Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Untersuchung des fertigen richtigere und zuverlässigere Abbildungen zu gewinnen, wennnicht der Beobachter und Schriftsteller selbst sie herstellte, sondern wenn er dazu fremde Augen und Hände benutzte, indem man sich dabei dem ganz unbegründeten Vorurtheil hingab, daß auf diese Weise jede Art von Vorurtheil und vorgefaßter Meinung bei der Herstellung der Bilder ausgeschlossen werde. So ließ nicht nur Mirbel, sondern auch Moldenhawer seine phyto- tomischen Bilder von einer Frau zeichnen, und auch später noch überließen manche Phytotomen die Herstellung ihrer Zeichnungen wie es früher Leeuwenhoek gethan hatte, angestellten Zeichnern. Eine mikroskopische Zeichnung, wie überhaupt jede naturwissen- schaftliche Abbildung, kann aber gar nicht den Anspruch erheben, das Objekt selbst zu ersetzen, vielmehr soll sie mit aller Deut- lichkeit genau das wiedergeben, was der Beobachter wahrgenom- men hat und insoferne die Beschreibung in Worten unterstützen. Die Zeichnung wird um so vollkommener sein, je geübter das beobachtende Auge und der die Formen zurecht legende Verstand ist. Die Abbildung soll dem Leser Nichts anderes zeigen, als was durch den Geist des Beobachters hindurchgegangen ist, denn nur so dient sie zur gegenseitigen Verständigung; die Sache aber hat auch noch eine andere Bedeutung; gerade während des Zeichnens eines mikroskopischen Objektes ist das Auge genöthigt, auf den einzelnen Linien und Puncten zu verweilen, ihren wahren Zusammenhang nach allen Dimensionen des Raumes aufzufassen; es werden dabei sehr häufig erst Verhältnisse wahrgenommen, welche vorher selbst bei sorgfältiger Beobachtung unbeachtet blieben, für die zu untersuchende Frage jedoch entscheidend sein oder sogar neue Fragen eröffnen können. So wie das Auge erst durch das Mikroskop zu wissenschaftlichem Sehen dressirt wird, so wird erst durch sorgfältiges Zeichnen der Objekte das geschulte Auge zu einem wachsamen Rathgeber des forschenden Verstandes; dieser letzte Vortheil aber geht dem, der seine Zeichnungen von fremder Hand herstellen läßt, durchaus verloren. Es gehört nicht zu den kleinsten Verdiensten Mohl's, daß er zuerst das mikroskopische Zeichnen ganz in dem hier angedeuteten Sinne betrieb, in seinen Unterſuchung des fertigen richtigere und zuverläſſigere Abbildungen zu gewinnen, wennnicht der Beobachter und Schriftſteller ſelbſt ſie herſtellte, ſondern wenn er dazu fremde Augen und Hände benutzte, indem man ſich dabei dem ganz unbegründeten Vorurtheil hingab, daß auf dieſe Weiſe jede Art von Vorurtheil und vorgefaßter Meinung bei der Herſtellung der Bilder ausgeſchloſſen werde. So ließ nicht nur Mirbel, ſondern auch Moldenhawer ſeine phyto- tomiſchen Bilder von einer Frau zeichnen, und auch ſpäter noch überließen manche Phytotomen die Herſtellung ihrer Zeichnungen wie es früher Leeuwenhoek gethan hatte, angeſtellten Zeichnern. Eine mikroſkopiſche Zeichnung, wie überhaupt jede naturwiſſen- ſchaftliche Abbildung, kann aber gar nicht den Anſpruch erheben, das Objekt ſelbſt zu erſetzen, vielmehr ſoll ſie mit aller Deut- lichkeit genau das wiedergeben, was der Beobachter wahrgenom- men hat und inſoferne die Beſchreibung in Worten unterſtützen. Die Zeichnung wird um ſo vollkommener ſein, je geübter das beobachtende Auge und der die Formen zurecht legende Verſtand iſt. Die Abbildung ſoll dem Leſer Nichts anderes zeigen, als was durch den Geiſt des Beobachters hindurchgegangen iſt, denn nur ſo dient ſie zur gegenſeitigen Verſtändigung; die Sache aber hat auch noch eine andere Bedeutung; gerade während des Zeichnens eines mikroſkopiſchen Objektes iſt das Auge genöthigt, auf den einzelnen Linien und Puncten zu verweilen, ihren wahren Zuſammenhang nach allen Dimenſionen des Raumes aufzufaſſen; es werden dabei ſehr häufig erſt Verhältniſſe wahrgenommen, welche vorher ſelbſt bei ſorgfältiger Beobachtung unbeachtet blieben, für die zu unterſuchende Frage jedoch entſcheidend ſein oder ſogar neue Fragen eröffnen können. So wie das Auge erſt durch das Mikroſkop zu wiſſenſchaftlichem Sehen dreſſirt wird, ſo wird erſt durch ſorgfältiges Zeichnen der Objekte das geſchulte Auge zu einem wachſamen Rathgeber des forſchenden Verſtandes; dieſer letzte Vortheil aber geht dem, der ſeine Zeichnungen von fremder Hand herſtellen läßt, durchaus verloren. 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Unterſuchung des fertigen
richtigere und zuverläſſigere Abbildungen zu gewinnen, wenn
nicht der Beobachter und Schriftſteller ſelbſt ſie herſtellte, ſondern
wenn er dazu fremde Augen und Hände benutzte, indem man
ſich dabei dem ganz unbegründeten Vorurtheil hingab, daß auf
dieſe Weiſe jede Art von Vorurtheil und vorgefaßter Meinung
bei der Herſtellung der Bilder ausgeſchloſſen werde. So ließ
nicht nur Mirbel, ſondern auch Moldenhawer ſeine phyto-
tomiſchen Bilder von einer Frau zeichnen, und auch ſpäter noch
überließen manche Phytotomen die Herſtellung ihrer Zeichnungen
wie es früher Leeuwenhoek gethan hatte, angeſtellten Zeichnern.
Eine mikroſkopiſche Zeichnung, wie überhaupt jede naturwiſſen-
ſchaftliche Abbildung, kann aber gar nicht den Anſpruch erheben,
das Objekt ſelbſt zu erſetzen, vielmehr ſoll ſie mit aller Deut-
lichkeit genau das wiedergeben, was der Beobachter wahrgenom-
men hat und inſoferne die Beſchreibung in Worten unterſtützen.
Die Zeichnung wird um ſo vollkommener ſein, je geübter das
beobachtende Auge und der die Formen zurecht legende Verſtand
iſt. Die Abbildung ſoll dem Leſer Nichts anderes zeigen, als
was durch den Geiſt des Beobachters hindurchgegangen iſt, denn
nur ſo dient ſie zur gegenſeitigen Verſtändigung; die Sache aber
hat auch noch eine andere Bedeutung; gerade während des
Zeichnens eines mikroſkopiſchen Objektes iſt das Auge genöthigt,
auf den einzelnen Linien und Puncten zu verweilen, ihren wahren
Zuſammenhang nach allen Dimenſionen des Raumes aufzufaſſen;
es werden dabei ſehr häufig erſt Verhältniſſe wahrgenommen,
welche vorher ſelbſt bei ſorgfältiger Beobachtung unbeachtet blieben,
für die zu unterſuchende Frage jedoch entſcheidend ſein oder ſogar
neue Fragen eröffnen können. So wie das Auge erſt durch
das Mikroſkop zu wiſſenſchaftlichem Sehen dreſſirt wird, ſo wird
erſt durch ſorgfältiges Zeichnen der Objekte das geſchulte Auge
zu einem wachſamen Rathgeber des forſchenden Verſtandes; dieſer
letzte Vortheil aber geht dem, der ſeine Zeichnungen von fremder
Hand herſtellen läßt, durchaus verloren. Es gehört nicht zu
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Zeichnen ganz in dem hier angedeuteten Sinne betrieb, in ſeinen
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