auf der Oberſeite in viel höherem Grade). Die hier vorhandenen Röhrchen ſaugen ihn ſogleich ein (was handgreiflich falſch iſt, da der Thau bis Sonnenaufgang ſich vermehrt) und führen ihn in die Zweige, von wo er in den Stamm übergeht.“ Bonnet legte ſo großen Werth auf dieſe wunderliche Theorie, daß er ſogar die helio- tropiſchen und geotropiſchen Krümmungen der Blätter und Stengel die er nicht aus einander zu halten wußte, und die Stellung der Blätter am Stamm nur mit Rückſicht auf ſeine oder beſſer Calandrini's Theorie teleologiſch glaubte erklären zu können. — Es war um ſo nöthiger hier auf das ganz Sinnloſe in Bonnet's Anſicht von der Bedeutung der Blätter hinzuweiſen, weil ſie inſofern von hiſtoriſcher Bedeutung iſt, als ſie Jahr- zehnte lang trotz der beſſeren älteren Leiſtungen geglaubt wurde und wir daraus erſehen, wie ſehr die Urtheilsfähigkeit in ſolchen Dingen ſeit Malpighi abgenommen hatte. Das Lob aber, welches Bonnet von ſeinen Zeitgenoſſen geſpendet wurde, hat offenbar verurſacht, daß auch viel ſpätere Pflanzenphyſiologen, die es beſſer wiſſen konnten, ihn für eine Autorität auf dem Gebiet der Ernährungslehre gehalten haben. Wo möglich noch unbedeutender als ſeine Verſuche mit abgeſchnittenen Blättern, waren ſeine „Verſuche über das Wachsthum der Pflanzen in einer anderen Materie als der Erde.“ Auch hier war nicht einmal der Gedanke originell, denn erſt auf die Nachricht hin, daß man in Berlin Landpflanzen ſtatt in Erde, in zuſammen- gehäuften Moos habe wachſen laſſen, machte er ſelbſt zahlreiche derartige Verſuche und fand, daß manche Pflanzen auf dieſe Weiſe recht kräftig wachſen, blühen und Samen tragen. Für die Ernährungslehre war aber damit durchaus Nichts gewonnen, es war eine kindliche Spielerei ohne tieferen Sinn. 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Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
der Saft wieder nach den Wurzeln zurück; als dann fängt die
Unterſeite der Blätter ihre andere Verrichtung an, der langſam
von der Erde aufſteigende Thau ſtößt auf dieſe Seite, er ver-
dichtet ſich hier und wird von den Härchen und ſonſtigen Vor-
richtungen aufgehalten (dies geſchieht aber auf der Oberſeite in
viel höherem Grade). Die hier vorhandenen Röhrchen ſaugen
ihn ſogleich ein (was handgreiflich falſch iſt, da der Thau bis
Sonnenaufgang ſich vermehrt) und führen ihn in die Zweige,
von wo er in den Stamm übergeht.“ Bonnet legte ſo großen
Werth auf dieſe wunderliche Theorie, daß er ſogar die helio-
tropiſchen und geotropiſchen Krümmungen der Blätter und Stengel
die er nicht aus einander zu halten wußte, und die Stellung
der Blätter am Stamm nur mit Rückſicht auf ſeine oder beſſer
Calandrini's Theorie teleologiſch glaubte erklären zu können.
— Es war um ſo nöthiger hier auf das ganz Sinnloſe in
Bonnet's Anſicht von der Bedeutung der Blätter hinzuweiſen,
weil ſie inſofern von hiſtoriſcher Bedeutung iſt, als ſie Jahr-
zehnte lang trotz der beſſeren älteren Leiſtungen geglaubt wurde
und wir daraus erſehen, wie ſehr die Urtheilsfähigkeit in ſolchen
Dingen ſeit Malpighi abgenommen hatte. Das Lob aber,
welches Bonnet von ſeinen Zeitgenoſſen geſpendet wurde, hat
offenbar verurſacht, daß auch viel ſpätere Pflanzenphyſiologen,
die es beſſer wiſſen konnten, ihn für eine Autorität auf dem
Gebiet der Ernährungslehre gehalten haben. Wo möglich noch
unbedeutender als ſeine Verſuche mit abgeſchnittenen Blättern,
waren ſeine „Verſuche über das Wachsthum der Pflanzen in
einer anderen Materie als der Erde.“ Auch hier war nicht
einmal der Gedanke originell, denn erſt auf die Nachricht hin,
daß man in Berlin Landpflanzen ſtatt in Erde, in zuſammen-
gehäuften Moos habe wachſen laſſen, machte er ſelbſt zahlreiche
derartige Verſuche und fand, daß manche Pflanzen auf dieſe
Weiſe recht kräftig wachſen, blühen und Samen tragen. Für
die Ernährungslehre war aber damit durchaus Nichts gewonnen,
es war eine kindliche Spielerei ohne tieferen Sinn. Die wenigen
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