geht Caspar Bauhin über seine Vorgänger weit hinaus, er verfolgt zwar denselben Weg wie Lobelius 40 Jahre früher, aber er geht auf diesem Wege viel weiter. Mit seinem Vorgänger theilt er aber noch die Eigenthümlichkeit, daß er die größeren Gruppen, die zum Theil unseren jetzigen Familien entsprechen, einzelne Ausnahmen abgerechnet, weder durch besondere Namen bezeichnet, noch durch irgend eine Beschreibung als solche charak- terisirt; es ist auch bei Bauhin nur die Reihenfolge selbst, aus der man seine Ansichten über die natürliche Verwandtschaft ent- nehmen kann. Es bedarf übrigens kaum der Erwähnung, daß die natürlichen Familien, soweit sie in Bauhin's Werke kenntlich werden, jeder scharfen Umgrenzung entbehren, ja man möchte fast schließen, daß er eine solche absichtlich vermied, um ohne Unterbrechung von einer Verwandtschaftskette zur andern über- gehen zu können.
Wie Lobelius schreitet auch Bauhin in seiner Aufzähl- ung von dem vermeintlich Unvollkommensten zum Vollkommeneren fort, indem er mit den Gräsern beginnt, die Mehrzahl der Liliaceen und Zingiberaceen, dann die dikotylen Kräuter folgen läßt und endlich mit den Sträuchern und Bäumen schließt.
Mitten in der Reihenfolge der dikotylen Kräuter zwischen den Papilionaceen und den Disteln stehen die ihm bekannten Cryptogamen (mit Ausschluß der den Gräsern zugezählten Equi- seten). Ueber den großen Unterschied zwischen den Cryptogamen und Phanerogamen war sich Bauhin offenbar weniger klar als mancher seiner Vorgänger; daß er unter den Cryptogamen auch einzelne Phanerogamen, (wie z. B. die Wasserlinse) und die Salvinien unter den Moosen anführt, daß er die Corallen, Al- cionien und Spongien mit den Meeresalgen verbindet, ist dagegen keineswegs auffallend, wenn man bedenkt, daß erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts in dieser Beziehung richtigere Ansichten entstanden, und daß selbst Linne sich noch nicht recht entschließen konnte, die sogenannten Zoophyten aus dem Pflanzenreiche aus- zuschließen und sie den Thieren beizuzählen. Die Pflanzenkenntniß
Die deutſchen und niederländiſchen Botaniker.
geht Caspar Bauhin über ſeine Vorgänger weit hinaus, er verfolgt zwar denſelben Weg wie Lobelius 40 Jahre früher, aber er geht auf dieſem Wege viel weiter. Mit ſeinem Vorgänger theilt er aber noch die Eigenthümlichkeit, daß er die größeren Gruppen, die zum Theil unſeren jetzigen Familien entſprechen, einzelne Ausnahmen abgerechnet, weder durch beſondere Namen bezeichnet, noch durch irgend eine Beſchreibung als ſolche charak- teriſirt; es iſt auch bei Bauhin nur die Reihenfolge ſelbſt, aus der man ſeine Anſichten über die natürliche Verwandtſchaft ent- nehmen kann. Es bedarf übrigens kaum der Erwähnung, daß die natürlichen Familien, ſoweit ſie in Bauhin's Werke kenntlich werden, jeder ſcharfen Umgrenzung entbehren, ja man möchte faſt ſchließen, daß er eine ſolche abſichtlich vermied, um ohne Unterbrechung von einer Verwandtſchaftskette zur andern über- gehen zu können.
Wie Lobelius ſchreitet auch Bauhin in ſeiner Aufzähl- ung von dem vermeintlich Unvollkommenſten zum Vollkommeneren fort, indem er mit den Gräſern beginnt, die Mehrzahl der Liliaceen und Zingiberaceen, dann die dikotylen Kräuter folgen läßt und endlich mit den Sträuchern und Bäumen ſchließt.
Mitten in der Reihenfolge der dikotylen Kräuter zwiſchen den Papilionaceen und den Diſteln ſtehen die ihm bekannten Cryptogamen (mit Ausſchluß der den Gräſern zugezählten Equi- ſeten). Ueber den großen Unterſchied zwiſchen den Cryptogamen und Phanerogamen war ſich Bauhin offenbar weniger klar als mancher ſeiner Vorgänger; daß er unter den Cryptogamen auch einzelne Phanerogamen, (wie z. B. die Waſſerlinſe) und die Salvinien unter den Mooſen anführt, daß er die Corallen, Al- cionien und Spongien mit den Meeresalgen verbindet, iſt dagegen keineswegs auffallend, wenn man bedenkt, daß erſt um die Mitte des 18. Jahrhunderts in dieſer Beziehung richtigere Anſichten entſtanden, und daß ſelbſt Linné ſich noch nicht recht entſchließen konnte, die ſogenannten Zoophyten aus dem Pflanzenreiche aus- zuſchließen und ſie den Thieren beizuzählen. Die Pflanzenkenntniß
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Die deutſchen und niederländiſchen Botaniker.
geht Caspar Bauhin über ſeine Vorgänger weit hinaus, er
verfolgt zwar denſelben Weg wie Lobelius 40 Jahre früher,
aber er geht auf dieſem Wege viel weiter. Mit ſeinem Vorgänger
theilt er aber noch die Eigenthümlichkeit, daß er die größeren
Gruppen, die zum Theil unſeren jetzigen Familien entſprechen,
einzelne Ausnahmen abgerechnet, weder durch beſondere Namen
bezeichnet, noch durch irgend eine Beſchreibung als ſolche charak-
teriſirt; es iſt auch bei Bauhin nur die Reihenfolge ſelbſt, aus
der man ſeine Anſichten über die natürliche Verwandtſchaft ent-
nehmen kann. Es bedarf übrigens kaum der Erwähnung, daß
die natürlichen Familien, ſoweit ſie in Bauhin's Werke kenntlich
werden, jeder ſcharfen Umgrenzung entbehren, ja man möchte
faſt ſchließen, daß er eine ſolche abſichtlich vermied, um ohne
Unterbrechung von einer Verwandtſchaftskette zur andern über-
gehen zu können.
Wie Lobelius ſchreitet auch Bauhin in ſeiner Aufzähl-
ung von dem vermeintlich Unvollkommenſten zum Vollkommeneren
fort, indem er mit den Gräſern beginnt, die Mehrzahl
der Liliaceen und Zingiberaceen, dann die dikotylen Kräuter
folgen läßt und endlich mit den Sträuchern und Bäumen
ſchließt.
Mitten in der Reihenfolge der dikotylen Kräuter zwiſchen
den Papilionaceen und den Diſteln ſtehen die ihm bekannten
Cryptogamen (mit Ausſchluß der den Gräſern zugezählten Equi-
ſeten). Ueber den großen Unterſchied zwiſchen den Cryptogamen
und Phanerogamen war ſich Bauhin offenbar weniger klar
als mancher ſeiner Vorgänger; daß er unter den Cryptogamen
auch einzelne Phanerogamen, (wie z. B. die Waſſerlinſe) und die
Salvinien unter den Mooſen anführt, daß er die Corallen, Al-
cionien und Spongien mit den Meeresalgen verbindet, iſt dagegen
keineswegs auffallend, wenn man bedenkt, daß erſt um die Mitte
des 18. Jahrhunderts in dieſer Beziehung richtigere Anſichten
entſtanden, und daß ſelbſt Linné ſich noch nicht recht entſchließen
konnte, die ſogenannten Zoophyten aus dem Pflanzenreiche aus-
zuſchließen und ſie den Thieren beizuzählen. Die Pflanzenkenntniß
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/50>, abgerufen am 16.07.2024.
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