Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Sein Weib saß an dem Schenktisch. Der Kopf war in die Hände gesunken, die kleinen Finger hatte sie zwischen die Zähne gesteckt, die schläfrigen Augen waren halb geschlossen, aber ihr Blick hing unverwandt an dem Fremden. Der legte seine Pfeife weg, machte sich Luft. Soll ich Ihnen die Scene erzählen mit meiner Frau? -- -- Sie erlassen es mir. Meine Frau kränkelte einige Zeit. Ich blieb zu Hause, las. Einmal ging sie durch das Zimmer und sagte leise: Gute Nacht. Ich stand auf, da war sie auch wieder fort -- ihre Thüre fiel ins Schloß. Es war vorbei. Zu jener Zeit hatte ich einen Prozeß mit der Herrschaft von Osnowian. Ehe du das Gericht vorspannst und den Advocaten kutschiren läßt, dachte ich, spannst du deine Pferde ein und fährst selbst hin. Wen finde ich? Eine geschiedene Frau, die auf ihrem Gute lebt, weil sie die große Welt anekelt; eine moderne Philosophin. Sie nannte sich Satana und war ein allerliebstes kleines Teufelchen. Sie sprang nur gleich bei jedem Worte und hatte Augen wie Irrlichter. Ich verlor natürlich den Prozeß, aber gewann dafür ihr Herz, ihre Küsse. Ich liebte meine Frau noch immer. Meine Frau indeß fieberte von Haß und Liebe gegen mich. Ihr Herz war wie eine jener Blumen, welche nur im Schatten blühen; es überquoll jetzt von Sein Weib saß an dem Schenktisch. Der Kopf war in die Hände gesunken, die kleinen Finger hatte sie zwischen die Zähne gesteckt, die schläfrigen Augen waren halb geschlossen, aber ihr Blick hing unverwandt an dem Fremden. Der legte seine Pfeife weg, machte sich Luft. Soll ich Ihnen die Scene erzählen mit meiner Frau? — — Sie erlassen es mir. Meine Frau kränkelte einige Zeit. Ich blieb zu Hause, las. Einmal ging sie durch das Zimmer und sagte leise: Gute Nacht. Ich stand auf, da war sie auch wieder fort — ihre Thüre fiel ins Schloß. Es war vorbei. Zu jener Zeit hatte ich einen Prozeß mit der Herrschaft von Osnowian. Ehe du das Gericht vorspannst und den Advocaten kutschiren läßt, dachte ich, spannst du deine Pferde ein und fährst selbst hin. Wen finde ich? Eine geschiedene Frau, die auf ihrem Gute lebt, weil sie die große Welt anekelt; eine moderne Philosophin. Sie nannte sich Satana und war ein allerliebstes kleines Teufelchen. Sie sprang nur gleich bei jedem Worte und hatte Augen wie Irrlichter. Ich verlor natürlich den Prozeß, aber gewann dafür ihr Herz, ihre Küsse. Ich liebte meine Frau noch immer. Meine Frau indeß fieberte von Haß und Liebe gegen mich. Ihr Herz war wie eine jener Blumen, welche nur im Schatten blühen; es überquoll jetzt von <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0077"/> <p>Sein Weib saß an dem Schenktisch. Der Kopf war in die Hände gesunken, die kleinen Finger hatte sie zwischen die Zähne gesteckt, die schläfrigen Augen waren halb geschlossen, aber ihr Blick hing unverwandt an dem Fremden.</p><lb/> <p>Der legte seine Pfeife weg, machte sich Luft.</p><lb/> <p>Soll ich Ihnen die Scene erzählen mit meiner Frau? — — Sie erlassen es mir. Meine Frau kränkelte einige Zeit. Ich blieb zu Hause, las. Einmal ging sie durch das Zimmer und sagte leise: Gute Nacht. Ich stand auf, da war sie auch wieder fort — ihre Thüre fiel ins Schloß. Es war vorbei.</p><lb/> <p>Zu jener Zeit hatte ich einen Prozeß mit der Herrschaft von Osnowian.</p><lb/> <p>Ehe du das Gericht vorspannst und den Advocaten kutschiren läßt, dachte ich, spannst du deine Pferde ein und fährst selbst hin. Wen finde ich? Eine geschiedene Frau, die auf ihrem Gute lebt, weil sie die große Welt anekelt; eine moderne Philosophin.</p><lb/> <p>Sie nannte sich Satana und war ein allerliebstes kleines Teufelchen. Sie sprang nur gleich bei jedem Worte und hatte Augen wie Irrlichter.</p><lb/> <p>Ich verlor natürlich den Prozeß, aber gewann dafür ihr Herz, ihre Küsse.</p><lb/> <p>Ich liebte meine Frau noch immer.</p><lb/> <p>Meine Frau indeß fieberte von Haß und Liebe gegen mich. Ihr Herz war wie eine jener Blumen, welche nur im Schatten blühen; es überquoll jetzt von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
Sein Weib saß an dem Schenktisch. Der Kopf war in die Hände gesunken, die kleinen Finger hatte sie zwischen die Zähne gesteckt, die schläfrigen Augen waren halb geschlossen, aber ihr Blick hing unverwandt an dem Fremden.
Der legte seine Pfeife weg, machte sich Luft.
Soll ich Ihnen die Scene erzählen mit meiner Frau? — — Sie erlassen es mir. Meine Frau kränkelte einige Zeit. Ich blieb zu Hause, las. Einmal ging sie durch das Zimmer und sagte leise: Gute Nacht. Ich stand auf, da war sie auch wieder fort — ihre Thüre fiel ins Schloß. Es war vorbei.
Zu jener Zeit hatte ich einen Prozeß mit der Herrschaft von Osnowian.
Ehe du das Gericht vorspannst und den Advocaten kutschiren läßt, dachte ich, spannst du deine Pferde ein und fährst selbst hin. Wen finde ich? Eine geschiedene Frau, die auf ihrem Gute lebt, weil sie die große Welt anekelt; eine moderne Philosophin.
Sie nannte sich Satana und war ein allerliebstes kleines Teufelchen. Sie sprang nur gleich bei jedem Worte und hatte Augen wie Irrlichter.
Ich verlor natürlich den Prozeß, aber gewann dafür ihr Herz, ihre Küsse.
Ich liebte meine Frau noch immer.
Meine Frau indeß fieberte von Haß und Liebe gegen mich. Ihr Herz war wie eine jener Blumen, welche nur im Schatten blühen; es überquoll jetzt von
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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T10:36:14Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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