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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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an ihn stellte, die er alle bescheiden und aufgeweckt beant¬
wortete.

Ludmilla hatte inzwischen langsam die Blumen vom Boden
aufgelesen und machte jetzt Miene, sich neben mir auf der
Bank niederzulassen. Ich erhob mich unwillkürlich. "Wie
Sie wollen schon wieder fort?" hieß es, "Ich muß", stam¬
melte ich, obgleich es sich wie unsichtbare Banden um mich
legte.

"O, nur einen Augenblick!" bat Ludmilla, bis ich den
Strauß hier fertig habe. Sie können sich ihn zu Hause in's
Wasser stellen."

Ich machte verwirrt eine ablehnende Geberde.

"Geh mit diesen Blumen!" sagte die Mutter. "Da gibst
Du dem geistlichen Herrn was Rechtes."

"Also wollen Sie sie nicht?" fragte Ludmilla kleinlaut.
"Sie duften doch recht lieblich."

Mir wollte das Herz darüber zerspringen, daß ich ihr
weh gethan. "So war es nicht gemeint," sagte ich. "Ich
liebe ja die Blumen, die draußen frei und ungepflegt sprießen,
gar sehr. Ich wollte nur nicht, daß Sie sich meinetwegen mühten."

"Mühten?" fragte sie. "Mein Gott, wie gerne thät ich's!
Aber was ist es denn, einen Strauß zu binden." Und indem
sie die Blumen auf die Bank legte, und rasch wieder eine
nach der andern aufnahm, fuhr sie fort: "Die Schanzen sehen
jetzt gar so schön aus. Alles steht bunt von Stern- und Glocken¬

an ihn ſtellte, die er alle beſcheiden und aufgeweckt beant¬
wortete.

Ludmilla hatte inzwiſchen langſam die Blumen vom Boden
aufgeleſen und machte jetzt Miene, ſich neben mir auf der
Bank niederzulaſſen. Ich erhob mich unwillkürlich. „Wie
Sie wollen ſchon wieder fort?“ hieß es, „Ich muß“, ſtam¬
melte ich, obgleich es ſich wie unſichtbare Banden um mich
legte.

„O, nur einen Augenblick!“ bat Ludmilla, bis ich den
Strauß hier fertig habe. Sie können ſich ihn zu Hauſe in's
Waſſer ſtellen.“

Ich machte verwirrt eine ablehnende Geberde.

„Geh mit dieſen Blumen!“ ſagte die Mutter. „Da gibſt
Du dem geiſtlichen Herrn was Rechtes.“

„Alſo wollen Sie ſie nicht?“ fragte Ludmilla kleinlaut.
„Sie duften doch recht lieblich.“

Mir wollte das Herz darüber zerſpringen, daß ich ihr
weh gethan. „So war es nicht gemeint,“ ſagte ich. „Ich
liebe ja die Blumen, die draußen frei und ungepflegt ſprießen,
gar ſehr. Ich wollte nur nicht, daß Sie ſich meinetwegen mühten.“

„Mühten?“ fragte ſie. „Mein Gott, wie gerne thät ich's!
Aber was iſt es denn, einen Strauß zu binden.“ Und indem
ſie die Blumen auf die Bank legte, und raſch wieder eine
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[57/0073] an ihn ſtellte, die er alle beſcheiden und aufgeweckt beant¬ wortete. Ludmilla hatte inzwiſchen langſam die Blumen vom Boden aufgeleſen und machte jetzt Miene, ſich neben mir auf der Bank niederzulaſſen. Ich erhob mich unwillkürlich. „Wie Sie wollen ſchon wieder fort?“ hieß es, „Ich muß“, ſtam¬ melte ich, obgleich es ſich wie unſichtbare Banden um mich legte. „O, nur einen Augenblick!“ bat Ludmilla, bis ich den Strauß hier fertig habe. Sie können ſich ihn zu Hauſe in's Waſſer ſtellen.“ Ich machte verwirrt eine ablehnende Geberde. „Geh mit dieſen Blumen!“ ſagte die Mutter. „Da gibſt Du dem geiſtlichen Herrn was Rechtes.“ „Alſo wollen Sie ſie nicht?“ fragte Ludmilla kleinlaut. „Sie duften doch recht lieblich.“ Mir wollte das Herz darüber zerſpringen, daß ich ihr weh gethan. „So war es nicht gemeint,“ ſagte ich. „Ich liebe ja die Blumen, die draußen frei und ungepflegt ſprießen, gar ſehr. Ich wollte nur nicht, daß Sie ſich meinetwegen mühten.“ „Mühten?“ fragte ſie. „Mein Gott, wie gerne thät ich's! Aber was iſt es denn, einen Strauß zu binden.“ Und indem ſie die Blumen auf die Bank legte, und raſch wieder eine nach der andern aufnahm, fuhr ſie fort: „Die Schanzen ſehen jetzt gar ſo ſchön aus. Alles ſteht bunt von Stern- und Glocken¬

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/73>, abgerufen am 24.11.2024.