Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Metamorphosenlehre und der Spiraltheorie.
lehre verbinden läßt, also in rein idealistischem Sinne auf.
Beide machten sich frei von den groben Verirrungen der Natur-
Philosophen und brachten so die rein idealistische, formale Be-
trachtung der Pflanzengestalt zu consequenterem Ausdruck.

Karl Friedrich Schimper 1) begründete schon vor 1830 die
nach ihm benannte Blattstellungstheorie, die er 1834 auf der
Naturforscherversammlung in Stuttgart als eine in sich abge-
schlossene, fertige Theorie vortrug; eine durch Klarheit und Ein-
fachheit ausgezeichnete Darstellung dieser Lehre gab Alexander
Braun
in Form eines Referats dieser Schimper'schen Vor-
träge in der Flora 1835, nachdem er selbst bereits eine ausge-
zeichnete, umfassende Abhandlung über denselben Gegenstand
herausgegeben hatte. In diesen Publicationen trat die Blatt-
stellungslehre sofort mit einer formalen Vollendung auf, die
nicht verfehlen konnte, die größte Aufmerksamkeit der botanischen
Welt und sogar des größeren Publikums auf sich zu ziehen; und
mit Recht, denn hier trat, was auf dem Gebiete der Botanik
leider so äußerst selten ist, ein wissenschaftlicher Gedanke nicht
nur gelegentlich hingeworfen, sondern in allen seinen Consequen-
zen ausgesponnen als ein in sich vollendetes Lehrgebäude hervor,
welches dadurch noch an äußerem Glanz gewann, daß seine einzelnen
Sätze sich in Zahlen und Formeln ausdrücken ließen, da sich die
ganze Lehre in geometrischen Constructionen bewegte, ein bis dahin
in der Botanik ganz unerhörtes Verfahren.

Daß die Blätter an den sie erzeugenden Stengeln nach be-

1) K. F. Schimper, 1803 in Mannheim geboren, studirte anfangs,
eines Stipendiums wegen in Heidelberg Theologie, nachdem er jedoch als
beauftragter Pflanzensammler in Südfrankreich gereist war, nahm er seine
Studien als Mediciner wieder auf. Von 1828-1842 lebte er in München
zeitweise als academischer Docent thätig, zwischenweilig die Alpen und
Pyrenäen und andere Gegenden im Auftrage des Königs von Bayern be-
reisend. In diese Zeit fallen seine wichtigsten Arbeiten über die Blatt-
stellung und Forschungen über die frühere Ausdehnung der Gletscher und
die Periode der Eiszeit. Seit 1842 lebt er wieder in der Pfalz, seit 1859
zumal in Schwetzingen als Privatgelehrter, in seinen späteren Jahren unter-
stützt durch eine Pension des Großherzogs von Baden. Er starb daselbst 1867

Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie.
lehre verbinden läßt, alſo in rein idealiſtiſchem Sinne auf.
Beide machten ſich frei von den groben Verirrungen der Natur-
Philoſophen und brachten ſo die rein idealiſtiſche, formale Be-
trachtung der Pflanzengeſtalt zu conſequenterem Ausdruck.

Karl Friedrich Schimper 1) begründete ſchon vor 1830 die
nach ihm benannte Blattſtellungstheorie, die er 1834 auf der
Naturforſcherverſammlung in Stuttgart als eine in ſich abge-
ſchloſſene, fertige Theorie vortrug; eine durch Klarheit und Ein-
fachheit ausgezeichnete Darſtellung dieſer Lehre gab Alexander
Braun
in Form eines Referats dieſer Schimper'ſchen Vor-
träge in der Flora 1835, nachdem er ſelbſt bereits eine ausge-
zeichnete, umfaſſende Abhandlung über denſelben Gegenſtand
herausgegeben hatte. In dieſen Publicationen trat die Blatt-
ſtellungslehre ſofort mit einer formalen Vollendung auf, die
nicht verfehlen konnte, die größte Aufmerkſamkeit der botaniſchen
Welt und ſogar des größeren Publikums auf ſich zu ziehen; und
mit Recht, denn hier trat, was auf dem Gebiete der Botanik
leider ſo äußerſt ſelten iſt, ein wiſſenſchaftlicher Gedanke nicht
nur gelegentlich hingeworfen, ſondern in allen ſeinen Conſequen-
zen ausgeſponnen als ein in ſich vollendetes Lehrgebäude hervor,
welches dadurch noch an äußerem Glanz gewann, daß ſeine einzelnen
Sätze ſich in Zahlen und Formeln ausdrücken ließen, da ſich die
ganze Lehre in geometriſchen Conſtructionen bewegte, ein bis dahin
in der Botanik ganz unerhörtes Verfahren.

Daß die Blätter an den ſie erzeugenden Stengeln nach be-

1) K. F. Schimper, 1803 in Mannheim geboren, ſtudirte anfangs,
eines Stipendiums wegen in Heidelberg Theologie, nachdem er jedoch als
beauftragter Pflanzenſammler in Südfrankreich gereiſt war, nahm er ſeine
Studien als Mediciner wieder auf. Von 1828-1842 lebte er in München
zeitweiſe als academiſcher Docent thätig, zwiſchenweilig die Alpen und
Pyrenäen und andere Gegenden im Auftrage des Königs von Bayern be-
reiſend. In dieſe Zeit fallen ſeine wichtigſten Arbeiten über die Blatt-
ſtellung und Forſchungen über die frühere Ausdehnung der Gletſcher und
die Periode der Eiszeit. Seit 1842 lebt er wieder in der Pfalz, ſeit 1859
zumal in Schwetzingen als Privatgelehrter, in ſeinen ſpäteren Jahren unter-
ſtützt durch eine Penſion des Großherzogs von Baden. Er ſtarb daſelbſt 1867
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="175"/><fw place="top" type="header">Metamorpho&#x017F;enlehre und der Spiraltheorie.</fw><lb/>
lehre verbinden läßt, al&#x017F;o in rein ideali&#x017F;ti&#x017F;chem Sinne auf.<lb/>
Beide machten &#x017F;ich frei von den groben Verirrungen der Natur-<lb/>
Philo&#x017F;ophen und brachten &#x017F;o die rein ideali&#x017F;ti&#x017F;che, formale Be-<lb/>
trachtung der Pflanzenge&#x017F;talt zu con&#x017F;equenterem Ausdruck.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">Karl Friedrich Schimper</hi><note place="foot" n="1)">K. F. <hi rendition="#g">Schimper</hi>, 1803 in Mannheim geboren, &#x017F;tudirte anfangs,<lb/>
eines Stipendiums wegen in Heidelberg Theologie, nachdem er jedoch als<lb/>
beauftragter Pflanzen&#x017F;ammler in Südfrankreich gerei&#x017F;t war, nahm er &#x017F;eine<lb/>
Studien als Mediciner wieder auf. Von 1828-1842 lebte er in München<lb/>
zeitwei&#x017F;e als academi&#x017F;cher Docent thätig, zwi&#x017F;chenweilig die Alpen und<lb/>
Pyrenäen und andere Gegenden im Auftrage des Königs von Bayern be-<lb/>
rei&#x017F;end. In die&#x017F;e Zeit fallen &#x017F;eine wichtig&#x017F;ten Arbeiten über die Blatt-<lb/>
&#x017F;tellung und For&#x017F;chungen über die frühere Ausdehnung der Glet&#x017F;cher und<lb/>
die Periode der Eiszeit. Seit 1842 lebt er wieder in der Pfalz, &#x017F;eit 1859<lb/>
zumal in Schwetzingen als Privatgelehrter, in &#x017F;einen &#x017F;päteren Jahren unter-<lb/>
&#x017F;tützt durch eine Pen&#x017F;ion des Großherzogs von Baden. Er &#x017F;tarb da&#x017F;elb&#x017F;t 1867</note> begründete &#x017F;chon vor 1830 die<lb/>
nach ihm benannte Blatt&#x017F;tellungstheorie, die er 1834 auf der<lb/>
Naturfor&#x017F;cherver&#x017F;ammlung in Stuttgart als eine in &#x017F;ich abge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene, fertige Theorie vortrug; eine durch Klarheit und Ein-<lb/>
fachheit ausgezeichnete Dar&#x017F;tellung die&#x017F;er Lehre gab <hi rendition="#g">Alexander<lb/>
Braun</hi> in Form eines Referats die&#x017F;er <hi rendition="#g">Schimper</hi>'<hi rendition="#g">&#x017F;chen</hi> Vor-<lb/>
träge in der Flora 1835, nachdem er &#x017F;elb&#x017F;t bereits eine ausge-<lb/>
zeichnete, umfa&#x017F;&#x017F;ende Abhandlung über den&#x017F;elben Gegen&#x017F;tand<lb/>
herausgegeben hatte. In die&#x017F;en Publicationen trat die Blatt-<lb/>
&#x017F;tellungslehre &#x017F;ofort mit einer formalen Vollendung auf, die<lb/>
nicht verfehlen konnte, die größte Aufmerk&#x017F;amkeit der botani&#x017F;chen<lb/>
Welt und &#x017F;ogar des größeren Publikums auf &#x017F;ich zu ziehen; und<lb/>
mit Recht, denn hier trat, was auf dem Gebiete der Botanik<lb/>
leider &#x017F;o äußer&#x017F;t &#x017F;elten i&#x017F;t, ein wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Gedanke nicht<lb/>
nur gelegentlich hingeworfen, &#x017F;ondern in allen &#x017F;einen Con&#x017F;equen-<lb/>
zen ausge&#x017F;ponnen als ein in &#x017F;ich vollendetes Lehrgebäude hervor,<lb/>
welches dadurch noch an äußerem Glanz gewann, daß &#x017F;eine einzelnen<lb/>
Sätze &#x017F;ich in Zahlen und Formeln ausdrücken ließen, da &#x017F;ich die<lb/>
ganze Lehre in geometri&#x017F;chen Con&#x017F;tructionen bewegte, ein bis dahin<lb/>
in der Botanik ganz unerhörtes Verfahren.</p><lb/>
          <p>Daß die Blätter an den &#x017F;ie erzeugenden Stengeln nach be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0187] Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie. lehre verbinden läßt, alſo in rein idealiſtiſchem Sinne auf. Beide machten ſich frei von den groben Verirrungen der Natur- Philoſophen und brachten ſo die rein idealiſtiſche, formale Be- trachtung der Pflanzengeſtalt zu conſequenterem Ausdruck. Karl Friedrich Schimper 1) begründete ſchon vor 1830 die nach ihm benannte Blattſtellungstheorie, die er 1834 auf der Naturforſcherverſammlung in Stuttgart als eine in ſich abge- ſchloſſene, fertige Theorie vortrug; eine durch Klarheit und Ein- fachheit ausgezeichnete Darſtellung dieſer Lehre gab Alexander Braun in Form eines Referats dieſer Schimper'ſchen Vor- träge in der Flora 1835, nachdem er ſelbſt bereits eine ausge- zeichnete, umfaſſende Abhandlung über denſelben Gegenſtand herausgegeben hatte. In dieſen Publicationen trat die Blatt- ſtellungslehre ſofort mit einer formalen Vollendung auf, die nicht verfehlen konnte, die größte Aufmerkſamkeit der botaniſchen Welt und ſogar des größeren Publikums auf ſich zu ziehen; und mit Recht, denn hier trat, was auf dem Gebiete der Botanik leider ſo äußerſt ſelten iſt, ein wiſſenſchaftlicher Gedanke nicht nur gelegentlich hingeworfen, ſondern in allen ſeinen Conſequen- zen ausgeſponnen als ein in ſich vollendetes Lehrgebäude hervor, welches dadurch noch an äußerem Glanz gewann, daß ſeine einzelnen Sätze ſich in Zahlen und Formeln ausdrücken ließen, da ſich die ganze Lehre in geometriſchen Conſtructionen bewegte, ein bis dahin in der Botanik ganz unerhörtes Verfahren. Daß die Blätter an den ſie erzeugenden Stengeln nach be- 1) K. F. Schimper, 1803 in Mannheim geboren, ſtudirte anfangs, eines Stipendiums wegen in Heidelberg Theologie, nachdem er jedoch als beauftragter Pflanzenſammler in Südfrankreich gereiſt war, nahm er ſeine Studien als Mediciner wieder auf. Von 1828-1842 lebte er in München zeitweiſe als academiſcher Docent thätig, zwiſchenweilig die Alpen und Pyrenäen und andere Gegenden im Auftrage des Königs von Bayern be- reiſend. In dieſe Zeit fallen ſeine wichtigſten Arbeiten über die Blatt- ſtellung und Forſchungen über die frühere Ausdehnung der Gletſcher und die Periode der Eiszeit. Seit 1842 lebt er wieder in der Pfalz, ſeit 1859 zumal in Schwetzingen als Privatgelehrter, in ſeinen ſpäteren Jahren unter- ſtützt durch eine Penſion des Großherzogs von Baden. Er ſtarb daſelbſt 1867

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/187
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/187>, abgerufen am 06.05.2024.