Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Himmel. Die Bauern stehen zusammen vor der Schenke und sagen: Das ist Krieg, oder die Cholera, oder die Revolution! Es kommt über einen wie Kummer. Man spürt auf einmal, daß man ein Vaterland hat, das seine Grenzpfähle tief hineingesenkt in slavische, deutsche und andere Erde. Was wollen die Polaken? denkt man und sorgt um den Adler vor dem Kreisamte, und sorgt um seine Scheune. Man geht Nachts um sein Haus ob sie einem kein Feuer angelegt haben. Man will sich aussprechen. Mit wem? -- Mit seinem Weibe. Ha! ha! ha Heult richtig das Pfand der Liebe, weil ihm eine Fliege auf der Nase sitzt. Am Horizont ist eine Feuerröthe. Ein Bauer reitet vorbei, schreit: "Revolution!" in den Hof und treibt sein mageres Pferd an. Im Dorfe läuten sie Sturm. Ein Bauer nagelt seine Sense gerade, zwei kommen, die Dreschflegel auf der Schulter. Andere treten in den Hof. Herr! Sehen wir uns vor -- die Polen kommen! Ich lade meine Pistolen, laß' den Säbel schleifen. Mein Weib, gieb mir ein Band auf die Mütze, einen Fetzen meinetwegen! -- Ha! ha! ha! Glauben Sie? -- Mach fort! heißt es. Mir weint, mir stirbt mein Kind! Reit in das Dorf, verbiet mir gleich das Läuten! Mach fort! -- Oho! Jetzt ist das anders, Himmel. Die Bauern stehen zusammen vor der Schenke und sagen: Das ist Krieg, oder die Cholera, oder die Revolution! Es kommt über einen wie Kummer. Man spürt auf einmal, daß man ein Vaterland hat, das seine Grenzpfähle tief hineingesenkt in slavische, deutsche und andere Erde. Was wollen die Polaken? denkt man und sorgt um den Adler vor dem Kreisamte, und sorgt um seine Scheune. Man geht Nachts um sein Haus ob sie einem kein Feuer angelegt haben. Man will sich aussprechen. Mit wem? — Mit seinem Weibe. Ha! ha! ha Heult richtig das Pfand der Liebe, weil ihm eine Fliege auf der Nase sitzt. Am Horizont ist eine Feuerröthe. Ein Bauer reitet vorbei, schreit: „Revolution!“ in den Hof und treibt sein mageres Pferd an. Im Dorfe läuten sie Sturm. Ein Bauer nagelt seine Sense gerade, zwei kommen, die Dreschflegel auf der Schulter. Andere treten in den Hof. Herr! Sehen wir uns vor — die Polen kommen! Ich lade meine Pistolen, laß' den Säbel schleifen. Mein Weib, gieb mir ein Band auf die Mütze, einen Fetzen meinetwegen! — Ha! ha! ha! Glauben Sie? — Mach fort! heißt es. Mir weint, mir stirbt mein Kind! Reit in das Dorf, verbiet mir gleich das Läuten! Mach fort! — Oho! Jetzt ist das anders, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0060"/> Himmel. Die Bauern stehen zusammen vor der Schenke und sagen: Das ist Krieg, oder die Cholera, oder die Revolution!</p><lb/> <p>Es kommt über einen wie Kummer. Man spürt auf einmal, daß man ein Vaterland hat, das seine Grenzpfähle tief hineingesenkt in slavische, deutsche und andere Erde. Was wollen die Polaken? denkt man und sorgt um den Adler vor dem Kreisamte, und sorgt um seine Scheune. Man geht Nachts um sein Haus ob sie einem kein Feuer angelegt haben.</p><lb/> <p>Man will sich aussprechen.</p><lb/> <p>Mit wem? — Mit seinem Weibe. Ha! ha! ha Heult richtig das Pfand der Liebe, weil ihm eine Fliege auf der Nase sitzt.</p><lb/> <p>Am Horizont ist eine Feuerröthe. Ein Bauer reitet vorbei, schreit: „Revolution!“ in den Hof und treibt sein mageres Pferd an.</p><lb/> <p>Im Dorfe läuten sie Sturm.</p><lb/> <p>Ein Bauer nagelt seine Sense gerade, zwei kommen, die Dreschflegel auf der Schulter.</p><lb/> <p>Andere treten in den Hof.</p><lb/> <p>Herr! Sehen wir uns vor — die Polen kommen! Ich lade meine Pistolen, laß' den Säbel schleifen.</p><lb/> <p>Mein Weib, gieb mir ein Band auf die Mütze, einen Fetzen meinetwegen! — Ha! ha! ha! Glauben Sie? — Mach fort! heißt es. Mir weint, mir stirbt mein Kind! Reit in das Dorf, verbiet mir gleich das Läuten! Mach fort! — Oho! Jetzt ist das anders,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
Himmel. Die Bauern stehen zusammen vor der Schenke und sagen: Das ist Krieg, oder die Cholera, oder die Revolution!
Es kommt über einen wie Kummer. Man spürt auf einmal, daß man ein Vaterland hat, das seine Grenzpfähle tief hineingesenkt in slavische, deutsche und andere Erde. Was wollen die Polaken? denkt man und sorgt um den Adler vor dem Kreisamte, und sorgt um seine Scheune. Man geht Nachts um sein Haus ob sie einem kein Feuer angelegt haben.
Man will sich aussprechen.
Mit wem? — Mit seinem Weibe. Ha! ha! ha Heult richtig das Pfand der Liebe, weil ihm eine Fliege auf der Nase sitzt.
Am Horizont ist eine Feuerröthe. Ein Bauer reitet vorbei, schreit: „Revolution!“ in den Hof und treibt sein mageres Pferd an.
Im Dorfe läuten sie Sturm.
Ein Bauer nagelt seine Sense gerade, zwei kommen, die Dreschflegel auf der Schulter.
Andere treten in den Hof.
Herr! Sehen wir uns vor — die Polen kommen! Ich lade meine Pistolen, laß' den Säbel schleifen.
Mein Weib, gieb mir ein Band auf die Mütze, einen Fetzen meinetwegen! — Ha! ha! ha! Glauben Sie? — Mach fort! heißt es. Mir weint, mir stirbt mein Kind! Reit in das Dorf, verbiet mir gleich das Läuten! Mach fort! — Oho! Jetzt ist das anders,
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Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/60>, abgerufen am 16.07.2024. |