Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Hopp, Bruder! rufe ich. Aber er hört gar nicht auf mich, sieht mich auch nicht an. Halt, Bruder, ich will dich Russisch lehren! Drehe meine Flinte um und haue mit aller Kraft über seine Schnauze. Der brüllt, steht auf, ich den linken Arm in seine Zähne, das Messer in sein Herz, er die Tatzen um mich. Das Blut stürzt über mich wie eine Welle -- die Welt geht unter. Er saß eine Weile, stützte den Kopf, schwieg. Dann schlug er mit der flachen Hand leicht auf den Tisch und sprach lächelnd: Da hab' ich Ihnen richtig so eine Anekdote erzählt. Aber sie sollen seine Tatzen sehen. Erlauben Sie, daß ich mein Hemd aufmache. Er zog es auseinander und zeigte an jeder Seite seiner Brust eine Narbe wie die eingedrückte, weiße Hand eines riesigen Menschen. Er hat mich gut gefaßt. Die Gläser waren leer. Ich winkte Moschku, eine neue Flasche zu bringen. So fanden mich also die Bauern, fuhr mein Bojar fort, aber lassen wir das. Ich lag also lange im Hause bei den Senkows im Fieber. Wenn ich bei Tage zu mir kam, saßen sie um mich, auch meine Leute, wie um einen Sterbenden, aber Vater Senkow sagte: Nun, es geht ja gut, und Nikolaja lachte. Einmal erwachte ich Nachts und sehe mich um. Da brennt nur eine ein- Hopp, Bruder! rufe ich. Aber er hört gar nicht auf mich, sieht mich auch nicht an. Halt, Bruder, ich will dich Russisch lehren! Drehe meine Flinte um und haue mit aller Kraft über seine Schnauze. Der brüllt, steht auf, ich den linken Arm in seine Zähne, das Messer in sein Herz, er die Tatzen um mich. Das Blut stürzt über mich wie eine Welle — die Welt geht unter. Er saß eine Weile, stützte den Kopf, schwieg. Dann schlug er mit der flachen Hand leicht auf den Tisch und sprach lächelnd: Da hab' ich Ihnen richtig so eine Anekdote erzählt. Aber sie sollen seine Tatzen sehen. Erlauben Sie, daß ich mein Hemd aufmache. Er zog es auseinander und zeigte an jeder Seite seiner Brust eine Narbe wie die eingedrückte, weiße Hand eines riesigen Menschen. Er hat mich gut gefaßt. Die Gläser waren leer. Ich winkte Moschku, eine neue Flasche zu bringen. So fanden mich also die Bauern, fuhr mein Bojar fort, aber lassen wir das. Ich lag also lange im Hause bei den Senkows im Fieber. Wenn ich bei Tage zu mir kam, saßen sie um mich, auch meine Leute, wie um einen Sterbenden, aber Vater Senkow sagte: Nun, es geht ja gut, und Nikolaja lachte. Einmal erwachte ich Nachts und sehe mich um. Da brennt nur eine ein- <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0041"/> <p>Hopp, Bruder! rufe ich. Aber er hört gar nicht auf mich, sieht mich auch nicht an.</p><lb/> <p>Halt, Bruder, ich will dich Russisch lehren!</p><lb/> <p>Drehe meine Flinte um und haue mit aller Kraft über seine Schnauze. Der brüllt, steht auf, ich den linken Arm in seine Zähne, das Messer in sein Herz, er die Tatzen um mich.</p><lb/> <p>Das Blut stürzt über mich wie eine Welle — die Welt geht unter.</p><lb/> <p>Er saß eine Weile, stützte den Kopf, schwieg.</p><lb/> <p>Dann schlug er mit der flachen Hand leicht auf den Tisch und sprach lächelnd: Da hab' ich Ihnen richtig so eine Anekdote erzählt. Aber sie sollen seine Tatzen sehen. Erlauben Sie, daß ich mein Hemd aufmache.</p><lb/> <p>Er zog es auseinander und zeigte an jeder Seite seiner Brust eine Narbe wie die eingedrückte, weiße Hand eines riesigen Menschen.</p><lb/> <p>Er hat mich gut gefaßt.</p><lb/> <p>Die Gläser waren leer. Ich winkte Moschku, eine neue Flasche zu bringen.</p><lb/> <p>So fanden mich also die Bauern, fuhr mein Bojar fort, aber lassen wir das. Ich lag also lange im Hause bei den Senkows im Fieber. Wenn ich bei Tage zu mir kam, saßen sie um mich, auch meine Leute, wie um einen Sterbenden, aber Vater Senkow sagte: Nun, es geht ja gut, und Nikolaja lachte. Einmal erwachte ich Nachts und sehe mich um. Da brennt nur eine ein-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Hopp, Bruder! rufe ich. Aber er hört gar nicht auf mich, sieht mich auch nicht an.
Halt, Bruder, ich will dich Russisch lehren!
Drehe meine Flinte um und haue mit aller Kraft über seine Schnauze. Der brüllt, steht auf, ich den linken Arm in seine Zähne, das Messer in sein Herz, er die Tatzen um mich.
Das Blut stürzt über mich wie eine Welle — die Welt geht unter.
Er saß eine Weile, stützte den Kopf, schwieg.
Dann schlug er mit der flachen Hand leicht auf den Tisch und sprach lächelnd: Da hab' ich Ihnen richtig so eine Anekdote erzählt. Aber sie sollen seine Tatzen sehen. Erlauben Sie, daß ich mein Hemd aufmache.
Er zog es auseinander und zeigte an jeder Seite seiner Brust eine Narbe wie die eingedrückte, weiße Hand eines riesigen Menschen.
Er hat mich gut gefaßt.
Die Gläser waren leer. Ich winkte Moschku, eine neue Flasche zu bringen.
So fanden mich also die Bauern, fuhr mein Bojar fort, aber lassen wir das. Ich lag also lange im Hause bei den Senkows im Fieber. Wenn ich bei Tage zu mir kam, saßen sie um mich, auch meine Leute, wie um einen Sterbenden, aber Vater Senkow sagte: Nun, es geht ja gut, und Nikolaja lachte. Einmal erwachte ich Nachts und sehe mich um. Da brennt nur eine ein-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T10:36:14Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T10:36:14Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |