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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.

Nach Wolff's Theorie bestehen alle jüngsten Pflanzen-
theile, der von ihm aufgefundene Vegetationspunct des Stengels,
die jüngsten Blätter und Blüthentheile ursprünglich aus einer durch-
sichtigen gallertartigen Substanz; diese ist von Nahrungssaft
durchtränkt, der sich in Form von Anfangs sehr kleinen Tröpfchen
(wir könnten sagen Vacuolen) ausscheidet, welche indem sie nach
und nach an Umfang gewinnen, die Zwischensubstanz ausdehnen
und so die erweiterten Zellräume darstellen. Die Zwischensubstanz
entspricht also dem, was wir jetzt die Zellwände nennen, nur
sind diese anfangs viel dicker und werden durch das Wachsthum
der Zellräume immer dünner. Man könnte sich also ein junges
Pflanzengewebe im Sinne Wolff's etwa so entstanden denken,
wie die Porosität eines gährenden Brodteiges, nur daß die
Poren nicht mit Gas, sondern mit Flüssigkeit erfüllt sind. Es
geht aus dem Gesagten zugleich hervor, daß die Bläschen oder
Poren, wie Wolff die Zellen nennt, von vorneherein unter sich
durch die Zwischensubstanz verbunden sind, daß zwischen je zwei
benachbarten Zellhöhlen nur eine Lamelle oder Zellhaut liegt,
ein Punct, über den die späteren Phytotomen sehr langsam in's
Reine gekommen sind. Wie die Zellen durch Ausscheidung von
Safttropfen in der Anfangs homogenen Grundsubstanz entstehen,
so werden nach Wolff die Gefäße dadurch erzeugt, daß ein
Tropfen in jener Gallerte sich der Länge nach fortbewegt und so
einen Canal bildet; dem entsprechend müssen natürlich auch die
benachbarten Gefäße durch einfache Lamellen der Grundsubstanz
von einander getrennt sein. Obgleich Wolff die Bewegung des
Nahrungssaftes innerhalb der soliden galertartigen Grundsubstanz
zwischen den Zellhöhlen und Gefäßkanälen ausdrücklich betont,
also eine Bewegung annimmt, die wir als eine Diffusionsströmung
bezeichnen können, hält er es doch mit auffallender Inconsequenz für
nöthig, zum Zweck der Saftbewegung von Zelle zu Zelle, von
Gefäß zu Gefäß, in den Zwischenwandungen derselben Löcher
anzunehmen, obgleich er in dem einzigen Fall, wo ihm die Isolirung
von Zellen gelang, in reifen Früchten nämlich, die Wandungen
als geschlossen gelten lassen mußte.

Die Phytotomie im 18. Jahrhundert.

Nach Wolff's Theorie beſtehen alle jüngſten Pflanzen-
theile, der von ihm aufgefundene Vegetationspunct des Stengels,
die jüngſten Blätter und Blüthentheile urſprünglich aus einer durch-
ſichtigen gallertartigen Subſtanz; dieſe iſt von Nahrungsſaft
durchtränkt, der ſich in Form von Anfangs ſehr kleinen Tröpfchen
(wir könnten ſagen Vacuolen) ausſcheidet, welche indem ſie nach
und nach an Umfang gewinnen, die Zwiſchenſubſtanz ausdehnen
und ſo die erweiterten Zellräume darſtellen. Die Zwiſchenſubſtanz
entſpricht alſo dem, was wir jetzt die Zellwände nennen, nur
ſind dieſe anfangs viel dicker und werden durch das Wachsthum
der Zellräume immer dünner. Man könnte ſich alſo ein junges
Pflanzengewebe im Sinne Wolff's etwa ſo entſtanden denken,
wie die Poroſität eines gährenden Brodteiges, nur daß die
Poren nicht mit Gas, ſondern mit Flüſſigkeit erfüllt ſind. Es
geht aus dem Geſagten zugleich hervor, daß die Bläschen oder
Poren, wie Wolff die Zellen nennt, von vorneherein unter ſich
durch die Zwiſchenſubſtanz verbunden ſind, daß zwiſchen je zwei
benachbarten Zellhöhlen nur eine Lamelle oder Zellhaut liegt,
ein Punct, über den die ſpäteren Phytotomen ſehr langſam in's
Reine gekommen ſind. Wie die Zellen durch Ausſcheidung von
Safttropfen in der Anfangs homogenen Grundſubſtanz entſtehen,
ſo werden nach Wolff die Gefäße dadurch erzeugt, daß ein
Tropfen in jener Gallerte ſich der Länge nach fortbewegt und ſo
einen Canal bildet; dem entſprechend müſſen natürlich auch die
benachbarten Gefäße durch einfache Lamellen der Grundſubſtanz
von einander getrennt ſein. Obgleich Wolff die Bewegung des
Nahrungsſaftes innerhalb der ſoliden galertartigen Grundſubſtanz
zwiſchen den Zellhöhlen und Gefäßkanälen ausdrücklich betont,
alſo eine Bewegung annimmt, die wir als eine Diffuſionsſtrömung
bezeichnen können, hält er es doch mit auffallender Inconſequenz für
nöthig, zum Zweck der Saftbewegung von Zelle zu Zelle, von
Gefäß zu Gefäß, in den Zwiſchenwandungen derſelben Löcher
anzunehmen, obgleich er in dem einzigen Fall, wo ihm die Iſolirung
von Zellen gelang, in reifen Früchten nämlich, die Wandungen
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[271/0283] Die Phytotomie im 18. Jahrhundert. Nach Wolff's Theorie beſtehen alle jüngſten Pflanzen- theile, der von ihm aufgefundene Vegetationspunct des Stengels, die jüngſten Blätter und Blüthentheile urſprünglich aus einer durch- ſichtigen gallertartigen Subſtanz; dieſe iſt von Nahrungsſaft durchtränkt, der ſich in Form von Anfangs ſehr kleinen Tröpfchen (wir könnten ſagen Vacuolen) ausſcheidet, welche indem ſie nach und nach an Umfang gewinnen, die Zwiſchenſubſtanz ausdehnen und ſo die erweiterten Zellräume darſtellen. Die Zwiſchenſubſtanz entſpricht alſo dem, was wir jetzt die Zellwände nennen, nur ſind dieſe anfangs viel dicker und werden durch das Wachsthum der Zellräume immer dünner. Man könnte ſich alſo ein junges Pflanzengewebe im Sinne Wolff's etwa ſo entſtanden denken, wie die Poroſität eines gährenden Brodteiges, nur daß die Poren nicht mit Gas, ſondern mit Flüſſigkeit erfüllt ſind. Es geht aus dem Geſagten zugleich hervor, daß die Bläschen oder Poren, wie Wolff die Zellen nennt, von vorneherein unter ſich durch die Zwiſchenſubſtanz verbunden ſind, daß zwiſchen je zwei benachbarten Zellhöhlen nur eine Lamelle oder Zellhaut liegt, ein Punct, über den die ſpäteren Phytotomen ſehr langſam in's Reine gekommen ſind. Wie die Zellen durch Ausſcheidung von Safttropfen in der Anfangs homogenen Grundſubſtanz entſtehen, ſo werden nach Wolff die Gefäße dadurch erzeugt, daß ein Tropfen in jener Gallerte ſich der Länge nach fortbewegt und ſo einen Canal bildet; dem entſprechend müſſen natürlich auch die benachbarten Gefäße durch einfache Lamellen der Grundſubſtanz von einander getrennt ſein. Obgleich Wolff die Bewegung des Nahrungsſaftes innerhalb der ſoliden galertartigen Grundſubſtanz zwiſchen den Zellhöhlen und Gefäßkanälen ausdrücklich betont, alſo eine Bewegung annimmt, die wir als eine Diffuſionsſtrömung bezeichnen können, hält er es doch mit auffallender Inconſequenz für nöthig, zum Zweck der Saftbewegung von Zelle zu Zelle, von Gefäß zu Gefäß, in den Zwiſchenwandungen derſelben Löcher anzunehmen, obgleich er in dem einzigen Fall, wo ihm die Iſolirung von Zellen gelang, in reifen Früchten nämlich, die Wandungen als geſchloſſen gelten laſſen mußte.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/283>, abgerufen am 22.11.2024.