Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

und verkaufte, machte den Lieferanten für das Aerar, kaufte ein Gut und nannte sich Schebigstein. Heißt einer Lichtenstein, sagte er, warum soll ich nicht heißen Schebigstein? Und der Sohn wurde Baron, und nennt sich Raphael Schebicki. Lacht Ihnen immerfort! Sagen Sie ihm: Erweisen Sie mir die Ehre, mich zu besuchen -- lacht er so, und sagen Sie ihm: Belieben, da ist die Thüre, Paschol! -- lacht er auch so. Und jeder hübschen Frau will er gleich Kleider bringen von Brody und einen Shawl von Paris; trinkt immer nur Wasser, geht täglich ins Dampfbad, trägt eine große goldene Kette auf der rothen Sammtweste und macht immer das Kreuz vor der Suppe und nach Tisch.

der Edelmann Domboski, ein langer Pole mit rothen Augen, schwermüthigem Schnurrbart und leeren Taschen, der immer für die armen Emigranten sammelt, Jeden, den er das zweite Mal sieht, ungestüm an sein Herz drückt und zärtlich küßt; wenn er ein Glas zu viel hat, ungezählte Thränen vergießt, "Noch ist Polen nicht verloren" singt, Jeden einzeln unter den Arm nimmt, um ihm die ganze polnische Verschwörung anzuvertrauen; wenn er endlich lustig ist, ein "Vivat, lieben wir uns!" ausbringt und aus den schmutzigen Schuhen der Frauen trinkt.

Der hochwürdige Herr Maziek, so ein gerechter Landpfarrer, der fand für Alles einen Trost, für Geburt, Tod und Heirath. Am Meisten pries er jedoch, die selig im Herren entschlafen. Auch die Kirche habe

und verkaufte, machte den Lieferanten für das Aerar, kaufte ein Gut und nannte sich Schebigstein. Heißt einer Lichtenstein, sagte er, warum soll ich nicht heißen Schebigstein? Und der Sohn wurde Baron, und nennt sich Raphael Schebicki. Lacht Ihnen immerfort! Sagen Sie ihm: Erweisen Sie mir die Ehre, mich zu besuchen — lacht er so, und sagen Sie ihm: Belieben, da ist die Thüre, Paschol! — lacht er auch so. Und jeder hübschen Frau will er gleich Kleider bringen von Brody und einen Shawl von Paris; trinkt immer nur Wasser, geht täglich ins Dampfbad, trägt eine große goldene Kette auf der rothen Sammtweste und macht immer das Kreuz vor der Suppe und nach Tisch.

der Edelmann Domboski, ein langer Pole mit rothen Augen, schwermüthigem Schnurrbart und leeren Taschen, der immer für die armen Emigranten sammelt, Jeden, den er das zweite Mal sieht, ungestüm an sein Herz drückt und zärtlich küßt; wenn er ein Glas zu viel hat, ungezählte Thränen vergießt, „Noch ist Polen nicht verloren“ singt, Jeden einzeln unter den Arm nimmt, um ihm die ganze polnische Verschwörung anzuvertrauen; wenn er endlich lustig ist, ein „Vivat, lieben wir uns!“ ausbringt und aus den schmutzigen Schuhen der Frauen trinkt.

Der hochwürdige Herr Maziek, so ein gerechter Landpfarrer, der fand für Alles einen Trost, für Geburt, Tod und Heirath. Am Meisten pries er jedoch, die selig im Herren entschlafen. Auch die Kirche habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0047"/>
und verkaufte, machte den Lieferanten      für das Aerar, kaufte ein Gut und nannte sich Schebigstein. Heißt einer Lichtenstein, sagte er,      warum soll ich nicht heißen Schebigstein? Und der Sohn wurde Baron, und nennt sich Raphael      Schebicki. Lacht Ihnen immerfort! Sagen Sie ihm: Erweisen Sie mir die Ehre, mich zu besuchen &#x2014;      lacht er so, und sagen Sie ihm: Belieben, da ist die Thüre, Paschol! &#x2014; lacht er auch so. Und      jeder hübschen Frau will er gleich Kleider bringen von Brody und einen Shawl von Paris; trinkt      immer nur Wasser, geht täglich ins Dampfbad, trägt eine große goldene Kette auf der rothen      Sammtweste und macht immer das Kreuz vor der Suppe und nach Tisch.</p><lb/>
        <p> der Edelmann Domboski, ein langer Pole mit rothen Augen, schwermüthigem Schnurrbart und      leeren Taschen, der immer für die armen Emigranten sammelt, Jeden, den er das zweite Mal sieht,      ungestüm an sein Herz drückt und zärtlich küßt; wenn er ein Glas zu viel hat, ungezählte      Thränen vergießt, &#x201E;Noch ist Polen nicht verloren&#x201C; singt, Jeden einzeln unter den Arm nimmt, um      ihm die ganze polnische Verschwörung anzuvertrauen; wenn er endlich lustig ist, ein &#x201E;Vivat,      lieben wir uns!&#x201C; ausbringt und aus den schmutzigen Schuhen der Frauen trinkt.</p><lb/>
        <p>Der hochwürdige Herr Maziek, so ein gerechter Landpfarrer, der fand für Alles einen Trost,      für Geburt, Tod und Heirath. Am Meisten pries er jedoch, die selig im Herren entschlafen. Auch      die Kirche habe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] und verkaufte, machte den Lieferanten für das Aerar, kaufte ein Gut und nannte sich Schebigstein. Heißt einer Lichtenstein, sagte er, warum soll ich nicht heißen Schebigstein? Und der Sohn wurde Baron, und nennt sich Raphael Schebicki. Lacht Ihnen immerfort! Sagen Sie ihm: Erweisen Sie mir die Ehre, mich zu besuchen — lacht er so, und sagen Sie ihm: Belieben, da ist die Thüre, Paschol! — lacht er auch so. Und jeder hübschen Frau will er gleich Kleider bringen von Brody und einen Shawl von Paris; trinkt immer nur Wasser, geht täglich ins Dampfbad, trägt eine große goldene Kette auf der rothen Sammtweste und macht immer das Kreuz vor der Suppe und nach Tisch. der Edelmann Domboski, ein langer Pole mit rothen Augen, schwermüthigem Schnurrbart und leeren Taschen, der immer für die armen Emigranten sammelt, Jeden, den er das zweite Mal sieht, ungestüm an sein Herz drückt und zärtlich küßt; wenn er ein Glas zu viel hat, ungezählte Thränen vergießt, „Noch ist Polen nicht verloren“ singt, Jeden einzeln unter den Arm nimmt, um ihm die ganze polnische Verschwörung anzuvertrauen; wenn er endlich lustig ist, ein „Vivat, lieben wir uns!“ ausbringt und aus den schmutzigen Schuhen der Frauen trinkt. Der hochwürdige Herr Maziek, so ein gerechter Landpfarrer, der fand für Alles einen Trost, für Geburt, Tod und Heirath. Am Meisten pries er jedoch, die selig im Herren entschlafen. Auch die Kirche habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/47
Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/47>, abgerufen am 25.11.2024.