der voneinander nicht selten trennbaren Pflanzenzellen hin, hob das Vorkommen ächter Spiralgefäße in der Umgebung des Markes auch bei den Coniferen hervor, entdeckte die Spaltöffnungen auf der Fruchtkapsel der Laubmoose und dergl. mehr. Betreffs seiner, von Sprengel entlehnten Zellbildungstheorie suchte er sich jedoch durch eine Spitzfindigkeit, aus der Verlegenheit zu ziehen, indem er nachwies, daß die Stärkekörner aus den Coty- ledonen der Bohnen zwar verschwinden, ohne daselbst neue Zellen zu erzeugen, sich aber auflösen, um dann an anderen Orten der Keimpflanze als flüssiges Material zur Zellbildung zu dienen, womit natürlich die Sprengel'sche Theorie aufgegeben war; als einen directen Beweis für dieselbe betrachtete er jedoch die Entstehung der Gonidien in den Zellen des Messernetzes und deren Ausbildung zu neuen Netzen.
Mirbel und seine deutschen Gegner bewegten sich im Ganzen noch in einem Gedankenkreise, der durch die Ideen Malpighi's, Grew's, Hedwig's und Wolff's geschaffen worden war, wenn auch zugegeben werden muß, daß besonders die Beobachtungen von Treviranus schon andere Gesichts- puncte eröffneten. Viel weiter jedoch trat aus diesen älteren Anschauungen schon 1812 Johann Jokob Paul Moldenhawer1) in seinen inhaltreichen "Beiträgen zur Anatomie der Pflanzen" heraus. Viel selbstständiger als einer der bisher Genannten stellte er sich den älteren Ansichten gegenüber; indem er auf sehr ausführliche, vielseitige und methodische Beobachtungen ge- stützt, auch offenbar mit einem viel besseren Mikroskop versehen, sich zunächst an das selbst Gesehene hielt, danach seinen Stand- punct wählte, die Ansichten seiner Vorgänger ausführlich und mit einer unverkennbaren Ueberlegenheit kritisirte, wobei er eine ebenso eingehende Literaturkenntniß, wie vielseitige phytotomische Erfahrung an den Tag legte. Er faßte die Fragepuncte scharf in's Auge und widmete jedem derselben angestrengte Beobachtung
1) J. J. P. Moldenhawer war Professor der Botanik in Kiel; geb. zu Hamburg 1766, gest. 1827.
Unterſuchung des fertigen
der voneinander nicht ſelten trennbaren Pflanzenzellen hin, hob das Vorkommen ächter Spiralgefäße in der Umgebung des Markes auch bei den Coniferen hervor, entdeckte die Spaltöffnungen auf der Fruchtkapſel der Laubmooſe und dergl. mehr. Betreffs ſeiner, von Sprengel entlehnten Zellbildungstheorie ſuchte er ſich jedoch durch eine Spitzfindigkeit, aus der Verlegenheit zu ziehen, indem er nachwies, daß die Stärkekörner aus den Coty- ledonen der Bohnen zwar verſchwinden, ohne daſelbſt neue Zellen zu erzeugen, ſich aber auflöſen, um dann an anderen Orten der Keimpflanze als flüſſiges Material zur Zellbildung zu dienen, womit natürlich die Sprengel'ſche Theorie aufgegeben war; als einen directen Beweis für dieſelbe betrachtete er jedoch die Entſtehung der Gonidien in den Zellen des Meſſernetzes und deren Ausbildung zu neuen Netzen.
Mirbel und ſeine deutſchen Gegner bewegten ſich im Ganzen noch in einem Gedankenkreiſe, der durch die Ideen Malpighi's, Grew's, Hedwig's und Wolff's geſchaffen worden war, wenn auch zugegeben werden muß, daß beſonders die Beobachtungen von Treviranus ſchon andere Geſichts- puncte eröffneten. Viel weiter jedoch trat aus dieſen älteren Anſchauungen ſchon 1812 Johann Jokob Paul Moldenhawer1) in ſeinen inhaltreichen „Beiträgen zur Anatomie der Pflanzen“ heraus. Viel ſelbſtſtändiger als einer der bisher Genannten ſtellte er ſich den älteren Anſichten gegenüber; indem er auf ſehr ausführliche, vielſeitige und methodiſche Beobachtungen ge- ſtützt, auch offenbar mit einem viel beſſeren Mikroſkop verſehen, ſich zunächſt an das ſelbſt Geſehene hielt, danach ſeinen Stand- punct wählte, die Anſichten ſeiner Vorgänger ausführlich und mit einer unverkennbaren Ueberlegenheit kritiſirte, wobei er eine ebenſo eingehende Literaturkenntniß, wie vielſeitige phytotomiſche Erfahrung an den Tag legte. Er faßte die Fragepuncte ſcharf in's Auge und widmete jedem derſelben angeſtrengte Beobachtung
1) J. J. P. Moldenhawer war Profeſſor der Botanik in Kiel; geb. zu Hamburg 1766, geſt. 1827.
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Unterſuchung des fertigen
der voneinander nicht ſelten trennbaren Pflanzenzellen hin, hob
das Vorkommen ächter Spiralgefäße in der Umgebung des Markes
auch bei den Coniferen hervor, entdeckte die Spaltöffnungen
auf der Fruchtkapſel der Laubmooſe und dergl. mehr. Betreffs
ſeiner, von Sprengel entlehnten Zellbildungstheorie ſuchte er
ſich jedoch durch eine Spitzfindigkeit, aus der Verlegenheit zu
ziehen, indem er nachwies, daß die Stärkekörner aus den Coty-
ledonen der Bohnen zwar verſchwinden, ohne daſelbſt neue Zellen
zu erzeugen, ſich aber auflöſen, um dann an anderen Orten der
Keimpflanze als flüſſiges Material zur Zellbildung zu dienen,
womit natürlich die Sprengel'ſche Theorie aufgegeben war;
als einen directen Beweis für dieſelbe betrachtete er jedoch die
Entſtehung der Gonidien in den Zellen des Meſſernetzes und
deren Ausbildung zu neuen Netzen.
Mirbel und ſeine deutſchen Gegner bewegten ſich im
Ganzen noch in einem Gedankenkreiſe, der durch die Ideen
Malpighi's, Grew's, Hedwig's und Wolff's geſchaffen
worden war, wenn auch zugegeben werden muß, daß beſonders
die Beobachtungen von Treviranus ſchon andere Geſichts-
puncte eröffneten. Viel weiter jedoch trat aus dieſen älteren
Anſchauungen ſchon 1812 Johann Jokob Paul Moldenhawer 1)
in ſeinen inhaltreichen „Beiträgen zur Anatomie der Pflanzen“
heraus. Viel ſelbſtſtändiger als einer der bisher Genannten
ſtellte er ſich den älteren Anſichten gegenüber; indem er auf
ſehr ausführliche, vielſeitige und methodiſche Beobachtungen ge-
ſtützt, auch offenbar mit einem viel beſſeren Mikroſkop verſehen,
ſich zunächſt an das ſelbſt Geſehene hielt, danach ſeinen Stand-
punct wählte, die Anſichten ſeiner Vorgänger ausführlich und
mit einer unverkennbaren Ueberlegenheit kritiſirte, wobei er eine
ebenſo eingehende Literaturkenntniß, wie vielſeitige phytotomiſche
Erfahrung an den Tag legte. Er faßte die Fragepuncte ſcharf
in's Auge und widmete jedem derſelben angeſtrengte Beobachtung
1) J. J. P. Moldenhawer war Profeſſor der Botanik in Kiel;
geb. zu Hamburg 1766, geſt. 1827.
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/310>, abgerufen am 16.08.2024.
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