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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
welches gleichsam die Werkstätte der Eigenwärme ist und nach-
dem sie dort ihre letzte Vollendung erfahren, durch die Arterien
in den ganzen Körper sich verbreiten; und zwar geschieht dieß
durch die Thätigkeit derselben Kraft (spiritus), welche aus der-
selben Nahrung im Herzen erzeugt wird. In den Pflanzen
dagegen sehen wir weder Venen, noch andere Kanäle, noch fühlen
wir irgend eine Wärme derselben, so daß es unbegreiflich er-
scheint, aus welchem Grunde die Bäume zu so beträchtlicher
Größe heranwachsen, da sie bei Weitem weniger Eigenwärme als
die Thiere zu haben scheinen. Dieses Räthsel erklärt sich Caesal-
pin dadurch, daß bei den Thieren viel Nahrung nöthig sei zur
Unterhaltung der Sinnesthätigkeiten und der Bewegungen der
Organe. Das größere Quantum der thierischen Nahrung ver-
lange auch größere Behälter und das seien eben die Venen.
Die Pflanzen dagegen bedürfen deßhalb weniger Nahrung, weil
diese eben nur zur Ernährung benutzt werde, und nur zum klein-
sten Theil zur Erzeugung der inneren Wärme, weßhalb sie auch
stärker wachsen und mehr Früchte erzeugen können, als die Thiere.
Indessen fehle den Pflanzen die innere Wärme nicht, obgleich
dieselbe durch das Gefühl nicht wahrzunehmen sei; das komme
jedoch nur davon her, daß uns alle Gegenstände kalt er-
scheinen, welche weniger warm sind, als unser Gefühls-
organ. Daß übrigens auch die Pflanzen Venen besitzen,
wenn auch der geringen Nahrungsmenge entsprechend nur
sehr enge, das beweisen die milchenden Pflanzen, wie die
Wolfsmilch und der Feigenbaum, welche angeschnitten wie thieri-
sches Fleisch bluten; der hier von Caesalpin gemachte Zusatz:
quod et in vite maxime contingit, zeigt, daß er den Milch-
saft von dem ausfließenden Wasser des thränenden Weinstockes
noch nicht unterschied. Gesehen können diese engen Venen ihrer
Feinheit wegen nicht werden; doch erkenne man in jedem Stengel
und jeder Wurzel Etwas, was gleich den thierischen Nerven
der Länge nach spaltbar ist und was man auch Nerven nennt;
oder auch dickere derartige Dinge, die sich in den meisten Blättern
verzweigen und hier Venen genannt werden. Diese Dinge

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
welches gleichſam die Werkſtätte der Eigenwärme iſt und nach-
dem ſie dort ihre letzte Vollendung erfahren, durch die Arterien
in den ganzen Körper ſich verbreiten; und zwar geſchieht dieß
durch die Thätigkeit derſelben Kraft (spiritus), welche aus der-
ſelben Nahrung im Herzen erzeugt wird. In den Pflanzen
dagegen ſehen wir weder Venen, noch andere Kanäle, noch fühlen
wir irgend eine Wärme derſelben, ſo daß es unbegreiflich er-
ſcheint, aus welchem Grunde die Bäume zu ſo beträchtlicher
Größe heranwachſen, da ſie bei Weitem weniger Eigenwärme als
die Thiere zu haben ſcheinen. Dieſes Räthſel erklärt ſich Caeſal-
pin dadurch, daß bei den Thieren viel Nahrung nöthig ſei zur
Unterhaltung der Sinnesthätigkeiten und der Bewegungen der
Organe. Das größere Quantum der thieriſchen Nahrung ver-
lange auch größere Behälter und das ſeien eben die Venen.
Die Pflanzen dagegen bedürfen deßhalb weniger Nahrung, weil
dieſe eben nur zur Ernährung benutzt werde, und nur zum klein-
ſten Theil zur Erzeugung der inneren Wärme, weßhalb ſie auch
ſtärker wachſen und mehr Früchte erzeugen können, als die Thiere.
Indeſſen fehle den Pflanzen die innere Wärme nicht, obgleich
dieſelbe durch das Gefühl nicht wahrzunehmen ſei; das komme
jedoch nur davon her, daß uns alle Gegenſtände kalt er-
ſcheinen, welche weniger warm ſind, als unſer Gefühls-
organ. Daß übrigens auch die Pflanzen Venen beſitzen,
wenn auch der geringen Nahrungsmenge entſprechend nur
ſehr enge, das beweiſen die milchenden Pflanzen, wie die
Wolfsmilch und der Feigenbaum, welche angeſchnitten wie thieri-
ſches Fleiſch bluten; der hier von Caeſalpin gemachte Zuſatz:
quod et in vite maxime contingit, zeigt, daß er den Milch-
ſaft von dem ausfließenden Waſſer des thränenden Weinſtockes
noch nicht unterſchied. Geſehen können dieſe engen Venen ihrer
Feinheit wegen nicht werden; doch erkenne man in jedem Stengel
und jeder Wurzel Etwas, was gleich den thieriſchen Nerven
der Länge nach ſpaltbar iſt und was man auch Nerven nennt;
oder auch dickere derartige Dinge, die ſich in den meiſten Blättern
verzweigen und hier Venen genannt werden. Dieſe Dinge

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[488/0500] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. welches gleichſam die Werkſtätte der Eigenwärme iſt und nach- dem ſie dort ihre letzte Vollendung erfahren, durch die Arterien in den ganzen Körper ſich verbreiten; und zwar geſchieht dieß durch die Thätigkeit derſelben Kraft (spiritus), welche aus der- ſelben Nahrung im Herzen erzeugt wird. In den Pflanzen dagegen ſehen wir weder Venen, noch andere Kanäle, noch fühlen wir irgend eine Wärme derſelben, ſo daß es unbegreiflich er- ſcheint, aus welchem Grunde die Bäume zu ſo beträchtlicher Größe heranwachſen, da ſie bei Weitem weniger Eigenwärme als die Thiere zu haben ſcheinen. Dieſes Räthſel erklärt ſich Caeſal- pin dadurch, daß bei den Thieren viel Nahrung nöthig ſei zur Unterhaltung der Sinnesthätigkeiten und der Bewegungen der Organe. Das größere Quantum der thieriſchen Nahrung ver- lange auch größere Behälter und das ſeien eben die Venen. Die Pflanzen dagegen bedürfen deßhalb weniger Nahrung, weil dieſe eben nur zur Ernährung benutzt werde, und nur zum klein- ſten Theil zur Erzeugung der inneren Wärme, weßhalb ſie auch ſtärker wachſen und mehr Früchte erzeugen können, als die Thiere. Indeſſen fehle den Pflanzen die innere Wärme nicht, obgleich dieſelbe durch das Gefühl nicht wahrzunehmen ſei; das komme jedoch nur davon her, daß uns alle Gegenſtände kalt er- ſcheinen, welche weniger warm ſind, als unſer Gefühls- organ. Daß übrigens auch die Pflanzen Venen beſitzen, wenn auch der geringen Nahrungsmenge entſprechend nur ſehr enge, das beweiſen die milchenden Pflanzen, wie die Wolfsmilch und der Feigenbaum, welche angeſchnitten wie thieri- ſches Fleiſch bluten; der hier von Caeſalpin gemachte Zuſatz: quod et in vite maxime contingit, zeigt, daß er den Milch- ſaft von dem ausfließenden Waſſer des thränenden Weinſtockes noch nicht unterſchied. Geſehen können dieſe engen Venen ihrer Feinheit wegen nicht werden; doch erkenne man in jedem Stengel und jeder Wurzel Etwas, was gleich den thieriſchen Nerven der Länge nach ſpaltbar iſt und was man auch Nerven nennt; oder auch dickere derartige Dinge, die ſich in den meiſten Blättern verzweigen und hier Venen genannt werden. Dieſe Dinge

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/500>, abgerufen am 22.11.2024.