Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ein seltsamer Mensch. Er liebte alles Lebendige. Er zitterte nur so, wenn er ein Thier entdeckte, und tödtete doch ein jedes.

Dann hielt er es etwa in der Hand, sah es an und sagte mit einer Stimme, die so traurig war: Ihm ist wohl! Ihm ist wohl!

Er hielt das Leben für eine Art Unglück. Ich weiß nicht, ein seltsamer Mensch. Aber ich erzähle Ihnen ein anderes Mal von ihm. -- Da nahm ich in meine Torba etwa ein Stück Brod und Käse, füllte meine Jagdflasche mit Branntwein und ging so fort.

Dann legten wir uns wohl am Waldrand nieder. Irena ging auf das Feld, grub Erdäpfel aus, machte ein Feuer und briet sie in der Asche. Man ißt so, was man hat.

Wenn man so im stillen, schwarzen Hochwald streift, dem Wolf, dem Bären begegnet, den Adler brüten sieht, die feuchte, schwere, kühle Waldluft athmet, in der so der herbe Duft schwimmt, auf einem abgehauenen Baume Tisch hält, in der Berghöhle schläft, im schwarzen See badet, der keinen Grund hat, keine Wellen schlägt und dessen glatte, nachtdunkle Fläche die Strahlen der Sonne wie das Licht des Mondes verschlingt -- da hat man keine Gefühle mehr, da werden die Gefühle zu Begierden -- man ißt aus Hunger und man liebt aus Trieb.

Die Sonne geht unter. Irena sucht Schwämme.

Da sitzt ein Bauerweib auf der Erde.

ein seltsamer Mensch. Er liebte alles Lebendige. Er zitterte nur so, wenn er ein Thier entdeckte, und tödtete doch ein jedes.

Dann hielt er es etwa in der Hand, sah es an und sagte mit einer Stimme, die so traurig war: Ihm ist wohl! Ihm ist wohl!

Er hielt das Leben für eine Art Unglück. Ich weiß nicht, ein seltsamer Mensch. Aber ich erzähle Ihnen ein anderes Mal von ihm. — Da nahm ich in meine Torba etwa ein Stück Brod und Käse, füllte meine Jagdflasche mit Branntwein und ging so fort.

Dann legten wir uns wohl am Waldrand nieder. Irena ging auf das Feld, grub Erdäpfel aus, machte ein Feuer und briet sie in der Asche. Man ißt so, was man hat.

Wenn man so im stillen, schwarzen Hochwald streift, dem Wolf, dem Bären begegnet, den Adler brüten sieht, die feuchte, schwere, kühle Waldluft athmet, in der so der herbe Duft schwimmt, auf einem abgehauenen Baume Tisch hält, in der Berghöhle schläft, im schwarzen See badet, der keinen Grund hat, keine Wellen schlägt und dessen glatte, nachtdunkle Fläche die Strahlen der Sonne wie das Licht des Mondes verschlingt — da hat man keine Gefühle mehr, da werden die Gefühle zu Begierden — man ißt aus Hunger und man liebt aus Trieb.

Die Sonne geht unter. Irena sucht Schwämme.

Da sitzt ein Bauerweib auf der Erde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0073"/>
ein seltsamer Mensch. Er liebte alles Lebendige.      Er zitterte nur so, wenn er ein Thier entdeckte, und tödtete doch ein jedes.</p><lb/>
        <p>Dann hielt er es etwa in der Hand, sah es an und sagte mit einer Stimme, die so traurig war:      Ihm ist wohl! Ihm ist wohl!</p><lb/>
        <p>Er hielt das Leben für eine Art Unglück. Ich weiß nicht, ein seltsamer Mensch. Aber ich      erzähle Ihnen ein anderes Mal von ihm. &#x2014; Da nahm ich in meine Torba etwa ein Stück Brod und      Käse, füllte meine Jagdflasche mit Branntwein und ging so fort.</p><lb/>
        <p>Dann legten wir uns wohl am Waldrand nieder. Irena ging auf das Feld, grub Erdäpfel aus,      machte ein Feuer und briet sie in der Asche. Man ißt so, was man hat.</p><lb/>
        <p>Wenn man so im stillen, schwarzen Hochwald streift, dem Wolf, dem Bären begegnet, den Adler      brüten sieht, die feuchte, schwere, kühle Waldluft athmet, in der so der herbe Duft schwimmt,      auf einem abgehauenen Baume Tisch hält, in der Berghöhle schläft, im schwarzen See badet, der      keinen Grund hat, keine Wellen schlägt und dessen glatte, nachtdunkle Fläche die Strahlen der      Sonne wie das Licht des Mondes verschlingt &#x2014; da hat man keine Gefühle mehr, da werden die      Gefühle zu Begierden &#x2014; man ißt aus Hunger und man liebt aus Trieb.</p><lb/>
        <p>Die Sonne geht unter. Irena sucht Schwämme.</p><lb/>
        <p>Da sitzt ein Bauerweib auf der Erde.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0073] ein seltsamer Mensch. Er liebte alles Lebendige. Er zitterte nur so, wenn er ein Thier entdeckte, und tödtete doch ein jedes. Dann hielt er es etwa in der Hand, sah es an und sagte mit einer Stimme, die so traurig war: Ihm ist wohl! Ihm ist wohl! Er hielt das Leben für eine Art Unglück. Ich weiß nicht, ein seltsamer Mensch. Aber ich erzähle Ihnen ein anderes Mal von ihm. — Da nahm ich in meine Torba etwa ein Stück Brod und Käse, füllte meine Jagdflasche mit Branntwein und ging so fort. Dann legten wir uns wohl am Waldrand nieder. Irena ging auf das Feld, grub Erdäpfel aus, machte ein Feuer und briet sie in der Asche. Man ißt so, was man hat. Wenn man so im stillen, schwarzen Hochwald streift, dem Wolf, dem Bären begegnet, den Adler brüten sieht, die feuchte, schwere, kühle Waldluft athmet, in der so der herbe Duft schwimmt, auf einem abgehauenen Baume Tisch hält, in der Berghöhle schläft, im schwarzen See badet, der keinen Grund hat, keine Wellen schlägt und dessen glatte, nachtdunkle Fläche die Strahlen der Sonne wie das Licht des Mondes verschlingt — da hat man keine Gefühle mehr, da werden die Gefühle zu Begierden — man ißt aus Hunger und man liebt aus Trieb. Die Sonne geht unter. Irena sucht Schwämme. Da sitzt ein Bauerweib auf der Erde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/73
Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/73>, abgerufen am 27.11.2024.